Wer als Erwachsener Bürgergeld bezieht, gilt in der Regel als arbeitsfähig. Doch viele Bürgergeldempfänger fühlen sich selbst zu krank zum Arbeiten oder suchen aus anderen Gründen nicht aktiv nach einem Job. Das zeigt eine repräsentative Befragung im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung. Erschwerend kommt demnach hinzu, dass ein großer Teil dieser Menschen auch vergeblich auf Angebote vom Jobcenter wartet.
Für die Studie befragte das Institut für Angewandte Wirtschaftswissenschaften (IAW) aus Tübingen rund 1000 Bürgergeldempfänger zwischen 25 und 50 Jahren, die aktuell arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldet sind. Mehr als die Hälfte der Befragten (57 Prozent) gab dabei an, in den zurückliegenden vier Wochen keinerlei Zeit mit der Suche nach einem Job verbracht zu haben. 26 Prozent der Bürgergeldberechtigten investierten ein bis neun Stunden pro Woche in die Arbeitssuche, 17 Prozent beschäftigten sich zehn Stunden oder mehr damit.
Das größte Hemmnis, um die Jobsuche überhaupt anzugehen, sind offenbar gesundheitliche Probleme. Drei von vier Befragten, die gar nicht nach Jobs suchen, begründeten das unter anderem mit gesundheitlichen Einschränkungen. Jeder Zweite nannte als Grund für die Nichtsuche einen Mangel an passenden Stellen. Und jeder Vierte sucht gar nicht erst nach einem Job, weil er sich davon keine finanzielle Verbesserung verspricht.
Weitere Gründe für die Nichtsuche sind Verpflichtungen bei Kinderbetreuung oder Pflege und die "Angst vor dem Scheitern" der Bewerbung. Zudem bekennt jeder zehnte Nichtsuchende, dass er lieber nebenher schwarzarbeite. Der Anteil der Nichtsuchenden ist unter Frauen (63 Prozent) etwas höher als unter Männern (53 Prozent), wobei Alleinerziehende nicht Teil der Umfrage waren.
Die Ergebnisse der Befragung sind politisch brisant. Denn eigentlich ist das Bürgergeld für erwerbsfähige Personen (und weitere Haushaltsmitglieder) vorgesehen, die "trotz intensiver Bemühungen keinen Arbeitsplatz finden" oder deren Einkommen nicht für den Lebensunterhalt ausreicht, wie das Bundesarbeitsministerium ausführt. Wer weniger als drei Stunden am Tag arbeiten kann, erhält stattdessen Sozialhilfe.
Zu wenig Hilfe für Bürgergeldempfänger
Allerdings erhalten viele Bürgergeldbezieher bei der Jobsuche offenbar auch nur wenig Unterstützung vom Jobcenter. Rund 43 Prozent der Befragten haben nach eigener Aussage noch nie ein Stellenangebot vom Amt erhalten. Dabei bezogen alle Befragten schon mindestens ein Jahr lang Bürgergeld oder den Vorläufer ALG II. Zudem sagen 38 Prozent, sie seien bisher auch bei Weiterbildungsmaßnahmen leer ausgegangen.
Die beste Chance auf Vermittlungsangebote vom Jobcenter haben laut der Analyse Menschen mit Berufsabschluss, gefolgt von solchen mit Hochschulabschluss. Die schlechtesten Karten haben chronisch Kranke und Frauen mit Kindern unter sechs Jahren. Maßnahmen zur Weiterbildung bieten die Jobcenter vor allem Menschen mit Hauptschulabschluss an. "Frauen sind gegenüber Männern sowohl bei Stellenangeboten benachteiligt als auch bei der Vergabe von Maßnahmen", heißt es in der Studie.
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Die Studienautoren fordern unter anderem, Frauen und Männer im Hinblick auf Fördern und Fordern gleichzustellen und Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen stärker an eine Erwerbstätigkeit heranzuführen. "Fördern und Fordern gehören zusammen. Wer arbeiten kann und Angebote ohne triftigen Grund ablehnt, sollte konsequent sanktioniert werden", kommentiert Tobias Ortmann, Arbeitsmarktexperte der Bertelsmann-Stiftung, die Studienergebnisse. "Dagegen brauchen diejenigen, die arbeiten wollen, aber nicht können, mehr Unterstützung."