Ärztestreiks "Es wird einen Streikrekord geben"

Den Unikliniken droht der größte Ärztestreik in der Geschichte der Bundesrepublik: Wegen des Tarifstreits mit den Ländern wollen ab Montag Mediziner in 25 Unikliniken und 14 psychiatrischen Landeskrankenhäusern in den Ausstand treten.

Nach Informationen des Marburger Bunds soll der Streik die ganze Woche andauern, so dass sich die Patienten in den meisten Häusern auf eine Notversorgung einstellen müssen. Gleichzeitig wächst der Druck auf die Tarifparteien, zu einer schnellen Einigung zu kommen. Die Fronten sind nach dem gescheiterten Spitzengespräch am Donnerstag in Dresden verhärteter denn je: Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB) und die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) haben keine neuen Verhandlungen vereinbart.

Marburger Bund ist prinzipiell verhandlungsbereit

Der MB sei zu Gesprächen bereit, aber nur wenn die Länder ein neues, ernstzunehmendes Angebot unterbreiteten, sagte Sprecher Athanasios Drougias am Sonntag. Die TdL verweist dagegen auf ihr bestehendes Angebot, dass längere Arbeitszeiten und differenzierte Lohnsteigerungen vorsieht. Die Ärzte lehnen dies strikt ab. Die TdL setzt nach eigener Aussage auf die "Einsichtsfähigkeit" der betroffenen 22.000 Mediziner. "Ich glaube, dass sich die meisten Ärzte unser Angebot anschauen", sagte TdL-Geschäftsführer Ulrich Rieger. Er gehe davon aus, dass die ärztlichen und kaufmännischen Direktoren der Kliniken intensiv mit den Ärzten sprechen würden. "Im Moment steht ein neues Angebot nicht zur Debatte."

Der Marburger Bund rechnet damit, dass sich im Laufe der Woche deutlich mehr als 10.000 Mediziner an dem Ausstand beteiligen werden. "Es wird einen Streikrekord geben", sagte Drougias. Nicht betroffen von dem Streik sind demnach nur Berlin und Hessen, die nicht in der TdL sind, sowie Hamburg und das Saarland, wo die Klinikärzte nicht bei den Ländern angestellt sind. In Bremen und Brandenburg gibt es keine Unikliniken. Wegen der festgefahrenen Verhandlungen will Baden-Württemberg eigene Verhandlungen mit dem Marburger Bund aufnehmen.

Unikliniken wollen vermitteln

Anfang der kommenden Woche werde es Gespräche mit Vertretern der Landesregierung und dem MB-Landesverband geben, sagte Finanzminister Gerhard Stratthaus (CDU). "Ziel des Meinungsaustausches ist es, eine Lösung zu finden, um den Streik im Interesse der Patienten auszusetzen." Ein Ausstieg aus der TdL komme für Baden-Württemberg aber nicht in Frage.

Die Unikliniken erneuerten ihr Vermittlungsangebot. Sie seien "bereit, ihren Sachverstand anzubieten und zur Lösung des Konflikts beizutragen", sagte der stellvertretende Chef des Klinikverbandes VUD, Jörg Rüdiger Siewert. Dafür wollten sich alle Verbandsmitglieder in der kommenden Woche in Berlin treffen. Werde der Streik wie geplant ausgeweitet, würden "medizinische Ausbildung, Forschung und Patientenversorgung in Deutschland existenziell geschädigt".

Schmidt fordert Einigung

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) forderte unterdessen eine schnelle Lösung: "Im Interesse der Patienten appelliere ich an die Tarifpartner, möglichst rasch an den Verhandlungstisch zurückzukehren", sagte sie dem Blatt. Kritik kam vom Sozialverband VdK und der Deutschen Krankenhaus-Gesellschaft. Beide Organisationen warnten davor, die Versorgung der Patienten zu gefährden. (Interviewquellen: Stratthaus und Schmidt in "Berliner Zeitung", Siewert im "Tagesspiegel"

AP
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