Wie kam es zur Krise?
An den Turbulenzen in der Finanzwelt sind die Amerikaner schuld. Ihre Notenbank hat Wirtschaft und Verbraucher über Jahre mit zu billigen Krediten versorgt: Von 2001 bis 2004 verlangte sie weniger als zwei Prozent Jahreszins. Deshalb konnten US-Baufinanzierer Kredite auch an Kunden vergeben, die sich Immobilien eigentlich gar nicht leisten konnten. Seit dem Jahr 2005 stiegen die Zinsen wieder, die Schuldner gerieten unter Druck. Und mit ihnen auch die Banken: Sie hatten Risikokredite weiterverkauft und mit Kreditpaketen schwunghaften Handel getrieben. Daran beteiligten sich nicht nur Banken und Fonds in Amerika, sondern Geldhäuser weltweit, auch deutsche. Mit dem Kollaps der US-Immobiliendarlehen ist dieser Handel, das weltweite Weiterverkaufen von Krediten aller Art, fast zum Erliegen gekommen. Die Folge: Kredite werden knapp.
Welche Auswirkungen hat die Kreditkrise?
Kaputte Banken(-Bilanzen)
- Mehreren US-Baufinanzierern droht die Pleite. Ihre Schuldner sind zahlungsunfähig. Und die schlechten Kredite können auch nicht mehr weiterverkauft werden. Europäische Geldhäuser sind ebenfalls unter Druck. Die Düsseldorfer WestLB beziffert ihr Engagement am US-Immobilienmarkt auf mehr als eine Milliarde Euro. Auch Deutsche Bank, Commerzbank und Postbank sind in das USHypothekengeschäft verwickelt. Anders als in den USA gibt es in Deutschland jedoch Sicherheitsmechanismen. Für die angeschlagene WestLB bürgt das Land Nordrhein- Westfalen - und damit der Steuerzahler. Für die in Not geratene Mittelstandsbank IKB hebt die staatliche KfWBank die Hand, und damit zahlen am Ende wieder die Steuerzahler. Zu Bankpleiten dürfte es in Deutschland nicht kommen. Die Kreditmarktkrise wird jedoch die Bilanzen vieler Institute verhageln - und damit ihre Gewinne und Börsenkurse.
(Risiko-)Kredite werden teurer
- Ohne die Möglichkeit, einen Teil ihrer Kredite an andere Banken oder Fonds zu verkaufen, können Geldverleiher die Billigkonditionen nicht mehr halten. Da Kreditzusagen, besonders an Firmen, noch auf der Grundlage niedriger Zinsen gemacht wurden, droht ein Engpass - entweder Kredite werden teurer oder nicht mehr vergeben. Weil das Folgen für das gesamte Wirtschaftsleben hätte, haben die Zentralbanken frisches Geld bereitgestellt
"Heuschrecken" erschrecken
Ohne günstigen Risikokredit kommt das Geschäft vieler Beteiligungshändler (Private- Equity-Firmen) zum Stillstand. Der Auf- und Weiterverkauf von Firmen rechnet sich nämlich oft nur dann, wenn dazu neben dem Eigenkapital auch Bankdarlehen verwendet werden. Banken wollen dieses Spiel nun nicht mehr mitmachen - zumindest nicht in "Heuschrecken"-Manier. Mit schnellem Aufkaufen, Abgrasen und Abhauen ist erst mal Schluss.
Warum gewähren die Notenbanken Milliardenhilfe?
Weltweit pumpten die Zentralbanken in den vergangenen Tagen Milliarden in den Geldmarkt, an dem sich die Geschäftsbanken untereinander Geld leihen. Denn es gibt ein Vertrauensproblem: Banken, die Geld verleihen könnten, wollen es denen, die es brauchen, nicht geben. Diese Lücke zwischen Geldangebot und -nachfrage schließen die Notenbanken in Europa, Japan und den USA. Sie stellen dabei den Banken sogenannte Tender zur Verfügung, damit die Versorgung der Wirtschaft mit Krediten nicht ins Stocken gerät. Mit einem solchen Tender bieten die Notenbanken den Geschäftsinstituten Geld in Milliardenhöhe zu einem vergleichsweise günstigen Zinssatz an, der deutlich unter dem Niveau liegt, das andere Banken in unsicheren Zeiten verlangen würden.
Institute, die die Finanzspritze der Notenbanken in Anspruch nehmen wollen, müssen dafür als Sicherheit im gleichen Umfang Wertpapiere (Aktien, Staatsanleihen) bei der Notenbank als Pfand hinterlegen. Das Leihgeschäft läuft zwischen einem und wenigen Tagen und dient dazu, kurzfristige Engpässe zu überbrücken. Danach geben die Banken das Geld zurück und erhalten im Tausch ihre Wertpapiere. Der Bargeldkreislauf wird nicht berührt, da dieses Geschäft nur ein Buchungsvorgang ist. Die Notenbanken drucken kein frisches Geld
Werden Kredite in Deutschland teurer?
- Auf laufende Immobilienfinanzierungen hat die Kreditkrise keine Auswirkungen, da es für Privatkunden -anders als zum Beispiel in den USA - Zinsbindungsfristen gibt. Anschluss- oder Neufinanzierungen dürften in den kommenden Monaten jedoch teurer werden. Derzeit kostet Baugeld für zehn Jahre rund fünf Prozent effektiven Jahreszins.
