Was darf ein Gewerkschaftsboss und was darf er nicht? In die Südsee fliegen? Auf Kosten des Unternehmens, in dessen Aufsichtsrat er sitzt? Und noch dazu erster Klasse? Verdi-Chef Frank Bsirske hat einen Fehler gemacht. Sein Fauxpas war aber nicht die von der Lufthansa bezahlte Flugreise, sondern seine politische Instinktlosigkeit.
"Südsee-Bsirske", wie ihn die "Bild" getauft hat, hätte wissen müssen, dass der Zeitpunkt ungünstiger nicht hätte sein können. Mitten in den Tarifverhandlungen darf man dem Gegner keine offene Flanke zeigen. Und gerade das hat Bsirske getan.
Der deutschen Neid
Aber der Reihe nach: Geht es nach Meinung eines Teils der deutschen Öffentlichkeit, darf ein Gewerkschaftsboss grundsätzlich nur Holzklasse fliegen und muss am besten den Gehaltsanteil, der über dem eines normales Facharbeiters liegt, der Caritas spenden. In Deutschland herrscht Neidkultur par exellence.
Dabei sieht man nur das, was man sehen will. Dass Frank Bsirske bereits jetzt fast seine komplette Vergütung aus seiner Tätigkeit als stellvertretender Vorsitzender des Lufthansa-Kontrollgremiums an Gewerkschaftseinrichtungen abgibt, findet kaum Erwähnung. Von den 210.000 Euro, die er im vergangenen Jahr von der Lufthansa erhalten hat, bleiben ihm lediglich zwölf Prozent. Rund zwanzigmal hätte er ansonsten mit dem Geld in die Südsee fliegen können. Bsirske hat aber auf das Geld verzichtet.
Alle Mitglieder des Aufsichtsrates bekommen auch ein vertraglich vereinbartes Kontingent an Freiflügen. Zwischen Vertretern des Kapitals und der Gewerkschaften wird dabei kein Unterschied gemacht, heißt es aus dem Unternehmen. Auch Frank Bsirske hatte diese Möglichkeit und hat sie genutzt. Solche geldwerten Leistungen können eben schlecht abgetreten werden - sie sind an bestimmte Personen gebunden.
"Urlaub ohne Anstand"
Trotzdem echauffiert sich die "Bild" über den "Urlaub ohne Anstand" und ist sich der hellen Aufregung unter den Bürgern gewiss. "Der Fisch stinkt vom Kopf her", "Es geht denen doch nur um die eigenen Pfründe", wettert das Volk. Bsirske hätte wissen müssen, dass genau so etwas passieren wird, wenn er mitten in den Tarifverhandlungen auf Kosten der Lufthansa in die Südsee fliegt. Dabei ist unerheblich, ob er im Recht ist oder nicht.
Seine Einsicht, den Flug nachträglich aus eigener Tasche zu zahlen, ist richtig, kann aber den groben Schnitzer nicht wieder gut machen. Bsirske hat den großen Gewerkschaften einen Bärendienst erwiesen. In Zeiten sinkender Mitgliederzahlen und einer zunehmenden Zersplitterung der Gewerkschaftslandschaft bleibt ein solcher Vorfall dem Bürger länger im Gedächtnis als ein hoher Tarifabschluss bei der Lufthansa. Und übrigens: Den hat Verdi mit seinem Streik erreicht.