Das muss er sein, der lang ersehnte Ruck. Und alle machen mit, sogar die Verbände. Zum Jahresanfang treffen sie sich. Im ganzen Land. Überall ist er jetzt zu hören, der laute Ruf nach grundlegenden Veränderungen. Er schallt aus einem Wellness-Hotel in Bad Kissingen, wo sich der Beamtenbund alljährlich versammelt. Von den Marktplätzen der Großstädte, auf denen Ärztevertreter und Handwerker demonstrieren. Die Gewerkschaften verkünden die Botschaft bald täglich aus ihrem Bürokomplex in Rufweite zur Regierung. Sogar die Bauern sind dabei. Nimmer müde schreien sich Funktionäre und Lobbyisten die Hälse wund: Macht endlich Reformen! Aber nicht bei uns!
Unter der Saaldecke
lächelt das Antlitz der Macht. Auf der Videoleinwand im Hotel Frankenland zu Bad Kissingen spricht Erhard Geyer, Vorsitzender des Deutschen Beamtenbundes, zu ein paar hundert grauen Dirigenten, Präsidenten oder Vorsitzenden. So betiteln sich Deutschlands Spitzenstbeamte. Offiziell ist dies die "gewerkschaftspolitische Arbeitstagung" des Beamtenbundes. Tatsächlich zeigt hier einer der stärksten Lobbyverbände der Republik seine Muskelpakete.
"Im Ganzen betrachtet
bedarf der öffentliche Dienst tiefgreifender Reformen", sagt Geyer. Um anschließend über eine Stunde Rechenschaft darüber abzulegen, welche Reformen sein Verband unlängst erfolgreich verhindert hat, und anzukündigen, welche er künftig zu verhindern weiß: Beamte in die gesetzliche Renten- und Krankenversicherung? Niemals! Mehr Leistung? Unerhört! Über Privilegien der Beamten reden? Alles nur "Neid-Diskussionen". Seine Zuhörer jubeln wie Teenie-Groupies. Beim anschließenden Mittagessen gibt es kein anderes Thema als "Geyers Hammer". Und schon beginnt der Nachmittag. Da macht der Beamte sein Nickerchen - mitten in der Rede des Geschichtsprofessors Michael Wolffsohn. "Sie haben mich leichtsinnigerweise eingeladen", sagt Wolffsohn und erklärt dem dämmernden Publikum die Genialität des Beamtentums: mit den besonderen Rechten. Und Pflichten. "Beamte sind die Personifizierung des Gesamtinteresses." Die wenigen aufgeweckten Staatsdiener klatschen. Er fährt fort. "Und darum müssen Beamte, mehr als alle anderen, bereit sein zum Verzicht."
Verzicht? Welch ungewohnte, grausame Vokabel. Über alles darf man mit Beamten reden, aber nie, nie über Verzicht. Von nun an kann Wolffsohn ohne Applausunterbrechung bis zum Ende sprechen. In der ersten Reihe sitzt Wolffsohns Gastgeber Geyer mit rot aufgepumptem Gesicht. An seiner Seite schlummert friedlich sein Stellvertreter Peter Enders. Und verpasst das Beste. Wolffsohn ist nämlich noch nicht fertig. Er spricht über Beamte, die trillerpfeifend demonstrieren. Genau dazu hatte der Mann mit dem roten Kopf Mitte Dezember rund 40.000 Beamte nach Berlin organisiert. "Das war ein klarer Regelverstoß", sagt der Historiker. Geyer weckt seinen Vize, flüstert ihm ins Ohr und verlässt grußlos seine eigene Veranstaltung.
