Als Russland die Ukraine überfiel, ging es mit den Sanktionen gegen den Aggressor ganz schnell. Innerhalb weniger Wochen wurden mehrere Sanktionspakete verabschiedet, die Russland isolieren und zur Umkehr bewegen sollten. Mittlerweile hat sich die Situation festgefahren. Russische Truppen wüten nach wie vor in der Ukraine, und der Westen weiß sich nicht mehr zu helfen, als die Yachten russischer Oligarchen festzusetzen. Doch damit ist der Ukraine kaum geholfen.
Blieb also nur noch ein Öl-Embargo, über das die Mitgliedstaaten schon seit geraumer Zeit stritten. Widerstand kam vor allem aus Osteuropa. Nun haben sich die Regierungsvertreter dazu durchgerungen. Herausgekommen ist ein Kompromiss, sehr zur Zufriedenheit des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban. Tankeröl will die EU künftig nicht mehr aus Russland einführen. Importe durch Pipelines sind aber vorerst weiter erlaubt. Das hatte Ungarn gefordert.
Nach Angaben von EU-Ratspräsident Charles Michel sollen zwei Drittel der russischen Öllieferungen von dem Embargo betroffen sein. Allerdings geht die neue Sanktion auch zulasten westlicher Verbraucher. So sind die Ölpreise am Dienstag auf den höchsten Stand seit zwei Monaten gestiegen. Am Morgen kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent 123,32 US-Dollar. Das waren 1,65 Dollar mehr als am Vortag.
Grund hierfür ist das nun verminderte Angebot aus Russland. Laut Börsianern soll auch eine Aussage von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Preise in die Höhe getrieben haben. Demnach sollen die Öl-Importe der EU insgesamt bis Ende des Jahres um 90 Prozent reduziert werden.
Explodieren die Spritpreise wegen des Öl-Embargos?
"Wie sich der Ölpreis, der heute angestiegen ist, in den nächsten Monaten entwickelt, ist nicht absehbar", sagt Thomas Engelke, Leiter Energie und Bauen beim Bundesverband der Verbraucherzentrale (VZBV), dem stern. Unklar sei auch, wie lange sich die Preise nach oben entwickeln werden. Das hänge auch davon ab, "wann es eine Lösung in der Ukraine gibt", sagt der Hauptgeschäftsführer vom Wirtschaftsverband Fuels und Energie, Adrian Willig, dem stern. Dass die Benzinpreise stark angestiegen seien, führt er jedoch nicht nur auf den Ukraine-Krieg zurück, sondern auf eine weltweite "Benzinknappheit, die von den USA ausgeht".
Der nun beschlossene Tankrabatt könnte aber ab dem 1. Juni dominieren, "so dass die Preise an der Tankstelle sinken", schätzt der Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum. Um Verbraucher insbesondere beim Spritpreis zu entlasten, hatte die Verbraucherzentrale bereits im Frühjahr gefordert, die Pendlerpauschale durch ein einkommensunabhängiges Mobilitätsgeld zu ersetzen und Preisanstiege im öffentlichen Verkehr vorerst zu stoppen. Dem ist die Bundesregierung bereits nachgekommen.
Der Tankrabatt ist Teil des Entlastungspakets der Bundesregierung. Ab Mittwoch sinkt die Steuerbelastung auf Kraftstoffe bis Ende August um 35,2 Cent pro Liter bei Superbenzin und um 16,7 Cent pro Liter bei Diesel. Ob das den Effekt des Öl-Embargos wettmacht? "Bei früheren ähnlichen Beschlüssen haben wir gesehen, dass solche Steuersenkungen nur zu 60 Prozent an Verbraucher weiter gegeben wurden. Da nun beides zusammenkommt – Öl-Embargo und Tankrabatt – wird man wohl nur im Nachhinein forensisch nachvollziehen können, wie sich die Preise entwickelt haben", sagt Südekum.
Die Haupturlaubssaison im Sommer könnte den Spritmangel aber noch verschärfen, schätzt Fatih Birol, Chef der Internationalen Energieagentur (IEA). Im Sommer werde die Treibstoffnachfrage in Europa und den USA steigen, sagte er dem "Spiegel". Dann könnte es zu Engpässen kommen. Die europäischen Länder seien "nicht nur auf Rohöllieferungen von außerhalb angewiesen, sondern auch auf Importe von Ölprodukten".
Steigende Stromkosten in privaten Haushalten?
