Nach einer unerwartet schwachen Belebung des Arbeitsmarkts im August schwindet bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) die Hoffnung auf einen kräftigen Herbst-Aufschwung. "Nach unserer Bewertung wird sich die Erholung der Wirtschaft für das zweite Halbjahr nicht auf den Arbeitsmarkt auswirken", stellte der BA-Vorstandsvorsitzende Frank-Jürgen Weise am Donnerstag bei der Bekanntgabe der Arbeitsmarktzahlen fest. Für den Herbst erwartet die BA entgegen ihrer erheblich besseren Prognosen im Frühsommer nun "deutlich mehr als vier Millionen Arbeitslose".
Höchster August-Stand der Arbeitslosenzahl seit sieben Jahren
Im August waren nach Weises Angaben 4.346.500 Männer und Frauen ohne Arbeit gewesen. Die Erwerbslosigkeit lag damit auf dem höchsten August-Stand seit 1997. Rechnet man noch die 110.000 Teilnehmer an Trainingsmaßnahmen hinzu, die seit Jahresbeginn nicht mehr in der Statistik auftauchen, stieg die Erwerbslosigkeit sogar auf den höchsten August-Stand seit der Wiedervereinigung. Die Arbeitslosenquote blieb im vergangenen Monat unverändert bei 10,5 Prozent.
Im Vergleich zum Juli sank die Zahl der amtlich registrierten Erwerbslosen um 13.400 und damit deutlich schwächer als in den beiden vorangegangenen Jahren. Vor einem Jahr hatten die Arbeitsämter im August 30.900 Arbeitslose weniger registriert. Der leichte Aufwärtstrend in der Wirtschaft wirke sich noch nicht auf den Arbeitsmarkt aus, kommentierte Weise die Zahlen. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) nannte die Situation auf dem Arbeitsmarkt "schwierig, aber nicht durchweg enttäuschend".
"Vertrauen in den Aufschwung noch nicht ausreichend"
Nach Einschätzung von BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt hat zwar die wirtschaftliche Erholung weiter an Schwung gewonnen. "Beschäftigung und Arbeitslosigkeit sind aber typische Frühindikatoren, die der allgemeinen konjunkturellen Entwicklung zeitlich verzögert folgen. Zudem ist das Vertrauen in den wirtschaftlichen Aufschwung noch nicht ausreichend gefestigt", kommentierte Alt die jüngsten Zahlen.
Als bedenklich werteten Arbeitsexperten den starken Anstieg der um jahreszeitliche Einflüsse bereinigten Erwerbslosenzahl um 24.000 auf 4,414 Millionen. Sie hatten allenfalls mit einem Anstieg von 10.000 gerechnet. Von Mai bis Juli hatte dieser Wert im Durchschnitt nur um 9000 zugenommen. Die Erwerbstätigkeit stieg nach vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes im Juni aus jahreszeitlichen Gründen um 58.000 auf 38,24 Millionen. Das waren 122.000 weniger als im Vorjahr. Saisonbereinigt habe die Erwerbstätigkeit im Juni stagniert.
Im Westdeutschland erhöhte sich die Zahl der Arbeitslosen im August um 4700 auf 2.764.300. Die Quote lag unverändert bei 8,4 Prozent. In Ostdeutschland sank die Arbeitslosenzahl um 18.100 auf 1.582.200. Die Quote verringerte sich um 0,2 Punkte auf 18,3 Prozent.
Anteil der Langzeitarbeitslosen wächst
Sorge bereitet der Bundesagentur für Arbeit der wachsende Anteil Langzeitarbeitsloser. Ihre Zahl habe im August mit 1.715.200 Personen um 167.500 höher gelegen als vor einem Jahr, führte Alt aus. "Mittlerweile sind vier von zehn Arbeitslosen mehr als ein Jahr ohne Arbeit", unterstrich das für das operative Geschäft zuständige Vorstandsmitglied. Ein Paket zusätzlicher Integrationsmaßnahmen solle nun ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern.
Im Unterschied zur Bundesagentur hält Wirtschaftsminister Clement an der Prognose für einen Herbstaufschwung fest. Er rechne damit, dass die saisonbereinigte Arbeitslosigkeit in Deutschland in den kommenden Monaten sinken werde, sagte Clement in Berlin. "Im September und Oktober wird es besser werden." Ohne die Reformen wäre die Lage komplizierter.
Stillstand bei Entlassungen
Erstmals kam der Beschäftigungsabbau nahezu zum Stillstand. Die Zahl der Erwerbstätigen sei nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes von Mai auf Juni saisonbereinigt nur noch um 1000 gesunken, hieß es in den Kreisen. Von Reuters befragte Volkswirte bei Banken warnten in ersten Reaktionen davor, darin bereits eine Trendwende zu sehen.
Mit Blick auf die Erwerbstätigenzahl sei abzuwarten, ob sich die im Juni verzeichnete Entwicklung eines saisonbereinigten Stillstandes beim Beschäftigungsabbau fortsetze, hieß es. Die Stagnation im Juni korrespondiere mit der damaligen Entwicklung der Arbeitslosenzahl. Diese war im Juni saisonbereinigt unerwartet gering um nur 3000 Erwerbslose gestiegen. Diese Entwicklung habe sich im Juli und August aber nicht fortgesetzt.
Volkswirte zurückhaltend
Banken-Volkswirte zeigten sich in ersten Reaktionen zurückhaltend. Peter Meister von der ING BHF-Bank sagte: "Das ist ein bisschen enttäuschend, denn ich hatte unbereinigt einen Rückgang von 45.000 erwartet." Die Binnennachfrage sei derzeit nicht so stark, vor allem die Investitionen seien noch schwach. Die Erwerbstätigenzahl sei ein Hoffnungsschimmer. Ralph Solveen von der Commerzbank warnte jedoch, dass die Zahl nichts über eine Veränderung des Arbeitsvolumens sage, da auch Mini-Jobs in die Statistik einfließen. "Die Wende am Arbeitsmarkt ist das garantiert nicht", sagte Solveen.
Opposition kritisiert Arbeitslosen-Statistik
Die CDU erklärte, die jüngsten Arbeitslosenzahlen seien ein Zeugnis für das wirtschaftspolitische Versagen der Bundesregierung. Eine Wende auf dem Arbeitsmarkt sei nicht sichtbar, sagte CDU- Generalsekretär Laurenz Meyer. Die schwierige Lage in Deutschland verschärfe sich immer mehr. Die CSU forderte eine neue Berechnungsgrundlage für eine verlässliche Arbeitslosenstatistik. Die jetzige Statistik sei "Zahlenmüll".
Auch nach Ansicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) bleibt die Entwicklung am Arbeitsmarkt hinter den Erwartungen. Die Zahlen belegten, dass Arbeitsmarktreformen allein keine Beschäftigung brächten, betonte DGB-Vorstandsmitglied Heinz Putzhammer. Deutschland fehle es weiterhin an Wachstum. Deshalb müsse die Geld- und Fiskalpolitik auf europäischer Ebene grundlegend geändert werden, betonte der Gewerkschafter.