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SWR-Marktcheck Mit diesem Trick zocken Amazon und Co. Kunden ab

Händler wie Amazon nutzen das Dynamic Pricing, um höhere Preise  für Waren punktgenau zu verlangen. 
Händler wie Amazon nutzen das Dynamic Pricing, um höhere Preise  für Waren punktgenau zu verlangen. 
© Picture Alliance
Online-Shopper kennen das Phänomen: Am Abend kostet das Smartphone plötzlich viel mehr als am Nachmittag - wie geht das? Durch Dynamic Pricing können Händler im Netz ihren Kunden deutlich höhere Preise unterjubeln - ganz legal.

Wer ein neues Smartphone oder eine Kamera kaufen will, vergleicht natürlich die Preise. Besonders praktisch: Online-Vergleichsportale übernehmen diesen Job. Doch was der Shopper nicht ahnt: Die Preise im Netz sind nicht starr, sondern verändern sich. Ausschlaggebend ist die Tageszeit, zu der Kunden nach einem Produkt suchen, das Gerät, mit dem sie ins Netz gehen, und wie sie zum Online-Shop finden. Besonders gruselig: Für Kunden ist die Preisgestaltung vollkommen intransparent. Und das eigene Surf-Verhalten kann den Preis für das gesuchte Produkt massiv in die Höhe treiben.

Der "SWR" untersucht in der Sendung "Marktcheck" die Tricks der Online-Händler. Hinter dem ausgetüftelten Preissystem steckt ein Algorithmus, der eine Vielzahl von Faktoren in den Preis einfließen lässt: Kundencharakteristika, Einkaufsverhalten, Wettbewerbssituation, Zahlungsbereitschaft - und sogar das Wetter. Die Marktchecker kommen zu einem erschreckendem Ergebnis: Kunden haben kaum eine Chance diesem Dynamic Pricing, wie die Preisgestaltung im Netz heißt, zu entkommen. 

Beim Online-Shoppen kommt es auf die Uhrzeit an

Als erstes Beispiel wollen die Tester ein iPhone 6 kaufen und sollen dafür zunächst 729 Euro zahlen, eine Stunde später verlangt der Händler nur noch 626 Euro. Das ist kein Zufall, zeigt eine Studie der Preismonitoring-Firma Minderest. Das Unternehmen hat den Preis einer Spiegelreflexkamera von Nikon 36 Stunden lang beobachtet. Das Ergebnis: Der Preis schwankte zwischen 1690 Euro und 700 Euro. Auch die WDR-Prüfer schauen noch einmal genauer auf den Preis: Beim Versandhändler Neckermann beobachten sie eine Waschmaschine von Bauknecht. Innerhalb  einer Stunde sank der Preis von 399 Euro auf 379 Euro. Bei Amazon nahmen sie eine Canon-Digitalkamera ins Visier. Die Preisschwankungen waren massiv: Binnen eines Tages wurde der Preis 275 Mal verändert. Amazon will auf Nachfrage nichts zu den veränderten Preisen sagen. Man werde sich nicht zu der Preisgestaltung äußern, sagte eine Sprecherin des Unternehmens dem stern.

Grund für diese enormen Unterschiede ist die Tageszeit, zu der die Kunden suchen. Erkenntnis der Tester: Vor allem zwischen acht und zwölf Uhr und abends ab 20 Uhr schwanken die Preise am stärksten. 

Unterschiedliche Geräte, unterschiedlicher Preis

Aber nicht nur die Uhrzeit ist wichtig, sondern auch das Gerät, mit dem Kunden ins Netz gehen. So zeigt sich, dass Nutzer von Apple-Geräten wie dem iPhone oder iPad höhere Preis angezeigt bekamen als Kunden, die via PC shoppten. "Es wird angenommen, dass je nach Zugangsgerät ein unterschiedlich hohes Einkommen vorliegt. Beispielsweise wird von Appleprodukt-Nutzern angenommen, dass sie über ein höheres Einkommen verfügen. Wenn diese also im Internet browsen, kann es sein, dass Händler von ihnen einen höheren Preis verlangen", sagt Marketingexperte Martin Fassnacht von der WHO - Otto Beisheim School of Management dem "Marktcheck"-Team. Amazon weist die Vorwürfe des "SWR" von sich. Die genutzten Endgeräte des Kunden hätten keinerlei Einfluss auf den Preis bei Amazon, sagte eine Sprecherin. 

Wie kommen die Kunden zum Onlineshop?

Und ein dritter Faktor beeinflusst das Dynamic Pricing: Auf welchem Weg kommt der Nutzer zum Shop? Als Beispiel suchen die Markchecker Kontaktlinsen im Netz und landen über die Google-Suche bei dem Online-Optiker lensbest. Dort soll die gesuchte Sehhilfe 29,99 Euro kosten. Doch der Shop wirbt auch auf Google. Wer über die Anzeige des Linsen-Verkäufers zum Shop gelangt zahlt nur 21 Euro. 

Vergleichen lohnt sich dennoch

Fazit der "SWR"-Recherche: Diese Form der Preisgestaltung ist zwar sehr ärgerlich für Kunden - illegal ist es aber nicht. Wer bei der Preisschummelei der Händler nicht mitspielen will, muss sich viel Zeit zum Vergleichen nehmen. Dabei lohnt es sich, den Preis des gesuchten Produkts mit verschiedenen Geräten zu unterschiedlichen Tageszeiten und auf variierenden Suchwegen zu prüfen. Außerdem sollten User regelmäßig die Cookies entfernen - und eventuell auch einen Cookie-Blocker nutzen.

Die Sendung "Marktcheck" läuft am 27.10.2015 um 20:15 im SWR und ist auch in der Mediathek aufrufbar.  

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