Der SPD-Vorschlag einer Volksaktie bei der Teilprivatisierung der Bahn stößt unter Börsenexperten auf erhebliche Skepsis. "Der Wert der zum Verkauf stehenden Bahnanteile geht in die Milliarden, da geht es ohne Großinvestoren nicht", sagte Michael Kunert als Sprecher der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) in der "Berliner Zeitung". Kleinanleger könnten ein solches Volumen überhaupt nicht stemmen. Das voraussichtliche Desinteresse der Kleinanleger an einer Bahn-Aktie begründete Kunert unter anderem mit dem Börsenflop der T-Aktie, die einst als Volksaktie gepriesen und Millionen Anlegern empfohlen wurde. Auch der Börsengang der Deutschen Post habe sich bis heute "nicht gerade als der Renner" erwiesen.
"Der Begriff 'Volksaktie' ist Unsinn"
Als weiteren Grund für seine Skepsis nannte der Anlegerschützer die Politik der großen Koalition. Die Heraufsetzung der Spekulationsfrist für Aktionäre und die geplante komplette Besteuerung der Aktiengewinne ab 2009 hätten Anleger weiter verunsichert. "Ich befürchte, aus diesem Grunde würde der Verkauf einer DB-Volksaktie ein Flop werden", sagte Kunert. Ohnehin sei die Bezeichnung "Volksaktie" irreführend. "Der Begriff ist Unsinn, er suggeriert, dass kleine Aktienanleger nichts verlieren können", sagte Kunert. "Tatsächlich aber geht jeder Aktionär ein gewisses Risiko ein."
Der SPD-Vorstand hat nach Angaben von Parteichef Kurt Beck beschlossen, eine "Volksaktie" beim Teilverkauf der Bahn zu prüfen. Damit soll Großinvestoren ein Einfluss auf das Schienennetz verwehrt und die maßgebliche Position des Bundes abgesichert werden. Hinter diesen Überlegungen stehen grundsätzliche Bedenken innerhalb der SPD gegen die Privatisierung der Bahn. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee bezeichnete die Idee einer Volksaktie am Dienstag als einen "interessanten Vorschlag".
Struck sieht wenig Chancen für Bahn-Volksaktie
SPD-Fraktionschef Peter Struck hat sich skeptisch über die vom SPD-Vorstand angeregte Ausgabe von "Volksaktien" bei der Bahnprivatisierung geäußert. "Wir sind fertig mit den politischen Entscheidungen", sagte er dem "Handelsblatt". Die Fraktion habe in den vergangenen zwei Jahren mehrfach über die Teilprivatisierung der Bahn diskutiert. In den ursprünglichen Entwurf seien bereits "Vorstellungen der Kritiker eingearbeitet worden".
Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck hatte am Montag nach einer Vorstandssitzung gesagt, er halte das Modell einer Volksaktie für eine interessante Idee. "Wir wollen nicht, dass sich ein Finanzinvestor einen Brocken schnappt." Die Bahn soll nach dem Willen der Bundesregierung bis spätestens 2009 teilweise privatisiert werden. Bundestag und Bundesrat müssen das Gesetz dafür noch beschließen.
Struck betonte, die Kritiker an dem Konzept zur Bahnprivatisierung seien in den Fraktionsabstimmungen mehrfach unterlegen: "Das wird auch so sein, wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass das Volksaktienmodell nicht funktioniert." Er persönlich halte es für erforderlich, dass bei der Privatisierung von bis zu 49 Prozent der Bahn-Anteile finanzkräftige Investoren einstiegen: "Man kann nicht davon ausgehen, dass Heuschrecken über die Bahn herfallen."