Niemand widerspricht
Wolffsohn. Keiner ruft erbost dazwischen. Die Interessenvertreter ignorieren die gesagten Wahrheiten. Zur Grundausstattung eines Funktionärs gehört eine Schutzschicht. An ihr perlt die Wirklichkeit ab. Und jeder Versuch, etwas zu verändern. Ob Reformen durchgesetzt oder abgeheftet werden, darüber entscheiden in Deutschland keine Minister, nicht die Abgeordneten und erst recht nicht die Wähler. Den Daumen heben oder senken am Ende Männer wie Erhard Geyer: Verbandsfunktionäre. Sie sitzen an allen runden Tischen, in allen Kommissionen. Ohne sie geht nichts. Aber mit ihnen erst recht nicht. Nach den Staatsorganen Parlament, Regierung und Justiz und nach der vierten Gewalt, den Medien, haben sich die Lobbyisten zur fünften Gewalt im Staat entwickelt: die Verhinderungsmacht.
Sie sind die Abwehrkämpfer im Politikspiel, die Zerstörer, die dazwischengrätschen, wenn ihre Interessen berührt sind. Und das ist in Deutschland exakt immer der Fall. Denn eine Reform soll einen Missstand beseitigen, einen Systemfehler. Doch stets gibt es eine Minderheit, die von diesem Fehler lebt: die Bergarbeiter von den Kohlesubventionen, die Bauern von den Agrarsubventionen. Jede Branche hat ihr Steuerschlupfloch. Wenn das gestopft werden soll, werden die Lobbyisten aktiviert. Deren bestbezahlter Job ist es, sofort Alarm zu schlagen, wenn eine Reform droht, und wild dagegen anzujammern.
Einer dieser
Jammerprofis ist Doktor Manfred Richter-Reichhelm, Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung - der oberste Ärztefunktionär. Nun ist das deutsche Gesundheitswesen ein einziger Systemfehler, der Reformbedarf gerade bei Ärzten riesig. Und darum jammert keiner so herzerweichend wie Richter-Reichhelm. In wenigen Minuten wird er der versammelten Hauptstadt-Journaille das "Aktionsprogramm" der Kassenärzte vorstellen. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt hat den Ärzten für dieses Jahr eine Nullrunde verordnet. Und die Rürup-Kommission soll Vorschläge erarbeiten, wie das Gesundheitswesen künftig bezahlbar bleiben kann. Das bedeutet Veränderung. In der Zukunft. Doch gejammert wird schon jetzt. Prophylaxe nennt das der Mediziner.
Fernsehleute und
Fotografen drängeln sich in der ersten Reihe. Richter-Reichhelm scherzt mit seinem Pressesprecher, winkt Fachjournalisten und Funktionärskollegen unter den Zuschauern zu. Die Bude ist voll. Der Ober-Arzt wird mit seiner Botschaft auf allen Kanälen sein. Richter-Reichhelms Laune könnte nicht besser sein. Das sieht man. Der Pressesprecher gibt ihm ein Zeichen. Konzentration. Wie ein Schauspieler, der in der nächsten Szene über den Tod seiner Tochter weinen muss, faltet Richter-Reichhelm seine Stirn, macht sich klein. Kameras ab. Und action: "Kürzlich habe ich ein Schreiben von einem niedergelassenen Kinderarzt bekommen," flüstert er. Praxis auf dem Land, 55 Arbeitsstunden in der Woche, alles läuft bestens - und trotzdem muss er dichtmachen. Schuld ist die Gesundheitspolitik.
Von solchen Pleite gehenden Arztpraxen berichten Ärzte-Funktionäre in jedem Interview, in jeder Talkshow. Nur hat die Öffentlichkeit noch nie einen insolventen Arzt zu Gesicht bekommen, der nicht wegen groben Missmanagements oder Verzockens am Neuen Markt in Konkurs gehen musste. Der Pleitearzt als Opfer der Politik war ein Phantom, ein oft gesichtetes Ufo. Nun also gibt es jenen bedauernswerten Kinderarzt vom Lande. Aber gibt es ihn wirklich? Unzählige Anrufe später teilt die Kassenärztliche Bundesvereinigung dem stern mit, der Kinderarzt sei nicht bereit zu reden. Und auch kein anderer von den Reformen dahingeraffter niedergelassener Arzt. Leider.
