Erneut beschäftigt ein angeblicher Minidiebstahl die deutsche Justiz. Vor dem Arbeitsgericht in Dortmund geht es seit heute Vormittag um zwei Bäcker aus dem westfälischen Bergkamen, die ihre Frühstücksbrötchen unerlaubt mit einem Kräuter-Öl-Aufstrich aus dem Eigentum der Backstube bestrichen haben sollen. Die Bergkamener Bäckerei-Kette hatte den beiden daraufhin im Spätsommer vergangenen Jahres fristlos gekündigt. Nachdem eine gütliche Einigung scheiterte, reichten die entlassenen Mitarbeiter Klage ein.
Zumindest in einem Fall konnten sich die Arbeitgeber mit ihrer Sicht der Dinge nicht durchsetzen. Einer der beiden Bäcker hat inzwischen vor dem Arbeitsgericht Recht bekommen, der 26-Jährige muss weiterbeschäftigt werden.
Das Gericht entschied aus formalen Gründen. So hätte bei einer Kündigung eines Betriebsratsmitglieds der Betriebsrat gehört werden und zustimmen müssen. Die Einladung zu dieser Anhörung sei formal nicht richtig gewesen. Deshalb sei die Kündigung unwirksam. Über den Fall des Kollegen, der ebenfalls gegen seine Kündigung geklagt hatte, verhandelt das Gericht derzeit noch.
Harte Haltung im Vorfeld
Vor dem Prozess hatte Hubertus Pellengahr vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels noch betont, dass Arbeitgeber gegenüber diebischen Mitarbeitern auch in geringfügigen Fällen keine Nachsicht walten lassen sollten. Pellengahr sagte den "Ruhr-Nachrichten", in solchen Fällen kämpften nicht Arbeitgeber gegen Arbeitnehmer, sondern "die Ehrlichen gegen wenige Unehrliche". "Du darfst nicht stehlen. Das gilt", betonte er und fragte: "Wo soll man denn sonst die Grenze ziehen?"
Sein Kollege Thomas Schäfer vom Einzelhandelverband Westfalen-Münsterland bekräftigte ebenfalls: "Ein Diebstahl reicht für eine fristlose Kündigung. Und das ist auch gut so."
Der Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten in der Region Dortmund, Manfred Sträter, verteidigt hingegen die Bäcker: "Hier kann man überhaupt nicht von Diebstahl reden." Die Männer hätten den Brotbelag im Wert von etwa 50 Cent mit selbst gekauften Brötchen während der Produktion lediglich abgeschmeckt, als der Geschäftsleiter in der Backstube erschien. Die Gewerkschaft vertritt vor Gericht einen der gekündigten Mitarbeiter, der gleichzeitig Betriebsratsmitglied war. Darin sieht Sträter den eigentlichen Grund der Entlassung. Er wirft der Firma vor, "die Betriebsräte entsorgen" zu wollen.
Die Bäckerei räumte in einer Mitteilung ein, dass es sich bei der Entlassung wegen eines Brotbelags um eine "unpopuläre Entscheidung" handele, die aber im Sinne einer "Gleichbehandlung aller 300 Mitarbeiter" notwendig gewesen sei. Die Firma betont, dass die Entscheidung gemeinsam mit dem Betriebsrat getroffen worden sei.
"Schwarzer Tag für Arbeitnehmer"
Vor knapp zwei Wochen hatte das Berliner Landesarbeitsgericht die fristlose Kündigung einer Frau für rechtens erklärt, die zwei Pfandbons im Gesamtwert von 1,30 Euro unterschlagen haben soll. Die Kassiererin, von ihren Unterstützern "Emmely" gerufen, war seit 1977 in einer großen Supermarkt-Kette beschäftigt. Anfang 2008 hatte sie nach Auffassung des Gerichts zwei Leergutbons im Wert von 48 und 82 Cent aus dem Kassenbüro genommen und für sich selbst eingelöst. Es folgte die fristlose Kündigung. Barbara E. zog vor das Arbeitsgericht und verlor zunächst in erster, am Dienstag in zweiter Instanz.
Der Fall machte Schlagzeilen, der Deutsche Gewerkschaftsbund nannte das Urteil einen "schwarzen Tag für Arbeitnehmer" und eine "Abstrafung für eine Gewerkschafterin".