Die Deutsche Bahn verteilt vorerst keine weiteren Aufträge für Stuttgart 21 - und stoppt den Bau für einige Wochen. Bis zur Konstituierung der neuen Landesregierung werde das Unternehmen "keine neuen Fakten schaffen", kündigte der zuständige Bahn-Vorstand Volker Kefer am Dienstag an. Die neue Regierung mit dem designierten Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann an der Spitze wird in Stuttgart voraussichtlich im Mai das Amt übernehmen.
Nicht nur für die Bahn, auch für die neue grün-rote Regierung ist Stuttgart 21 eine große Baustelle. SPD und Grüne wollen die Bürger über den Weiterbau des milliardenteuren Bahnhofsprojekts per Volksentscheid abstimmen lassen. Die Grünen lehnen das Bahnhofsprojekt ab und setzen als Alternative auf eine Modernisierung des bestehenden Kopfbahnhofs. Die SPD befürwortet mehrheitlich Stuttgart 21, will das Vorhaben aber nicht gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit durchsetzen.
Kretschmann hatte am Montag offengelassen, ob die neue Landesregierung Stuttgart 21 kippen wird. "Am Ende steht ein Volksentscheid. Und der gilt dann", sagte der Grüne in mehreren Interviews. Zuvor würden die Ergebnisse des Stresstests abgewartet, der wahrscheinlich Nachbesserungen von einer halben Milliarde Euro nötig machen dürfte. Es sei die Frage, ob die Betreiber dann nicht freiwillig aussteigen würden. Der Stresstest ist eine Computersimulation zur Leistungsfähigkeit des neuen Bahnhofs im Vergleich zum bestehenden Kopfbahnhof. Ergebnisse soll es im Sommer geben.
Bahn: Vertrag gilt "uneingeschränkt" weiter
Davon ist bei der Bahn noch keine Rede. Vorstand Kefer betonte vielmehr, dass unabhängig davon der mit den Projektpartnern geschlossene Vertrag "uneingeschränkt" gelte. "Schließlich ist das Land Baden-Württemberg und nicht die jeweilige Landesregierung unser Vertragspartner." Nach der Amtsübernahme wird die Bahn nach den Worten Kefers das Gespräch mit der neuen Regierung in Stuttgart suchen. Zudem erklärte Kefer, dass weiterhin mit Hochdruck an dem Stresstest gearbeitet wird, so wie es im Schlichterspruch zu Stuttgart 21 von allen Beteiligten gemeinsam vereinbart worden ist.
Die ersten Reaktionen aus der Politik waren positiv. "Es ist sinnvoll, dass die Bahn die weitere Entwicklung abwarten will", sagte Nils Schmid, Spitzenkandidat der SPD bei der Landtagswahl. Der baden-württembergische Grünen-Verkehrsexperte Werner Wölfle, einer der engagiertesten Gegner von Stuttgart 21, begrüßte die Ankündigung der Bahn als "guten ersten Schritt" - schränkte aber ein: "Das war das Mindeste, was ich erwartet habe." Der Politiker geht noch etwas weiter: Der Vergabestopp müsse bis zur Klärung aller Fragen gelten, darunter die möglichen Folgen des Stresstests oder die Anbindung der Gäubahn, betonte der Landtagsabgeordnete, der seit Jahren für eine Beerdigung des mittlerweile 4,1 Milliarden Euro teuren Projekts kämpft.