Wie schlecht es
den Ärzten wirklich geht, beweist die Kassenärztliche Vereinigung in Berlin. Vorsitzender ist auch hier Manfred Richter-Reichhelm. Lobbyisten sind Multifunktionäre. In einer Erklärung der Berliner Ärzte heißt es: "Die Zahl der Insolvenzen der in Berlin rund 7.700 tätigen niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten wird weiter steigen." Weiter steigen? Wie viele sind es denn schon? Nach zwei Tagen Bedenkzeit weiß der Berliner Verband: fünf insolvente Praxen pro Jahr. Von 7.700. Weniger als ein Promille. Über die Konkursgründe ist nichts bekannt. Eine deutsche Arztpraxis ist mit Gesundheitsreformen nicht kleinzukriegen. Einzelhandelsgeschäfte gehen übrigens ungefähr 33-mal häufiger Pleite.
"Die arbeitenden Menschen sind das Selbstbedienungskartell der Ärzte leid", sagt Michael Sommer. Er hat die Jammerstrategie der Ärztefunktionäre durchschaut. Muss er auch. Er ist die Nummer eins im Lobbygeschäft und jammert als Vorsitzender in Diensten des DGB. Gewerkschaftsfunktionäre beanspruchen unter all den Funktionären eine Sonderrolle. Sie wollen zu jedem Thema gefragt werden. Und zwar zuerst. Dieses Selbstbewusstsein speist sich aus der Überzeugung, die Gewerkschaften verträten die Beschäftigten in diesem Lande. Also irgendwie alle. Doch nur rund 20 Prozent der Beschäftigten sind Mitglied in einer Gewerkschaft, Tendenz Projekt 18. Die anderen 80 Prozent haben sich dagegen entschieden.
In den vergangenen
Wochen ist es häufiger passiert: Da erdreistete sich Minister Wolfgang Clement, einen Reformvorschlag zu machen, ohne zuvor den 20 Prozent-Lobbyisten Sommer konsultiert zu haben. Dann startet das Ritual: Sommer lädt zur Pressekonferenz. Der DGB äußert sich zu so vielen Fragen, dass er zum Zwecke des täglichen medialen Widerspruchs schon einen eigenen Pressesaal eingerichtet hat. Sommers Bühne erinnert an den Raum, in dem George W. Bush zur Welt spricht. Ein Rednerpult mit einem Brett für die Mikrofonberge davor, im Hintergrund eine blaue Wand. Hier allerdings mit DGB-Logo. Mit den Augen der "Tagesschau" sieht der Gewerkschafter jeden Abend aus wie ein wichtiger Staatsmann.
An diesem Pult
sagt Sommer stets dasselbe: Njet! Natürlich mit der Eingangsfloskel: "Wir brauchen in diesem Jahr eine Vielzahl von Reformen." Clement schlägt eine Lockerung des Kündigungsschutzes in Kleinbetrieben vor: "Wer das mit den Gewerkschaften machen will, kriegt Ärger", droht Sommer. Lockerung des Ladenschlusses: "Rezepte von gestern." Kürzungen bei der Arbeitslosenhilfe: Njet.
Das Tabu aller Tabus für den Gewerkschaftsfunktionär ist der Flächentarifvertrag. Er gilt für alle Betriebe. Auch wenn wegen seiner Bestimmungen ein Unternehmen Leute entlassen muss. Auch wenn die Beschäftigten, der Betriebsrat und selbst die Gewerkschaftsmitglieder eines Betriebes sich mehrheitlich gegen den Vertrag aussprechen. Und dennoch sagt Sommer: "Die Flächentarifverträge bieten alle Möglichkeiten zu reagieren." Denn es gibt eine einzige Chance für eine Ausnahme vom Tarifvertrag: Die Funktionäre der Gewerkschaft erlauben es. Das machen sie auch gern und oft. Wozu also das Tabu? Hielte in den Betrieben plötzlich die Demokratie Einzug, dann könnte die Mehrheit entscheiden. Aber was würde aus den Funktionären der 20-Prozent-Minderheit?
