Die Kosten einer Uni-Ausbildung und die damit verbundene Verschuldung bilden eines der großen Probleme der amerikanischen Gesellschaft. Das "Consumer Financial Protection Bureau" – eine Art Verbraucherschutzbehörde für Finanzfragen - warnt nun in einer neuen Studie vor einer bisher kaum beachteten Gefahr: Rentner, die von Studienkosten erdrückt werden.
Vervierfachung in zehn Jahren
In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der über 60-Jährigen mit Studien-Schulden mehr als vervierfacht. Vier von zehn Schuldnern sind zahlungsunfähig. Studentenkrediten entkommt man in den USA jedoch nicht durch eine Privatinsolvenz, sie müssen in jedem Fall abgetragen werden. Vielen bleibt nichts anderes übrig, als Gesundheitsausgaben und Zahlungen für die Krankenversicherung zu streichen, um den vorrangigen Kredit abzustottern.
Haftung für Kinder und Enkel
Das erstaunt zunächst, weil diese Altersgruppe ihr eigenes Studium noch vor der Kostenexplosion der letzten Jahre abgeschlossen hat. Tatsächlich trägt auch nur ein Teil der Senioren die Schulden der eigenen Ausbildung ab. "Viele dieser älteren Mitbürger helfen, die Ausbildung von Kindern und Enkeln zu finanzieren, obwohl sie selbst nur begrenzte Mittel haben", sagte der Leiter des Bureaus, Richard Cordray. "Wir sind sehr besorgt, wie sehr Studentenkredite zu ihrer finanziellen Unsicherheit beitragem." Drei Viertel der Schuldner haften für Kredite jüngerer Verwandter.

Besondere Form des Kredits
Diese Kredit-Bürgschaften sind wegen der Kredithöhe und der langen Laufzeiten außerordentlich tückisch. Kann der eigentliche Schuldner wegen Arbeitslosigkeit oder Krankheit die Forderungen nicht bedienen, müssen die Eltern auch nach Jahrzehnten noch einspringen. Anders als bei den Krediten des Bundes erfordern Studentenkredite der Privatwirtschaft zwingend einen oder mehrere Bürgen. Im Jahr 2015 lasteten Studentenkredite in Höhe von 66,7 Milliarden Dollar auf den über 60-Jährigen.
Besonders umstritten: Selbst der Tod löscht diese Schulden nicht. Stirbt das Kind, müssen die bürgenden Eltern den kompletten Kredit abtragen. Gerade Älteren fällt das schwer, meint die Verbraucherschutz-Behörde, weil sie häufig die Zeiten ihres höchsten Einkommens schon hinter sich haben.
Kommt es zu einem Zahlungsverzug, ist die Situation bei weitem nicht so entspannt, wie man es in Deutschland bei Bafög-Schulden gewohnt ist. Dann drohen in den USA Zinszuschläge und der Besuch von Schuldeneintreibern, die Stress und weitere Kosten produzieren, die der Schuldner tragen muss. Vor allem Ältere sind von der undurchschaubaren Bürokratie überfordert.
Mittelschicht unter Druck
Die Zahlen des Consumer Financial Protection Bureau zeigen, wie sehr die Mittelschicht in den USA finanziell unter Druck geraten ist. Langfristige Studentenkredite bedeuten zunächst einmal, dass die Ausbildungskosten nicht aus dem Ersparten oder dem laufenden Einkommen bestritten werden. Zu diesen Krediten gesellen sich bei den meisten der älteren Schuldner noch Kreditkarten- und Autoschulden. Häufig sind auch die Hypotheken noch nicht abgetragen.
Spitze des Eisbergs
Hinter jedem Senior, der diese Krediten zahlen muss, steht der geplatzte Lebenstraum eines jungen Amerikaners. Denn nur, wenn der Hauptschuldner seine Verpflichtung nicht mehr erfüllen kann, wird der Bürge in Haftung genommen. Die Verbraucherschützer bekommen nämlich nur die Fälle zu sehen, bei denen die Zahlungen notleidend geworden sind. Das ist bei etwa drei Millionen Älteren der Fall. Hinzu kommt die große Dunkelziffer all derer, die freiwillig einspringen, wenn der Nachwuchs die Studienschulden nicht bedienen kann. Informelle, monatliche Hilfsüberweisungen erfasst das Schulden-Büro nämlich nicht.
Zahlen werden weiter steigen
Der Höhepunkt dieser Entwicklung ist noch nicht abzusehen. Wegen der explodierenden Studienkosten dürfte die Zahl der alten Schuldner auch in den nächsten Jahren weiter stark steigen. Insgesamt betragen die Studienkredite in den USA inzwischen 1,3 Billionen oder 1.300 Milliarden Dollar. Das entspricht in etwa den gesamten Schulden des Bundes in Deutschland.
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