Am Freitag ist für sechs der verbliebenen sieben Beschäftigten des insolventen Unternehmens in München der letzte Arbeitstag. Dann erfahren sie das gleiche Schicksal wie ihre ursprünglich rund 1300 Kollegen in der BenQ-Zentrale: die Entlassung - bis Ende 2007 noch leicht abgemildert durch eine Transfergesellschaft, in der sie 80 Prozent ihres früheren Einkommens erhalten. Rund 360 ehemalige Mitarbeiter sind dort derzeit noch beschäftigt, die übrigen haben inzwischen neue Jobs gefunden.
Der 58-jährige Georg Greiling ist einer der "letzten Mohikaner von BenQ", wie er sich und seine Kollegen nennt. Die vergangenen Monate hat er Insolvenzverwalter Martin Prager dabei geholfen, die Formalien abzuwickeln und noch so viel Geld wie möglich für die Insolvenzmasse herauszuholen. Nun ist das weitgehend erledigt. "Ich habe schon sehr wehmütige Gefühle", sagt Greiling, "schließlich habe ich über Jahrzehnte etwas mit aufgebaut und muss nun zusehen, wie es zugrunde geht."
Das Aus von BenQ Mobile
- Wegen notorischer Unwirtschaftlichkeit trennt sich Siemens im September 2005 von seiner Mobilfunksparte. Das taiwanesische Elektrounternehmen BenQ übernimmt das Geschäft und die rund 3100 festangestellten Mitarbeiter in Deutschland.
- Im Juli 2006 teilt BenQ mit, dass die Gewinnzone noch weit entfernt ist und kündigt an, mehr als 500 Stellen in Deutschland zu streichen.
- Ein Jahr nach der Übernahme stellt der BenQ-Mutterkonzern im September 2006 die Zahlungen an seine Mobiltelefonsparte in Deutschland ein. Das Unternehmen muss Insolvenz anmelden.
- Dem vorläufigen Insolvenzverwalter Martin Prager gelingt es nicht, einen Kaufinteressenten für BenQ Mobile zu finden. Das Amtsgericht München eröffnet am 1. Januar 2007 das Insolvenzverfahren. Die meisten ehemaligen Beschäftigten landen in einer Transfergesellschaft.
- Ende Februar 2007 gibt Prager seine Bemühungen zum Verkauf des gesamten Unternehmens auf. In der Folgezeit werden Inventar und Produktionsanlagen einzeln versteigert.
- Ab 1. Juli 2007 hilft in der ehemaligen Unternehmenszentrale in München nur noch ein einziger BenQ-Mitarbeiter dem Insolvenzverwalter bei der Abwicklung des Unternehmens. Alle anderen wurden entlassen.
1979 hatte der studierte Betriebswirt bei Siemens angefangen. Er stieg ins mittlere kaufmännische Management auf. Die Telekommunikation war sein Bereich. Sorgen um den Arbeitsplatz machte sich Greiling in den ersten 20 Jahren eigentlich nie. Schließlich war er bei Siemens angestellt. Etwas Sichereres habe man sich damals kaum vorstellen können.
"Chance, etwas ganz Neues anzufangen"
Doch nach dem Verkauf der Mobilfunksparte an den taiwanesischen Konzern BenQ und die folgende Pleite muss der Vater von drei Kindern, von denen zwei noch in der Ausbildung stecken, nun noch einmal von vorn anfangen, obwohl er mit Siemens bereits einen Altersteilzeitvertrag abgeschlossen hatte. "Es wird schwierig, einen vergleichbaren Job zu finden - in meinem Alter", sagt Greiling ganz nüchtern. Natürlich ist er traurig über die Entwicklung, aber er will nicht aufgeben: "Ich sehe das als Chance, etwas ganz Neues anzufangen."
Ein Problem dabei sei aber, dass ihm die finanzielle Basis fehlt. Wenn die Beschäftigungsgesellschaft ausläuft, bekommt er zweieinhalb Monatsgehälter als Überbrückungsgeld. Und das war's. Greiling ärgert daran vor allem, dass seine lange Betriebszugehörigkeit zu Siemens sich nicht in der Abfindungshöhe niederschlägt. "Man fühlt sich ungerecht behandelt, da kriegt man schon die Wut." Zumal die ehemalige Muttergesellschaft Siemens und die IG Metall ausgehandelt haben, dass bei seinen früheren Kollegen am BenQ-Standort im nordrhein-westfälischen Kamp-Lintfort die Dauer der Betriebszugehörigkeit berücksichtigt wird.
Neun Monate seit dem am 29. September 2006 gestellten Insolvenzantrag hat Greiling für den Insolvenzverwalter gearbeitet. Alle paar Wochen wurde die Zahl der noch beschäftigten Kollegen kleiner. Immer mehr Räume des großen Gebäudes standen leer. "Man kommt morgens hier rein, und es ist wie in einem Geisterhaus", beschreibt Greiling die Atmosphäre. Leere Gänge, ausgeräumte Büros. "Und die noch übrig gebliebenen Pflanzen vertrocknen." Ziemlich deprimierend sei das für die letzten sieben BenQler, die sich auf drei Büros verteilen. "Immerhin habe ich jetzt einen eigenen Haustürschlüssel für das Gebäude", versucht es Greiling mit Humor.
Es kommt immer noch Kundenpost
Das Empfangspersonal hat der Insolvenzverwalter längst heimgeschickt. Damit Gäste und Lieferanten sich melden können, haben die noch verbliebenen selbst eine Wechselsprechanlage an der Eingangstür installiert. Stapelweise kommt noch immer Post in der ehemaligen Unternehmenszentrale an. Fachmagazine, Werbung und auch weiterhin Briefe von Kunden, die zum Beispiel Fragen zu ihren Handys haben. "Unseren Möglichkeiten, den Leuten zu helfen, sind aber Grenzen gesetzt", betont Greiling. Und am Freitag ist für ihn ganz Schluss damit.