Oberstes Interesse
des Interessenvertreters ist immer das Wohl des Apparats. Also das der Funktionäre. Also sein eigenes. Dann erst kommt der Schutz der Mitglieder: der Schutz derer, die im System sind, vor denen, die rein wollen. Sommer verteidigt den Kündigungsschutz. Das nützt denen, die bereits einen Job haben. Und erschwert Neueinstellungen, also die Jobsuche der Arbeitslosen. Geyer verhindert jede Sparmaßnahme bei denen, die bereits Beamte sind. Wodurch sich der Staat immer weniger neue Beamte leisten kann. Richter-Reichhelm steht einer Organisation vor, die über die Zulassung von Ärzten entscheidet. Die niedergelassenen Ärzte entscheiden also darüber, ob sie zusätzliche Konkurrenz zulassen. Oder nicht. Allermeistens nicht. Wenn Ärzte, Beamte oder Gewerkschaften für ihre Rechte aufstehen, dann handelt es sich um einen Aufstand der Habenden.
Die Jammermethode wird international. Am Fortschrittlichsten sind ausgerechnet die Bauern. Ihr Cheffunktionär ist Gerd Sonnleitner, Bauernpräsident Bayerns, Bauernpräsident Deutschlands und Vorsitzender der europäischen Bauernverbände. Für seine Landwirte zapft er die Geldströme direkt an der Quelle an, in Brüssel. Um die deutschen Volksvertreter kümmert er sich nur im Nebenberuf. Zum Beispiel im Januar auf der Grünen Woche in Berlin.
In Halle drei hat
Sonnleitners Bauernverband den "Erlebnisbauernhof" aufgebaut. Mehr als eine Woche ist der Betonbau erfüllt vom würzigen Aroma artgerechter Tierhaltung. Zartrosa Ferkel toben im Stroh. Kälbchen lecken Besucherhände. Fleckvieh kaut genüsslich Vollwertheu. Der Hühnerkäfig ist ein weitläufiges Paradies für ein Dutzend überglücklicher Tiere. Am Zaun posiert Sonnleitner lächelnd für Fotografen und Kamerateams.
Eine Idylle wie auf
dem Erlebnisbauernhof gibt es höchstens in der Werbung. Oder bei den ganz wenigen Ökobauern. Mit denen schmückt sich der Bauernpräsident. Tatsächlich bekämpft Sonnleitner diese Art der Landwirtschaft, wo immer es geht. Über eine Woche lang sitzt er in den Messehallen auf unzähligen Podiumsdiskussionen und in Pressekonferenzen. Und ständig polemisiert er gegen den "so genannten ökologischen Landbau", gegen "Bio, wie man das heute nennt" und gegen die "so genannte Agrarwende", die bislang nicht stattgefunden hat. Dank ihm. Als Lobbyist muss er den Wandel verhindern.
Zumal bei einem Berufsstand, der so massiv vom Jetztzustand profitiert, der so großzügig subventioniert wird. Nur, wie großzügig? 1,7 Milliarden Euro Finanzhilfen und Steuervergünstigungen im Jahr. So steht es in den Publikationen des Bauernverbandes. 7,7 Milliarden Euro, veröffentlicht das Verbraucherschutzministerium von Renate Künast. Beide haben Recht. Es kommt nur darauf an, was man dazurechnet. Zählt man ausnahmslos alles mit, auch die Ausgaben der EU, dann werden die deutschen Bauern insgesamt mit 14,4 Milliarden Euro subventioniert. Das Gestrüpp der Subventionen ist für keinen mehr zu durchschauen. Außer für Sonnleitner und seine Verbandskollegen.
