Meinung Bitte abhaken: Es gibt wichtigere Probleme als das Bürgergeld

Friedrich Merz im Halbschatten
Friedrich Merz war das Thema Bürgergeld leid, nun gibt es dazu eine Entscheidung
© Emmanuele Contini / Picture Alliance
Nach viel Streit hat das Kabinett jetzt die Reform des Bürgergelds beschlossen. Sehr gut, dann können sich jetzt ja alle um die wirklichen Probleme kümmern.

Von einem "leidigen Thema" hatte der Bundeskanzler mit Blick auf das Bürgergeld mehrfach gesprochen. Und Friedrich Merz hat einen Punkt: Die Debatten um die Leistung für Arbeitslose haben die Politik und das Land in den vergangenen Monaten überproportional beschäftigt. Bis zuletzt war das der Fall, weil ein eigentlich fertiger Gesetzentwurf aus dem Haus von SPD-Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas im letzten Moment vom CDU-geführten Wirtschafts- und dem CSU-geführten Innenministerium ausgebremst worden war.

Über das Wochenende wurde ein Wort im Gesetzentwurf geändert – ja, so kleinteilig ist die Kompromissfindung in der Politik manchmal –, damit war der Weg frei: Das Kabinett hat die Reform beschlossen, aus dem "Bürgergeld" soll die "Grundsicherung" werden. Die Union löst damit eines ihrer wichtigsten Wahlversprechen ein. 

Die Kernbotschaft: Diejenigen im Bürgergeldbezug, die nicht ausreichend daran mitwirken, dass sich an ihrer Situation etwas ändert, sollen künftig härter bestraft werden. Tauchen sie mehrfach nicht zu Terminen im Jobcenter auf, wird die Geldleistung erst um 30 Prozent gekürzt, dann komplett gestrichen, schließlich wird auch die Miete nicht mehr übernommen. Bevor auch die Miete gekappt wird, bekommt die Person noch die "Gelegenheit" zu einer Anhörung. Mit dieser Formulierung ist nun auch die Union zufrieden, die zuvor gefürchtet hatte, dass eine solche Anhörung am Ende verhindern könnte, dass die Sanktion wirklich verhängt wird.

Bürgergeld vorbei: Das Symbol ist nicht zu unterschätzen

Die schärferen Sanktionen sind vor allem ein Symbol, denn so gut wie alle Bürgergeld-Bezieher halten sich an die Regeln. Experten betonen immer wieder, dass weniger als ein Prozent der rund 3,9 Millionen arbeitsfähigen Bürgergeldbezieher sogenannte "Totalverweigerer" sind. Doch als ein solches Symbol ist die Neuerung trotzdem nicht zu unterschätzen: In der vergangenen Zeit hatte sich eine Debatte entsponnen, die das Bürgergeld vor allem als soziale Hängematte darstellte – woran die Union durch ihren Wahlkampf maßgeblich Anteil gehabt hatte, und das, obwohl sie die Einführung des Bürgergelds im Bundesrat ausdrücklich mitgetragen hatte.

Was das Gerechtigkeitsempfinden in der Bevölkerung angeht, war eine solche Reform unumgänglich. Eine Mehrheit befürwortet schärfere Sanktionen für diejenigen, die ihren Pflichten nicht nachkommen. Der gefundene Kompromiss ist somit einer, den auch die Linken in der SPD mittragen können sollten, deren Basis ein Mitgliederbegehren gegen die Reform gestartet hat. Denn wichtige Elemente bleiben. So nimmt auch die neue Grundsicherung weiter die Qualifizierung ernst. Die schrille Warnung einiger, dass die Reform zu verschärfter Wohnungslosigkeit führen wird, scheint nicht begründet, da viele Stufen zwischengeschaltet sind, bevor es zur kompletten Streichung kommt. Für Bezieher mit psychischen Problemen gelten ohnehin andere Regelungen.

Die Grundsicherung sollte damit jetzt ohne weiteres Aufhebens auch im Bundestag und im Bundesrat verabschiedet werden. Mit dieser Reform, auf die maßgeblich die Union gedrängt hat, gibt es die Chance, das Thema für die Zukunft einigermaßen zu befrieden. Und zwar so, dass die Mitarbeiter in den Jobcentern ihre Arbeit tun können, ohne dass alle paar Monate politisch von höchster Ebene etwas umgeworfen wird. 

Dann könnten alle ihren Gehirnschmalz endlich in Dinge investieren, die unserer Wirtschaft langfristig tatsächlich helfen könnten, die mit ihrem Exportcharakter und ihrer mangelnden Innovationskraft zunehmend unter Druck gerät. Für die Leistungsfähigkeit Deutschlands wird zukünftig unter anderem entscheidend sein, ob es genügend junge Leute gibt, die mit guten Ideen und Leistungsbereitschaft etwas bewegen wollen. Doch viel zu viele Schülerinnen und Schüler erreichen die Mindeststandards nicht mehr, viele von ihnen verlassen die Schule ohne Abschluss und machen auch keine Berufsausbildung. CDU-Bildungsministerin Karin Prien sprach kürzlich eindrücklich davon, dass die Leistungen im Bildungssystem zur "Überlebensfrage" für unsere Volkswirtschaft geworden seien. 

Sie hat recht damit. Nur scheint das bislang bei vielen Verantwortlichen nicht angekommen zu sein.

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