Stimmt es, dass die Corona-Pandemie Frauen am Arbeitsmarkt härter getroffen hat?

Corona-Pandemie und Arbeitsmarkt
Die Corona-Pandemie sorgte auch im Einzelhandel für Kurzarbeit und Jobverluste (Symbol- und Archivbild)
© Herbert Neubauer / Picture Alliance
Weltweit gingen im Jahr 2020 laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) durch Beschäftigungsverluste Arbeitsstunden im Umfang von 114 Millionen Vollzeitstellen verloren. Ob eher Frauen oder Männer betroffen waren, erfahren Sie hier.

Stimmt es, dass die Corona-Pandemie Frauen am Arbeitsmarkt härter getroffen hat? 

Die Zahlen der Internationalen Arbeiterorganisation (ILO) zu den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf den Arbeitsmarkt zeigen, dass im vergangenen Jahr geschätzt 8,8 Prozent der weltweiten Arbeitsstunden im Vergleich zum vierten Quartal 2019 verloren gingen. Das entspricht umgerechnet 225 Millionen Vollzeitstellen. Die verlorenen Arbeitsstunden sind etwa zur Hälfte auf reduzierte Arbeitszeiten, etwa Kurzarbeit, zurückzuführen. Für die andere Hälfte, umgerechnet 114 Millionen Stellen, waren Beschäftigungsverluste verantwortlich, das heißt, die Menschen haben ihren Job verloren oder sich vom Arbeitsmarkt zurückgezogen, also ihre Arbeit aufgegeben. 

Dabei sind laut ILO Frauen am Arbeitsmarkt durch die Pandemie deutlich stärker betroffen: 5,0 Prozent aller erwerbstätigen Frauen haben ihre Arbeit verloren, bei den Männern waren es 3,9 Prozent. Frauen scheiden somit durch die Pandemie mit höherer Wahrscheinlichkeit aus dem Arbeitsmarkt aus und erleiden häufiger Einkommensverluste. 

Das liegt unter anderem daran, dass laut ILO weltweit 40,0 Prozent aller erwerbstätigen Frauen (Männer: 36,6 Prozent) in Bereichen arbeiten, die von den Folgen der Corona-Pandemie besonders stark betroffen sind, etwa im Einzelhandel, im Tourismus oder in der Gastronomie. Von den in diesen Bereichen beschäftigten Frauen stehen zudem 42 Prozent (Männer 32 Prozent) in sogenannten informellen Arbeitsverhältnissen, das heißt, sie sind arbeitsrechtlich und sozial nicht oder nur unzureichend abgesichert. Sie haben zum Beispiel meist keine Arbeitsverträge oder nur solche mit kurzer Dauer, keine Krankenversicherung und keinen Kündigungsschutz. 

Stimmt es eigentlich, dass ...

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"Frauen sind in der Pandemie doppelt gestraft"

Zudem übernehmen Frauen den größten Anteil an unbezahlter Pflege- und Fürsorgearbeit. Um in der Pandemie kranke Angehörige pflegen oder während der Schulschließungen ihre Kinder betreuen zu können, reduzieren viele Frauen ihre Arbeitszeit oder steigen zeitweise oder ganz aus dem Arbeitsmarkt aus. 

Dafür sind auch tradierte Geschlechterrollen verantwortlich. "Wie selbstverständlich springen Frauen ein, wenn Alte und Kranke gepflegt oder Kinder betreut werden müssen. Doch das ist nicht selbstverständlich, sondern eine gesellschaftliche Erwartung", sagt Sandra Dworack, Entwicklungsexpertin bei Oxfam. Auf Basis der ILO-Daten berechnete die Nothilfe- und Entwicklungsorganisation, dass Frauen durch die Covid-19-Krise im vergangenen Jahr weltweit Einkommensverluste von mindestens 800 Milliarden Dollar (rund 675 Milliarden Euro) erlitten haben. Dworacks Fazit: "Frauen sind in der Pandemie doppelt gestraft. Sie schultern noch mehr unbezahlte Betreuungsarbeit und verlieren gleichzeitig an Einkommen."

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