Deutschland steht kurz vor einer wirtschaftlichen Rezession, doch der Arbeitsmarkt zeigt sich davon bislang ziemlich unbeeindruckt. Nach wie vor gibt es viele offene Stellen. Und statt auf Entlassungen zu setzen, stellt die Mehrheit der Unternehmen weiter neue Mitarbeiter ein, zeigt das Beschäftigungsbarometer des Münchner ifo-Instituts für August.
Arbeitskräfte bleiben dementsprechend gefragt und können selbstbewusst auftreten, wie eine aktuelle Bewerberstudie der Recruitingsoftwarefirma Softgarden zeigt. Demnach sind es eher die Arbeitgeber, die eine Kündigung ihrer Mitarbeiter befürchten müssen als umgekehrt.
Die HR-Spezialisten haben rund 2200 Menschen befragt, die sich im Mai und Juni bei einem neuen Arbeitgeber beworben haben. Nur sieben Prozent davon taten dies, weil ihnen gekündigt wurde. Die überwiegende Mehrzahl bewarb sich hingegen aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus. Und zwölf Prozent waren sogar so mutig, dass sie von sich aus gekündigt hatten, ohne schon einen neuen Job zu haben. Fazit der Auswertung: Die meisten Bewerber suchten nicht aus der puren Not heraus nach einem neuen Job, sondern weil sie das Gefühl hätten, sich verbessern zu können.
Mehr für sich rausholen
Das zeigt sich auch in der Frage nach den genauen Gründen für Kündigung oder Wechselwunsch. Bei denjenigen, die sich aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus bewarben, waren Geld und Karriereaufstieg die wichtigsten Argumente. 63 Prozent gaben an, wechseln zu wollen, um mehr zu verdienen. 53 Prozent wollten ihrer stockenden Karriere neuen Schwung verleihen. Der dritthäufigste Grund war Unzufriedenheit mit der Führungskraft (38 Prozent).
Aber auch vermeintlich weiche Faktoren wie Sinnhaftigkeit spielen eine Rolle: So erklärte mehr als jeder Dritte Wechselwillige, er könne sich nicht mehr mit dem Unternehmenszweck identifizieren und jeder Fünfte findet seine Arbeit gar sinnlos. Eine weiterer Aspekt ist das Thema Arbeitsbedingungen und Work-Life-Balance: Jeder Vierte begründete seine Wechselabsichten mit dem Wunsch nach mehr Urlaubstagen und jeder Fünfte zeigte sich unzufrieden mit der Home-Office-Regelung.
Gründe für Wechselwunsch (aus bestehendem Arbeitsverhältnis)*
Möchte mehr verdienen | 62,6 Prozent |
Karriere ist ins Stocken geraten | 52,7 Prozent |
Mit Führungskraft unzufrieden | 38,4 Prozent |
Kann mich mit Unternehmenszweck nicht mehr identifizieren | 35,8 Prozent |
Möchte mehr Urlaubstage | 26,3 Prozent |
Mit Home-Office-Regelung unzufrieden | 20,7 Prozent |
Finde meine Arbeit sinnlos | 20,4 Prozent |
War eigentlich zufrieden, aber habe besseres Angebot bekommen | 17,8 Prozent |
Mit dem Corona-Management unzufrieden | 15,4 Prozent |
* Summierte Antworten "trifft voll zu" und "trifft eher zu"; Quelle: Softgarden
Sprunghafte Arbeitnehmer
Bei den Befragten, die bereits gekündigt haben, ohne schon einen neuen Job sicher zu haben, sieht das Bild etwas anders aus. Der Hauptgrund für die Kündigung ist in dieser Gruppe Unzufriedenheit mit der Führungskraft – jeder Zweite kam mit dem Chef nicht klar. Erst dahinter folgt der Wunsch nach mehr Gehalt und einem Karrieresprung. Immerhin jeder Fünfte aus dieser Gruppe gibt zudem an, mit dem Corona-Management des Arbeitgebers unzufrieden gewesen zu sein.
Unterm Strich gibt knapp jeder zweite Befragte an, dass der Arbeitgeber die Kündigung hätte verhindern können, etwa durch mehr Wertschätzung oder eine bessere Bezahlung. Die Umfrage zeigt aber auch: Wenn Mitarbeiter unzufrieden werden, hat der Arbeitgeber oft nicht mehr viel Zeit, um das Personal zum Bleiben zu bewegen. 70 Prozent der Befragten haben höchstens ein paar Monate von den ersten Zweifeln am Job bis zur Kündigung oder Bewerbung bei der Konkurrenz gebraucht. Nur drei von zehn befragten Bewerbern haben sich ein Jahr oder länger mit dem Gedanken an einen Jobwechsel getragen, bevor sie aktiv wurden.