Am liebsten verkleidet er sich als Sänger: So trifft man Gerd Billen mal als Schnulzenbarde Costa Cordalis oder als Rock'n'Roll-Legende Elvis - auf dem Bonner Karneval. "Die Elvis-Verkleidung war großartig, viele wollten ein Autogramm von mir", schwärmt der 53-Jährige. Billen findet Sänger mit großen Tollen klasse, trägt aber in natura kaum Haar. Und glamourös ist weder er noch sein Job.
Gerd Billen ist Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (VZBV) in Berlin, eines Netzwerks für Verbraucherpolitik mit mehr als acht Millionen Mitgliedern. Am bekanntesten sind die 16 Verbraucherzentralen der Länder. Der Verband finanziert sich aus Mitteln des Verbraucherministeriums und aus dem Verkauf von Ratgeber-Büchern. Was heißt: Geld ist Mangelware. Doch unermüdlich rackert sich die "Stimme der Verbraucher" - wie sich der VZBV selbst nennt - ab in zäher Lobbyarbeit zwischen den Mächtigen aus Politik und Wirtschaft. Im Kampf gegen unlautere Telefonwerber und gierige Stromkonzerne weiß Gerd Billen zwar Millionen Verbraucher hinter sich, seine politische Macht aber ist gering. Doch er sagt: "Ich habe meinen Traumjob gefunden."
Als Leisetreter wurde er zunächst verspottet, als er zum August 2007 die kampfstarke SPD-Frau Edda Müller an der Spitze des Verbandes ablöste. Billen spricht zwar leise und sanft, sagt aber Sachen wie: "In meinem Job ist politischer Nahkampf erforderlich, Bündnispartner müssen gewonnen, Gegner in Schach gehalten werden." Kämpfen kann er. Das beweist der Grüne der ersten Stunde seit mehr als 25 Jahren. Er gründete in den Achtzigern eine Verbraucherinitiative für Geschädigte von Holzschutzmitteln, war für seine Partei Stadtrat in Bonn. Zwölf Jahre lang führte er als Geschäftsführer den Naturschutzbund Nabu von einer drögen Vogelschutzorganisation hin zu einer schlagkräftigen Umweltorganisation. Gerd Billen ist ein Grüner durch und durch. Am stärksten liegt ihm das Thema Klimaschutz am Herzen. Muss er fliegen, zahlt er als Kompensation für den anfallenden CO2-Ausstoß reuig bei Atmosfair ein ("kostet mich etwa 250 Euro im Jahr"), einer Organisation, die mit dem Geld Klimaschutzprojekte unterstützt.
"Meine Familie ist das Wichtigste"
Ein weiteres wichtiges Thema für ihn ist die Globalisierung. 2005 war der studierte Haushalts- und Ernährungswissenschaftler für zwei Jahre als Leiter der Umweltund Gesellschaftspolitik zum Versandhändler Otto gewechselt. "Das war eine ganz neue Herausforderung. Ich war dafür verantwortlich, dass Lieferanten die Sozialstandards einhalten", sagt Billen. Er weiß, dass sich nicht jeder Ökokleidung leisten kann, ist aber überzeugt, "dass auch Leute mit geringem Einkommen kein Interesse daran haben, von Kindern gefertigte Sachen zu tragen". Billens Credo: Der Verbraucher ist gefordert, sich zu informieren. Dann kam das Angebot vom Bundesverband. "Ich kann hier mehr bewegen", sagt er. Frustrierend sei nur, dass man so "geringe Ressourcen zur Verfügung" habe.
Billen, ein "Teilzeitgroßstädter", wie er sagt, fühlt sich auf dem Berliner Parkett durchaus wohl. Aber sein Zuhause ist es nicht. Er pendelt zwischen der Hauptstadt und Bonn - möglichst mit dem Zug, versteht sich. In Bonn wohnen Frau und die drei Töchter (10, 14 und 18 Jahre alt). "Meine Familie ist das Wichtigste." Von ihr bekommt er Anregungen für seine Arbeit. Seine jüngste Tochter etwa schlug die Erstellung eines Ausweises vor mit allen Unternehmen, die auf soziale Standards achten. Die Idee findet er gut, doch: "Das habe ich noch nicht geschafft. Ich bin in der Bringschuld."
Entspannung vom Job findet Gerd Billen zu Hause in seinem Lieblingsraum: dem Waschkeller. "Mein Ort der Stille. Ich lege in Ruhe die Wäsche zusammen, und keiner stellt mir das falsche Programm ein", sagt er. Auch draußen in der Natur ist er gern allein unterwegs: bei Radtouren durchs Siebengebirge oder beim Joggen.
Er ist schon ein ruhiger und beherrschter Mensch, der Gerd Billen. Nur eben einmal im Jahr, da lässt er die Puppen so richtig tanzen: beim Karneval.