Steigende Buchungszahlen, Flugzeugbestellungen gleich im Dutzend: Auf den ersten Blick boomt der Billigfliegermarkt in Europa. Während Branchengrößen wie KLM und Air France fusionieren und an allen Ecken Kosten sparen, gingen Easyjet, Germanwings, Hapag-Lloyd Express (hlx) und Co. in diesem Jahr immer stärker in die Offensive und eröffneten neue Routen. Das Wachstum ist aber nicht unbegrenzt. In den kommenden Monaten wird immer mehr Kapazität in den Markt drängen: So verzeichnet beispielsweise das Auftragsbuch von Boeing noch mehr als 100 Orders von Ryanair. Easyjet hat 120 Airbusse bestellt.
Sitzkapazität muss erstmal gefüllt werden
Auch wenn einige Flugzeuge älteres Gerät ersetzen: Die immens wachsende Sitzkapazität muss in einem engen Markt erstmal gefüllt werden. Easyjet verzeichnete im Geschäftsjahr 2002/03 einen Gewinnrückgang vor Steuern um 28 Prozent auf 52 Millionen Pfund (75 Millionen Euro). Ryanair legte dagegen für das Ende März abgelaufene Geschäftsjahr 2002/03 einen Rekordgewinn von 266 Millionen Euro vor.
Experten erwarten Marktbereinigung
Nach Einschätzung von Branchenkennern steht in Europa eine Marktbereinigung an - und damit der geschäftliche Absturz diverser Billigflieger. Zwei bis drei größere Anbieter in jedem größeren Wirtschaftsraum plus kleine Nischengesellschaften: So könnte die Struktur des Low-Cost-Marktes künftig aussehen. Analysten gehen davon aus, dass sich die Billigfluggesellschaften langfristig rund 25 bis 30 Prozent Marktanteile erobern können.
Strecken zwischen Wirtschaftszentrem boomen
Erfolgreich durchgesetzt haben sich auf dem deutschen Markt in diesem Jahr vor allem Unternehmen mit einem Streckennetz zwischen wichtigen Wirtschaftszentren. Air Berlin, Hapag-Lloyd Express oder Germanwings fliegen nicht von exotischen Flughäfen abseits der Ballungsräume, sondern aus Köln-Bonn, Berlin, Stuttgart oder Hannover. Damit zielen sie insbesondere auf Geschäftsreisende.
Ryanair immer noch Platzhirsch
Germanwings rechnet für das Gesamtjahr 2003 mit 2,4 Millionen Buchungen, mehr als 90 Prozent davon über das Internet. Im kommenden Jahr will das Unternehmen mit derzeit rund 320 Mitarbeitern drei bis vier Millionen Gäste fliegen. Rund 1,7 Millionen Passagiere buchten bei Hapag-Lloyd Express im ersten Jahr, 1,35 Millionen Flugreisende nahmen zwischen Dezember 2002 und September 2003 in den knallgelben Jets Platz. Zum Vergleich: Ryanair rechnet in diesem Jahr mit 23 Millionen Reisenden, davon rund vier Millionen in Deutschland. "Wir werden unser Angebot noch ausbauen und überlegen, ob wir als nächsten Schritt die Endpunkte des Netzes verbinden", sagte Wolfgang Kurth, Vorsitzender der hlx-Geschäftsführung, im November beim Jahreskongress des Luftfahrt-Presse-Clubs. Er geht davon aus, dass sein Unternehmen bereits im Oktober 2004 schwarze Zahlen schreibt.
Flughafen Köln-Bonn ist Gewinner des Booms
Die "Low-Cost-Airlines" in Deutschland sorgten auch am Boden für Optimismus. "Wir blicken positiv ins kommende Jahr und rechnen mit weiteren Strecken", schätzt Michael Garvens, Geschäftsführer des Flughafens Köln-Bonn. Der Flughafen, dem zahlreiche Kritiker nach Wegzug der Bundesregierung nur noch eine Karriere als Frachtzentrum und Ausweichmöglichkeit für Düsseldorf prognostiziert hatten, ist 2003 Gewinner des Billig-Booms.
Jeder Zweite startet zum Billigflug
Passagierzuwächse von monatlich bis zu 60 Prozent und insgesamt rund acht Millionen Passagiere pro Jahr kennzeichnen den Aufschwung in Köln. Nach Angaben der Flughafengesellschaft startet mittlerweile jeder zweite Reisende zu einem Billigflug. In den ersten neun Monaten des Jahres verzeichnete der Flughafen einen Überschuss von 3,2 Millionen Euro, 45 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Gesamterträge stiegen um 23 Prozent auf 161 Millionen Euro. Für das Gesamtjahr will der Airport einen Gewinn von rund vier Millionen Euro ausweisen. Hapag-Lloyd Express und Germanwings steuerten im Sommer 32 Ziele in ganz Europa an.
Lufthansa schläft nicht
Den Billigfliegern droht in den kommenden Monaten aber nicht nur harter Wettbewerb untereinander: Die etablierte Konkurrenz schläft nicht: So plant beispielsweise die Lufthansa die Produktivität ihrer Flugzeuge um zehn Prozent zu steigern. Außerdem soll die Bündelung des Regionalverkehrs rund 100 Millionen Euro im Jahr einsparen. Das alles soll vor allem Kosten im Kontinentalverkehr drücken - und damit auf dem Hauptmarkt der Billigflieger.