Finanzkrise Dow Jones stürzt ins Bodenlose

Dramatik pur im US-Kongress und an der Wall Street: Nach dem überraschenden Scheitern des 700-Milliarden-Dollar-Pakets zur Rettung der Finanzmärkte im US-Repräsentantenhaus, hat der Dow-Jones-Index 777 Punkte verloren. Das ist ein größerer Einbruch als nach den Terroranschlägen vom 11. September.

Das US-Repräsentantenhaus hat das 700 Milliarden Dollar schwere Rettungspaket für die Finanzbranche abgelehnt und damit der Wall-Street Rekordverluste beschert. Der Dow-Jones-Index schloss mit 777,68 Punkten oder 6,98 Prozent im Minus. Das ist - gemessen in Punkten - der stärkste Einbruch in der Geschichte der New Yorker Börse, der sogar noch den Rückgang nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 übertraf. Zuvor war bereits der Deutsche Aktienindex (DAX) nach Hiobsbotschaften von mehreren europäischen Banken tief ins Minus gerutscht.

Die Abgeordneten hatten trotz aller Appelle von US-Präsident George W. Bush und führenden Politikern beider Parteien mit 228 zu 205 Stimmen gegen das Programm votiert, mit dem das Chaos an den Finanzmärkten eingedämmt werden sollte, und damit Politik und Finanzwelt geschockt. Der Plan ist bei der Bevölkerung sehr unpopulär, doch Finanzexperten und Politiker sehen keine Alternative zu dem Rettungspaket. Das Repräsentantenhaus setzte angesichts des durch seine Abstimmung verursachten Schocks am Aktienmarkt für Donnerstag eine neue Sitzung an.

Demokraten und Republikaner gaben sich nach der Abstimmung am Montag gegenseitig die Schuld an der Ablehnung der Rettungsaktion. Bush reagierte "sehr enttäuscht". "Wir arbeiten daran, eine Strategie zu entwickeln", sagte er. Die beiden Präsidentschaftskandidaten Barack Obama und John McCain hatten den Plan zurückhaltend unterstützt. Obama zeigte sich nach der Abstimmung im Repräsentantenhaus aber zuversichtlich. Der Kongress werde einen Ausweg aus der Krise finden, "aber es wird schwierig werden", sagte der Senator am Montag. McCain äußerte sich zunächst nicht.

Das Repräsentantenhaus stimmte mit 228 zu 205 Stimmen gegen den Plan. Mehr als zwei Drittel von Bushs Republikanern und 40 Prozent der Demokraten lehnten ihn ab. Der konservative Flügel der Republikaner ist gegen derart weitgehende staatliche Eingriffe in die Wirtschaft. Der Rettungsplan sollte die Mittel für den Aufkauf sogenannter fauler Hypothekenpapiere freigeben. Ausgezahlt werden sollte die Riesensumme aber nicht auf einen Schlag, sondern schrittweise. Die erste Hälfte von 350 Milliarden Dollar sollte zur Verfügung gestellt werden, sobald dies vom Präsidenten beantragt wird. Die weiteren Mittel sollten von der Zustimmung des Kongresses abhängig sein. Im Gegenzug sollte der Staat Aktienoptionsscheine der Finanzgesellschaften erhalten, die bei entsprechender Kursentwicklung eingelöst werden können, um die Belastung für die Staatskasse aufzufangen.

DAX schließt mit herben Verlusten

Sorgen über die Situation der europäischen Finanzbranche hatten am Montagabend bereits den deutschen Aktienmarkt tief ins Minus geschickt. Der Leitindex DAX verlor mehr als 250 Punkte oder 4,23 Prozent auf 5807,08 Zähler. Damit schloss er auf dem tiefsten Stand seit etwas mehr als zwei Jahren. Der MDAX büßte sogar über 460 Punkte oder 6,37 Prozent auf 6820,42 Zähler ein. Der TecDAX fiel um fast 50 Punkte oder 6,86 Prozent auf 675,48 Zähler.

Gleich mehrere Banken in Europa müssen durch milliardenschwere Rettungsaktionen vor Zusammenbrüchen bewahrt werden. Neben der Hypo Real Estate (HRE) benötigt auch der schwer angeschlagene belgisch-niederländische Finanzkonzern Fortis zum Überleben Hilfe von außen und wird teilweise verstaatlicht - das gleiche gilt für die britische Hypothekenbank Bradford & Bingley. "An der Börse hat sich Panik breitgemacht", sagte Marktstratege Heino Ruland von FrankfurtFinanz Partner. Die Investoren bekämen es nun richtig mit der Angst zu tun, nachdem sich in der vergangenen Woche noch vereinzelt Zuversicht gezeigt habe.

Die HRE-Aktien brachen um 73,91 Prozent auf 3,52 Euro ein. Um den Kollaps des Immobilien- und Staatsfinanzierers zu verhindern, musste dieser von einem Bankenkonsortium finanziell aufgefangen werden. Außerdem erklärte sich die Bundesregierung bereit, das Engagement der Banken mit einer Staatsgarantie abzusichern. Vorausgegangen waren Spekulationen über einen Zusammenbruch wegen massiver Liquiditätsprobleme.

Andere Bankenwerte wurden ebenfalls regelrecht ausverkauft: Die Commerzbank-Titel rutschten im Sog der Negativschlagzeilen um 24,01 Prozent auf 10,950 Euro ab. Die Postbank-Titel büßten 23,88 Prozent auf 26,94 Euro ein. Die im MDAX notierten Titel der Aareal Bank brachen sogar um 42,53 Prozent auf 7,27 Euro ein. "Niemand schenkt den Aussagen einer Bank derzeit Glauben - hier wird die ganze Branche gnadenlos abgestraft", sagte ein Händler.

Kräftige Verluste in Paris und London

Die Lage an den europäischen Börsen sah kaum besser als in Deutschland aus. Der EuroSTOXX 50 büßte 4,69 Prozent auf 3008,19 Punkte ein. In Paris und London wurden ebenfalls kräftige Verluste verzeichnet. Sehr schwach zeigten sich zum europäischen Handelsschluss auch die Börsen in den USA: Der Leitindex Dow Jones gab um mehr als zwei Prozent nach und der NASDAQ Composite verlor mehr als 4 Prozent.

AP · Reuters
AP/Reuters