Als ich 1973 im "Club Germania" im sonnigen Rio de Janeiro gemeinsam mit einer Horde Jungs meinen 10. Geburtstag feierte, lag auch ein Päckchen aus dem fernen Hannover auf dem Gabentisch. Meine Großeltern hatten ihrem "großen Enkelsohn" ein Buch geschickt: "Eine Woche voller Samstage".
Die schräge Geschichte, verfasst vom Autor Paul Maar, fesselte mich. So wunderbar waren die Charaktere skizziert, der melancholische Herr Taschenbier, der in einer Schirmfabrik arbeitet, sein Freund Herr Mon, die nervige Vermieterin Frau Rotkohl. Und natürlich dieses Sams: ein liebenswerter Anarchist, ein Kumpel, wie Kinder ihn sich in ihren Träumen als Wegbegleiter wünschen - unerschrocken und immer mit kreativen Ideen für alle Tücken des Lebens gesegnet.
Nicht nur mich begeisterte die phantasievolle Geschichte, sie wurde ein Bestseller und Autor Maar ein Star. Dabei verlief seine Kindheit inmitten der Kriegsjahre alles andere als freudvoll. Als der kleine Paul drei Monate alt war, starb seine Mutter. Der Vater wurde als Soldat eingezogen, der Junge wuchs bei seinen Großeltern auf. Der Großvater, ein Gastronom, war ein begnadeter Geschichtenerzähler und unterhielt damit seine Gäste. Der Enkel hörte zu und lernte schnell, sein Opa ermutigte ihn schließlich, eigene Geschichten aufzuschreiben.
Das tat er und verarbeitete oft persönliche Erlebnisse. Viele Figuren in den Büchern Maars sind nicht die starken unbesiegbaren Helden, sondern eher die anderen, die zum Beispiel von Mitschülern gepeinigt werden. In einer der Sams-Geschichten ergeht es dem Titelhelden Martin ("Ein Sams für Martin Taschenbier") ähnlich wie dem Autor in jungen Jahren.
Paul Maar war früh klar, dass er beruflich künstlerisch tätig sein wollte, auch wenn sein Vater kein Freund davon war. Lesen hielt er gar für Zeitverschwendung, sein Sohn lieh sich daraufhin Bücher von Autoren wie Faulkner, Hemingway oder Wilder aus und deponierte sie bei einem Freund. Diese selbst erlebte Episode seiner nicht einfachen Jugend verarbeitete er später in dem Buch "Lippels Traum", dort widmet sich der Protagonist Philipp heimlich ebenfalls seinen geliebten Büchern. Die zeitlos schöne Geschichte hat mich auch als Erwachsener 35 Jahre nach ihrem Erscheinen in ihren Bann gezogen, als ich sie kürzlich wieder einmal las.
Eine Familie voller Sams-Fans
Meine eigenen Kinder waren und sind alle Fans vom Sams. Nicht nur die Bücher, die 2005 erschienenen Hörspiele gehören ebenfalls zu den absoluten Klassikern. Auch auf der Bühne haben wir Herrn Taschenbier und dem frechen Sams schon zugejubelt. Im Jungen Theater Bonn hatte nicht nur ich das Gefühl, dass die Mitglieder des Schauspielensembles bei der Darstellung der skurrilen Szenen mindestens so viel Freude hatten, wie die vor Vergnügen quietschenden Kinder im Publikum.

Natürlich haben wir auch die drei Kinofilme gesehen, mit dem grandiosen Ulrich Noethen als Taschenbier und Christine Urspruch als Sams zum Verlieben. Der Sams-Erfinder hatte sich übrigens lange Zeit gegen eine Verfilmung gewehrt. Erst Ulrich Limmer, der 25. Produzent der bei ihm vorsprach, wurde erhört. Maar erzählte einmal in einem Interview, dass er der erste gewesen wäre, von dem er sich verstanden gefühlt hätte.
Der listige Autor hatte den Produzenten zuvor gefragt, wer für ihn die Hauptfigur der Geschichte wäre. "Herr Taschenbier", antworte dieser und traf damit genau die Denke des Autors. Denn Maar geht es in erster Linie nicht um die witzigen Einfälle des Sams, er hat vielmehr die bemerkenswerte Entwicklungsgeschichte eines Menschen gesponnen: Die Verwandlung des schüchternen Herrn Taschenbiers hin zu einem Mann, der sein Glück bei den Hörnern packt. Mit dem Sams an der Seite wird er ein anderer, verliebt sich, gewinnt an Selbstbewusstsein.
Sieben Bände hat Paul Maar in der Sams-Buchreihe verfasst und Millionen kleine und große Leser haben sie verschlungen. Vor ein paar Jahren sammelte der Hamburger Verlag Friedrich Oetinger, in dem Maars Werke erscheinen, tausende Wünsche, um mit ihnen das größte Wunschbuch der Welt zu füllen. Auch im Netz kann man sie sich ansehen. Als ich die Seiten durchklickte, blieb ich immer wieder hängen und spürte, dass der geistige Vater des Sams-Fabelwesens die Menschen nachhaltig inspiriert.
Nicole, 44, aus Walldürn schrieb: "Ich wünsche mir für meine Kinder eine wunderbare, glückliche Kindheit und dass sie auch als Erwachsene glücklich bleiben. Verlernt nie das Lachen". Die siebenjährige Sophie aus Alzenau schrieb dem Sams gemeinsam mit ihrer kleinen Schwester Nathalie: "Wir wünschen mit 'nem blauen Punkt, kein Auto und keinen roten Hund. Wir wünschen weder Macht noch Geld aber Frieden für die ganze Welt." Ich bin sicher, das macht den Mann, der so viele Menschen mit seinen Geschichten beglückte, auch selbst glücklich.