Die deutsche Wirtschaft findet keine qualifizierten Arbeitskräfte, während promovierte Chemiker aus dem Ausland hierzulande Taxi fahren, weil ihre Abschlüsse nicht anerkannt werden. Dagegen will die Bundesregierung nun vorgehen. Ungefähr 300.000 Menschen arbeiten in Deutschland nach Schätzungen unter Wert. Für die Betroffenen ist das oft eine Tragödie, für die Volkswirtschaft eine große Verschwendung. Noch in diesem Jahr will die Regierung daher ein Gesetz verabschieden, das die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse erleichtert. Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) erhofft sich davon 300.000 neue Fachkräfte.
Doch so einfach wird das nicht umzusetzen sein. Die wichtigsten Fragen zu der Qualifzierungsoffensive.
Was sind die größten Probleme?
Für EU-Bürger und Spätaussiedler funktionieren die Anerkennungsverfahren, für Russen oder Inder ist die Lage dagegen schwierig. Sie scheitern oft schon an der Zuständigkeitsfrage: Ministerium, Kammer oder Bezirksregierung? 400 Stellen teilen sich die Aufgabe, je nach Beruf und Bundesland sind es andere. Doch selbst an der richtigen Stelle weiß man oft keine Antwort - so komplex ist die Rechtslage.
Was will die Regierung dagegen tun?
Mit dem neuen Gesetz habe jeder, der im Ausland gelernt hat, einen Anspruch darauf, seine Qualifikationen in Deutschland bewerten zu lassen, sagt Ministerin Schavan. Das Gesetz wird aus mehreren Teilen bestehen: Der erste fixiert den neuen Anspruch. Die weiteren werden berufsrechtliche Regelungen ändern, zum Beispiel die Handwerks- oder Approbationsordnung.
Sind ausländische Abschlüsse wirklich gleichwertig?
Nicht alle - daher muss eine gründliche Prüfung sein. "Die ausländischen Qualifikationen müssen sich an deutschen Standards messen", so Schavan. "Das heißt nicht, dass sie absolut inhaltsgleich sind, sie müssen aber im Ergebnis vergleichbar sein." Deutsche Standards würden dadurch nicht aufgeweicht.
Wer soll das beurteilen?
Wie bisher sollen die zuständigen Kammern und Behörden die Bewertung übernehmen. In der Vergangenheit wurde jedoch vielen Kammern vorgeworfen, ausländische Abschlüsse aus Angst vor der Konkurrenz zu oft abzulehnen. Schavan hofft nun auf einen Mentalitätswandel: "Wer nur skeptisch ist, dem werden am Ende die Fachkräfte fehlen."
Was passiert, wenn der ausländische Abschluss nicht gleichwertig ist?
Bislang galt meist die Devise: alles oder nichts. Das soll sich ändern. "Wenn der ausländische Abschluss den deutschen Standard nicht voll erfüllt, soll der Antragsteller nicht auf null zurückfallen", sagt Schavan. "Es gilt die Einladung zur Nachqualifizierung." Die Antragsteller sollen also nicht nur einen Bescheid erhalten, sondern auch Informationen darüber, was ihnen zur Gleichwertigkeit noch fehlt.
Gefunden in der Financial Times Deutschland.