Beim Strom könnten private Haushalte laut Verbraucherzentrale zudem von den angekündigten Senkung der EEG-Umlage im Sommer profitieren – sofern die Anbieter die Kostensenkung weitergeben. Verbrauchern mit langfristig garantiertem Strompreis rät die Verbraucherzentrale davon ab, den Anbieter zu wechseln. Umgekehrt sollten sich Verbraucher mit ungünstigem Tarif nach Alternativen umsehen. Die Verbraucherzentrale in Rheinland-Pfalz rät überdies zum Energiesparen. Denkbar wäre etwa, den Energieträger zu wechseln, beispielsweise von Gas und Öl hin zu Strom (Wärmepumpen), Holzpellets und Nah- und Fernwärme auf Basis erneuerbarer Energien.
"Sollte es einen weiteren deutlichen Preisanstieg bei Öl und Gas für die privaten Haushalte in Deutschland geben, müsste die Bundesregierung ein drittes Entlastungspaket beschließen", sagte VZBV-Vertreter Engelke. Wie dieses genau aussehen könnte, ließ er aber offen.
Hinsichtlich der Energieversorgung versucht die Verbraucherzentrale aber zu beruhigen. Bundeswirtschaftsminister Habeck hatte bereits angekündigt, die russischen Öl-Lieferungen durch andere Quellen ersetzen zu wollen. "Wenn das gelingt, sollte es keine Versorgungsengpässe zum Beispiel beim Heizöl geben", sagte Engelke.
Öl-Embargo könnte Ostdeutschland empfindlich treffen
Innerhalb Deutschlands könnte der Ausstieg aus russischen Öl-Importen vor allem die Raffinerien Leuna und Schwedt herausfordern, prognostiziert Adrian WIllig vom Wirtschaftsverband Fuels und Energie. "Die Ostdeutschen dürfen nicht die Gelackmeierten der Embargo-Politik sein", warnt auch der Ostbeauftragte der Linke, Sören Pellmann. In der ostdeutschen Stadt Schwedt läuft die "Druschba"-Pipeline ein, über die vor dem Krieg zwei Drittel der russischen Ölimporte geliefert werden. Allerdings hat Deutschland schon vorher klargemacht, dass auch Pipeline-Importe beendet werden sollen.
"Ohne Ausnahmeregelung könnte die ostdeutsche Wirtschaft um Jahre zurückgeworfen werden. Die Ostdeutschen würden aufgrund weiterer Preissprünge schlicht ärmer", warnte Pellmann. Er plädierte für eine besonnene Sanktionspolitik, um die russischen Milliardeneinnahmen zu schmälern, die Putin auch für den Krieg in der Ukraine zur Verfügung stehen. Der Wirtschaftsverband Fuels und Energie begrüßt daher, "dass die Bundesregierung gemeinsam mit der polnischen Regierung in Arbeitsgruppen mit Fachleuten der Unternehmen erarbeitet, wie die Versorgungssituation in Ostdeutschland und Polen insgesamt optimiert werden kann", sagt Willig dem stern.
Ähnlich wie Ungarns Ministerpräsident zeigte sich deshalb auch Schwedts Bürgermeisterin Annekathrin Hoppe (SPD) angesichts des Kompromisses für ein Öl-Embargo erleichtert. "Solange das Öl zu uns kommt, solange wir das russische Öl verarbeiten dürfen hier in Schwedt, ändert sich nichts, und noch läuft alles", sagte sie im Gespräch mit dem "Bayerischen Rundfunk". Die PCK-Raffinerie in Schwedt produziert einen Großteil der Erdölprodukte für Ostdeutschland. Die Möglichkeiten, die jetzt seit der letzten Nacht für Deutschland bestehen, die könnten für einen längeren Übergangszeitraum für den Ausstieg aus der Rohölverarbeitung genutzt werden.
Alternativen zum russischen Rohöl
In Schwedt endet die Druschba-Pipeline für russisches Öl, von dort werden große Teile vor allem Ostdeutschlands mit Ölprodukten versorgt. Die Raffinerie gehört dem russischen Konzern Rosneft und ist der wichtigste Lieferant für Mineralölerzeugnisse im Raum Berlin-Brandenburg. Laut der Gewerkschaft IGBCE arbeiten rund 1200 Menschen in der PCK-Raffinerie, hinzu kommen mehrere hundert Arbeitsplätze bei Zulieferern.
Dass russisches Rohöl künftig weiterhin an diesem Standort verarbeitet wird, glaubt aber auch Bürgermeisterin Hoppe nicht. "Das bedeute, "dass wir Alternativen brauchen", sagte Hoppe. Konkret denke sie beispielsweise an die Herstellung von Wasserstoff.
Seit Kriegsbeginn in der Ukraine ist der Anteil beim Verbrauch russischer Energieträger in Deutschland massiv zurückgegangen. Lag er nach Angaben von Wirtschaftsminister Robert Habeck vor dem Krieg noch bei 35 Prozent, so ist er auf aktuell 12 Prozent gesunken.
Quellen: Bundesverband der Verbraucherzentrale, mit Material von DPA und AFP