Die gute Nachricht vorweg: Der Gender Pay Gap in Deutschland wird kleiner. Wie das Statistische Bundesamt gerade festgestellt hat, ist die Verdienstlücke zwischen Frauen und Männern 2020 auf 18 Prozent gesunken. Nach 19 Prozent im Vorjahr und 20 Prozent im Jahr davor.
Mit anderen Worten: Beim Thema gleiche Bezahlung der Geschlechter in Deutschland geht es voran, aber in Mini-Schritten. Trotz aller Aufmerksamkeit und Bemühungen erhalten Frauen im Schnitt immer noch fast ein Fünftel weniger Stundenlohn als Männer. Darauf verweist auch der Equal Pay Day, der dieses Jahr am 10. März "gefeiert" wird. Das ist der Tag im Jahr, bis zu dem Frauen rechnerisch umsonst arbeiten.
Zwar verweist das Statistische Bundesamt darauf, dass 71 Prozent der Lohnlücke "strukturbedingt" sei, also nicht auf plumper Diskriminierung beruht, sondern unter anderem darauf zurückzuführen sei, "dass Frauen in schlechter bezahlten Branchen und Berufen arbeiten und seltener Führungspositionen erreichen" sowie häufiger in Teilzeit und Mini-Jobs arbeiten. Doch die Frage bleibt: Wieso ist das so?
In anderen Ländern läuft es besser
Denn der Blick in europäische Nachbarländer zeigt, dass es auch anders geht. Nach Daten von Eurostat liegt Deutschland beim Gender Pay Gap im Vergleich von 34 europäischen Ländern auf Platz 32. Nur in Österreich und Estland werden Frauen gegenüber Männern noch schlechter bezahlt. Deutlich geringer ist die Lohnlücke dagegen nicht nur in liberalen skandinavischen Gesellschaften, sondern auch in ost- und südeuropäischen Ländern, in denen konservativere Familienbilder vorherrschen. Wie ist das zu erklären?
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat die Gender-Pay-Gap-Zahlen mit einer internationalen Umfrage zur Rollenverteilung der Geschlechter abgeglichen. So sind in Deutschland nur 13,5 Prozent der Meinung, der Mann sei fürs Geld verdienen zuständig und die Frau für Haushalt und Familie. In Polen stimmen dieser traditionellen Rollenverteilung dagegen 39 Prozent zu, in Rumänien sogar rund 48 Prozent. Trotzdem haben diese beiden konservativen Länder mit den geringsten Gender Pay Gap.

Die Erklärung der DIW-Forscher für diesen überraschenden Befund: In den konservativen Ländern arbeiten generell weniger Frauen, und dabei tendenziell eher die mit höherem Lohnpotenzial, sodass der Lohn-Schnitt nach oben gezogen wird. Der Rückstand Deutschlands gegenüber diesen Ländern ist also eher statistischer Natur.
Sinnvoller ist laut den Wirtschaftsforschern daher ein Vergleich mit Ländern, in denen ein ähnlicher Anteil an Frauen arbeitet wie in Deutschland. Doch auch hier sieht Deutschland nicht gut aus. Länder wie Island, Schweden, Finnland, Niederlande und die Schweiz haben allesamt sogar höhere Frauenerwerbsquoten als Deutschland und trotzdem eine geringere Lohnlücke zwischen den Geschlechtern. In Schweden etwa liegt sie bei 12 Prozent.
Familien- und Steuerpolitik als Schlüssel
Insbesondere das gute Abschneiden der nordischen Länder sei kein Zufall, schreiben die DIW-Autoren. Denn auch ohne einheitliche Frauenquoten oder Equal-Pay-Gesetze setze der Staat hier die richtigen Rahmenbedingungen. Entscheidend sei eine Familienpolitik, die konsequent darauf ausgerichtet ist, dass sich Mütter und Väter Erziehungs- und Erwerbsarbeit gleichmäßig aufteilen können.
Dazu gehörten der selbstverständliche Zugang zu Kinderbetreuung für Kinder unter drei Jahren sowie Elternzeitregelungen, die Anreize bieten, dass sich beide Partner die Zeit aufteilen. In diesen Punkten hat sich auch Deutschland in den letzten Jahren verbessert. Einen nicht unerheblichen Beitrag leistet aber auch die Steuerpolitik: Während in nordischen Ländern eine Individualbesteuerung für höhere Frauenerwerbsquoten sorgt, begünstigt das deutsche Modell des Ehegattensplittings nach wie vor die traditionelle Hausfrauenehe.
Auch eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln zeigt, dass das klassische Rollenmodell mit dem Mann als Hauptverdiener und der Frau als Haupterzieherin vor allem aus finanziellen Gründen nach wie vor in Deutschland beliebt ist. Lohnunterschiede und ein klassisches Rollenmodell verstärken sich demnach gegenseitig.
Je mehr sich die Frau um Haushalt und Kinder kümmert, desto geringer ist ihr Stundenlohn im Job, zeigt die IW-Studie. Und umgekehrt: Je weniger sie verdient, desto traditioneller ist die Aufgabenteilung. "Die Studie zeigt, dass finanzielle Abwägungen die Entscheidung für ein traditionelles Muster begünstigen können“, sagt Studienautor Oliver Stettes. "Gäbe es bessere Betreuungsangebote für Kinder, könnten Mütter, die sich eine Vollzeitstelle wünschen, mit einem größeren Arbeitsvolumen in den Beruf zurückkehren und die Lohnunterschiede könnten sinken."
Quellen: Destatis / DIW (Studie) / IW Köln (Studie)