Was Müll ist, liegt im Auge des Betrachters. Was die einen wegwerfen, kann manch anderer noch gebrauchen. Und ist mitunter sogar bereit, Geld dafür auszugeben. Die zwölf Recyclinghöfe der Hamburger Stadtreinigung beliefern zwei "Stilbruch"-Läden mit ausrangierten Dingen, die sich noch verkaufen lassen: Möbel, Geschirr, Bücher, CDs, Schallplatten, Kleidung, Snowboards, Fahrräder und auch Elektrogeräte. Bei der Abgabe im Recyclinghof werden angeblich noch funktionierende Geräte markiert und gesammelt. Was defekt ist, geht sofort ins Recycling, und was noch funktioniert in den Verkauf.
Oft ist nur ein Kondensator kaputt
Im Erdgeschoss des Stilbruch-Marktes in einem Gewerbegebiet im Hamburger Stadtteil Altona halten mehrmals am Tag LKW vor einem großen Metalltor. In einer 1100 Quadratmeter großen Halle sortieren die Mitarbeiter die eingehenden Sofas, Trolleys oder Golfschläger. Artikel in gutem Zustand werden sofort taxiert und mit einem Preisaufkleber versehen. So taucht über den Tag verteilt ständig neue Ware in dem weitläufigen 1200 Quadratmeter großen Verkaufsraum auf. Manche Kunden kommen täglich zum Stöbern. Einzelne stehen schon morgens vor der noch verschlossenen Tür.
Alle Geräte mit Stecker werden in einem Raum hinter dem LKW-Tor vorsortiert. Wenn ein Gerät sich gar nicht mehr einschalten lässt, "geht es schon hier über die Wupper", sagt Stilbruch-Betriebsleiter Roman Hottgenroth, 47. Was noch reparabel erscheint, gelangt per Lastenaufzug in eine 400 Quadratmeter große Werkstatt über den Verkaufsräumen. Wenn ein Gerät aus wirtschaftlicher und ökologischer Sicht erfolgreich repariert werden kann, dann machen wir das auch," sagt Hottgenroth. Jedes Dampfbügeleisen, jeder Kaffeevollautomat und jeder Flachfernseher wird hier einzeln auf Funktion und Sicherheit geprüft: "Oft ist nur ein Netzteil oder ein Kondensator in einem Fernseher kaputt. Der kostet 10, 15 Cent und wir verkaufen das Gerät für 200 Euro", rechnet Hottgenroth vor.
Zwei Drittel werden geschreddert und verwertet
Elektrogeräte sind immer gefragt, Lampen besonders im Winter. Waschmaschinen gehen ganzjährig gut. Bevor sie in den Verkauf gehen, werden sie in der Werkstatt an Strom und Wasser angeschlossen und müssen mehrere Programme durchlaufen. Auf alle Elektrogeräte gibt das "Kaufhaus für Modernes von gestern" eine Gewährleistung für die Dauer von einem Jahr.
Im Jahr 2016 verkauften die beiden Stilbruch-Filialen gut 33.000 Elektroaltgeräte zu einem Durchschnittspreis von 15 Euro. "Jedes Elektrogerät erhält einen Verkaufspreis, welcher immer über dem zu erwartendem Rohstoffpreis liegt. So wollen wir vermeiden, dass noch funktionstüchtige Waren unter teilweise widerlichsten Bedingungen für Mensch und Natur unkontrolliert zerlegt werden," erklärt Hottgenroth die Kalkulation. Ein Export zum Verschrotten lohnt sich daher nicht.
Was unrettbar ist, wird in großen stählernen Körben gesammelt. Erst dann wird aus den Elektrogeräten auch wirklich Abfall, der an eine zertifizierte Sammelstelle geht. "Jedes Kilogramm wird gewogen und nach Produktgruppe aufgeschlüsselt an die Umweltbehörde gemeldet", sagt Stilbruch-Chef Hottgenroth. Beachtliche zwei Drittel der bei Stilbruch eingegangenen Elektrogeräte kommen in die "stoffliche Verwertung". Das Material wird geschreddert und anschließend eingeschmolzen. Gold, Silber, Platin, Kupfer oder Seltene Erden werden herausgezogen und können als Rohstoff wiederverwendet werden.
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