Herr Helmer, der Dax hat in den vergangenen Monaten kräftig an Wert verloren, im Moment steht er bei 6000 Punkten - was sind die Ursachen dafür?
Die Finanzkrise in den USA, der schwache Dollar und der hohe Ölpreis belasten den Aktienmarkt schwer. Einerseits führen die massenhaften Privatinsolvenzen in Amerika dazu, dass auch große Investmenthäuser illiquide werden - wie kürzlich Fannie Mae und Freddie Mac. Letztere werden vom Staat unterstützt, die amerikanischen Staatsschulden, die schon jetzt nicht gering sind, könnten sich verdoppeln. So erhöht sich die Geldmenge, die Inflation wird angekurbelt. Um die zu bekämpfen, erhöht die Zentralbank die Zinsen - dadurch jedoch wird die Konjunktur in Mitleidenschaft gezogen. Die Wirtschaft befindet sich in einem Dilemma, aus dem sie so schnell nicht herauskommt.
Zur Person
Fidel Helmer ist Chef des Wertpapierhandels bei der Privatbank Hauck & Aufhäuser in Frankfurt/ Main.
Die Gewinne der Unternehmen entwickeln sich aber immer noch gut, die Auftragsbücher sind prall gefüllt.
In Deutschland sind die Unternehmensgewinne noch stabil, in EU-Ländern wie Spanien, Dänemark oder etlichen anderen sieht es bei Weitem nicht mehr so gut aus. Wie lange Deutschland sich diesem Debakel noch entziehen kann, ist eine Frage der Zeit.
Wann wird die Talfahrt an der Börse ein Ende haben? Einige Experten rechnen trotz der jüngsten Schwäche mit einem Dax-Stand von 8000 Punkten zum Jahresende.
Bis vor kurzem war ich einer von denen. Aber wir Analysten bekommen nur stückchenweise die Horror-Zahlen von den Finanzinstituten in Amerika vorgesetzt, in letzter Zeit auch aus Deutschland. Deswegen sind wir in einer absolut defensiven Situation, die wir schlecht einschätzen können. Was die deutschen Aktien angeht, sind die preiswert, die Kurs-Gewinn-Verhältnisse sind deutlich reduziert. Dass wir nahezu täglich mit neuen Übernahmen und Fusionen konfrontiert werden, spricht dafür, dass deutsche Aktien und Unternehmen nach wie vor sehr interessant sind. Deutsche Unternehmen sind also gut aufgestellt und haben die Krise bisher gut überstanden. Über kurz oder lang werden jedoch auch sie immer mehr mit den hohen Energiepreisen und sinkenden Exportchancen zu kämpfen haben. Deshalb: So gut die Unternehmen auch sind, es wird immer schwieriger, hohe Kurse zu erzielen. Letzten Endes werden alle von einem rückläufigen Wachstum betroffen sein.
Was ist ihre Dax-Prognose für Ende dieses Jahres?
Wir werden am Ende des Jahres zwar besser dastehen als jetzt - auf 8000 Punkte schaffen wir es aber wahrscheinlich nicht.
Was empfehlen Sie den Anlegern, sollen sie jetzt kaufen?
Ich bin zwar Börsianer mit Leib und Seele, aber im Moment ist mein Motto: "Cash ist fesch". Man sollte sein Geld also lieber auf Fest- oder Tagesgeldkonten anlegen. Dort bekommt man inzwischen eine ordentliche Rendite: Sie liegt bei fünf bis sechs Prozent anstelle von drei, dreieinhalb Prozent zu Anfang des Jahres. Bei einer solchen Verzinsung kann man ruhig schlafen.
Gibt es denn unter den Aktien noch kaufenswerte Papiere?
Selbstverständlich kann ein mutiger Investor sich im Bereich der Dax-Werte die attraktiven Werte raussuchen. Extrem im Kurs verfallen sind beispielsweise die Finanzwerte. Eine Deutsche Bank oder Allianz wird sich aber sicherlich über kurz oder lang wieder deutlich erholen - und die Krise mit phantastischen Zahlen überstehen. Meine Empfehlung: Jetzt ein paar Titel aussuchen und ein Drittel seines Budgets investieren. In einem Vierteljahr dann noch ein Drittel anlegen, den Rest am Jahresende.
In Zeiten fallender Aktienkurse sind gerade Anlageformen wie Rohstoffe gefragt. Deren Werte sind in letzter Zeit stark gestiegen, sind sie trotzdem noch als Anlage interessant?
Rohstoffe bleiben nach wie vor eine Alternative. In nächster Zeit werden die Ölpreise weiterhin steigen. Die aktuelle Ölblase wird dennoch irgendwann platzen - schließlich kann es kann nicht sein, dass ein Ölpreis innerhalb von sechs Monaten 60 Prozent zulegt. Mit erhöhter Nachfrage ist so etwas nicht zu rechtfertigen, da steckt viel Spekulation hinter - ähnlich wie bei der Dotcom-Blase 2001. Auch wenn die Blase platzt, können die Ölpreise doch in fünf, sechs, sieben Jahren deutlich höher sein. Schließlich hängt der Ölpreis noch von anderen Faktoren ab - wie zum Beispiel dem Muskelspiel zwischen Israelis, Amerikanern und dem Iran.
Auch der Goldpreis ist stark gestiegen - stellt das Edelmetall noch eine attraktive Anlagemöglichkeit dar?
Ja, Gold gehört in jedes Portfolio. Inzwischen haben wir so mit fast 1000 Dollar einen Top-Preis erreicht - trotz der Dollarschwäche. Gold ist interessant, wenn Aktienkurse stark sinken, da sein Wert relativ beständig ist. Obwohl der Kursverfall schon etwas anhält, ist das Edelmetall als Anlage immer noch eine Alternative - denn am Ende der Talfahrt sind wir noch lange nicht angekommen.