- Neu aufgenommene Ratenkredite werden sich verteuern. Aktuell gibt es einjährige 5.000-Euro-Kredite für effektive fünf Prozent Zinsen - aber nur für Schuldner allererster Güte. Die tatsächlich verlangten Zinsen liegen schon seit einigen Monaten deutlich über solchen "Schaufenster"-Prozenten. Die Bonitätspolitik der Banken dürfte sich nun noch weiter verschärfen.
Auch für Unternehmen werden Kredite nicht mehr so billig wie in den vergangenen Jahren sein: Zwischenfinanzierungen zum Beispiel von Waren, Maschinen oder Materialien werden teurer. Und darin liegt die Gefahr für Aufschwung und Konjunktur
Was wird aus Geldanlagen?
- Aktien und Aktienfonds sind bereits deutlich von ihren Jahreshöchstwerten im Juni/Juli entfernt. Ein Crash der Börsen ist bisher jedoch ausgeblieben ausgeblieben - und auch nicht sehr wahrscheinlich. Zum Wochenbeginn stiegen viele Großanleger schon wieder in Aktien ein. Auch die gebeutelten Finanzwerte waren wieder gefragt - weil sie vergleichsweise günstig zu haben sind.
- Bei Rentenfonds ist die Lage komplizierter. Einige Investmentgesellschaften in Deutschland haben bereits bestimmte Rentenfonds geschlossen. Anleger können ihre Anteile nicht verkaufen. Sie müssen auf bessere Zeiten warten. Problematisch sind nur diejenigen Rentenfonds, die neben Staatsanleihen zusätzlich sogenannte ABSPapiere gekauft haben. ABS (Asset-Backed Securities) sind Wertpapiere, in denen auch faule Hypothekenkredite stecken können. Mit den ABS-Produkten konnten die Fonds ihre Rendite steigern, weil diese mehr Zinsen versprachen. Seit der USKreditkrise will aber niemand mehr die schlechten Hypothekenkredite übernehmen. Damit geraten sämtliche ABS-Papiere (auch jene mit guten Krediten) in den Strudel. Weil diese Rentenfonds ihre ABS-Papiere derzeit nur verramschen könnten, bleiben sie lieber darauf sitzen und hoffen ebenfalls auf bessere Zeiten. So lange müssen auch die Anleger hoffen. Da diese Fonds glücklicherweise nicht nur ABS im Portfolio haben, ist ein Totalverlust unwahrscheinlich. Die gute Nachricht: Der größte Teil der Rentenfonds ist nicht betroffen. Sie haben in Pfandbriefe, Staats- und Unternehmensanleihen mit hoher Bonität investiert. Diese Fonds haben keine Probleme. Im Gegenteil: Die hohe Nachfrage nach risikoarmen Staatsanleihen in den turbulenten Zeiten hat deren Kurse beflügelt, die Wertentwicklung dieser Fonds steigt tendenziell.
Geldmarktfonds investieren in Anleihen mit kurzer Laufzeit und höchster Bonität. Einige wenige haben auch ABS-Papiere erworben, um die Rendite zu steigern. Sie werden aber nicht geschlossen, da Geldmarktfonds per Definition als Geld-Parkplatz tägliche Verfügbarkeit des investierten Kapitals garantieren. Die Wertentwicklung der Geldmarktfonds mit ABS wird unter Druck geraten. Gute Alternative für Anleger: das ganz normale Tagesgeldkonto
- In offene Immobilienfonds haben die deutschen Sparer etwa 100 Milliarden Euro angelegt. Von den rund zwei Dutzend hierzulande vertriebenen Immobilienfonds hat jeder dritte auch in Objekte in den USA investiert. Um ihr Geld müssen die Fondssparer aber nicht bangen. Denn sämtliche Immobilien, die von den Fonds gekauft wurden, sind bereits bezahlt - auch die Objekte in den USA. Die Wertentwicklung der Immobilienfonds dürfte vorerst nicht unter Druck geraten, da die bezahlten Immobilien regelmäßige Mieterträge bringen. In unsicheren Börsenzeiten stabilisieren sie das Depot. Wertberichtigungen gibt es nur dann, wenn der Fonds Gebäude verkaufen will, aber nicht den Preis am Markt erzielen kann, zu dem er sie in den Büchern stehen hat.
- Lebensversicherungen sind kaum betroffen. Zwar haben auch sie in Amerika investiert, auch am dortigen Immobilienmarkt. Doch ihr Engagement beträgt im Branchendurchschnitt lediglich 1,6 Prozent der gesamten Geldanlagen. Lebensversicherungen kaufen überwiegend Euro-Staatsanleihen und daneben Aktien und Immobilien. Gleichwohl: Bei finanzschwächeren Anbietern werden die Gutschriften für die Kunden im kommenden Jahr etwas niedriger ausfallen als noch für 2007
Konten und Sparbücher sind sicher. Sogar wenn eine deutsche Bank im Zuge der Finanzkrise pleiteginge, würden die Guthaben den Kunden ausgezahlt. Denn jede Bank führt einen bestimmten Betrag in den Einlagensicherungsfonds der deutschen Banken ab. Je mehr Privatkunden ein Institut hat, desto mehr muss es in den Fonds einzahlen. Aus dieser Kasse werden im Falle einer Bankpleite deren Kunden im vollen Umfang ihrer Ersparnisse entschädigt. Kaum irgendwo sonst in der Welt sind die Sparer so gut abgesichert wie in Deutschland.