Die Kompliziertheit
der Materie ist eine der wirkungsvollsten Waffen aller Funktionäre, von der sie ausgiebig Gebrauch machen. Für jede Regelung gibt es eine Ausnahme und eine Ausnahme von der Ausnahme. Jedes Argument kontert der Lobbyist mit einem neuen Gutachten - Ach, das kennen Sie nicht? - und unzähligen Zahlen und Details. Längst haben die Medien vor der Desinformationsstrategie der Interessenvertreter kapituliert.
Auch die Politik gesteht ihre Unterlegenheit ein. "Ist Ihnen aufgefallen, dass die Frau Künast bei ihrem Statement zu Beginn der Grünen Woche das Wort Agrarwende kein einziges Mal verwandt hat?", triumphiert Gerd Sonnleitner. Auch eine rot-grüne Regierung muss genau die Landwirtschaft finanzieren, deren Ablehnung zu ihren wenigen Überzeugungen zählt. Mit Milliarden Euro der Steuerzahler, die diese Landwirtschaft mehrheitlich ebenso ablehnen. Bis ins Jahr 2013 sind die Subventionen festgeschrieben. Sonnleitner hat gewonnen. Da lacht er: "Wir haben schon so viele Regierungen überlebt."
Sonnleitner, Geyer, Richter-Reichhelm
und Sommer sind die Stars der Lobbyszene. Sie sind Vorbilder. Von den Jammerprofis lernen heißt verhindern lernen. "Wir müssen auf den Putz hauen, Lärm machen, dann knicken die da oben ein. Sieht man doch, wie das läuft", sagt der Geselle des Sanitärhandwerks Albertus Stolle. Gerade haut er auf den Putz. Zusammen mit 7.000 anderen Handwerkern läuft er durch das verschneite Hannover.
Wie die heute Regierenden
vor drei Jahrzehnten, läuft Stolle zuerst eine gute Stunde hinter dem Demowagen her zur Kundgebung. Auf halbem Weg wird endlich auch der Sarg herangeschleppt, unverzichtbar bei jeder Demo. Was wird diesmal zu Grabe getragen? "Der Meisterbrief" steht auf der Kiste. Die Handwerker wehren sich gegen die Abschaffung des Meisterprivilegs. Minister Clement hat vorgeschlagen, dass künftig nicht mehr nur Handwerksmeister, sondern auch erfahrene Gesellen einen Betrieb gründen dürfen. Bislang ist das verboten.
"Ich habe gerade erst 30.000 Euro für diesen verdammten Meisterbrief hinlegen müssen. Nur, damit ich mich selbstständig machen kann", schimpft der Elektromeister Ralf Heidmann aus Diepholz. "Wenn das jetzt jeder Geselle kann, dann war das Geld doch für'n Arsch." Da mischt sich Albertus Stolle ein. "Hör doch auf. Jetzt biste Meister. Und? Kannste jetzt irgendwas, was ein guter Geselle nicht kann?" Heidmann bleibt stur: "Alles sollen sie ändern, aber das nicht."
Nahezu alle Wirtschaftsinstitute
und die Monopolkommission des Bundestages plädieren seit Jahren für eine Reform der Handwerksordnung. Doch keine Regierung hat sich das getraut. Denn der Zwang zum Meisterbrief ist das Tabu der Handwerker. Es schützt die bestehenden Betriebe vor Konkurrenz. Thomas Melles, Vorstand des Bundesverbandes der unabhängigen Handwerker (BUH), sagt: "Die Meisterprüfung wird von den Kammern zur Marktregulierung benutzt." Wenn es in einer Region schon viele Schlossereien gibt, dann lassen die Prüfer eben ein paar Kandidaten mehr durchfallen. Meistens sind die Prüfer gerade jene Meister, deren Betrieb durch die Neuen Konkurrenz bekäme. Fiele der Meisterzwang weg, so schätzt die OECD, könnte es in Deutschland bis zu 500.000 neue Selbstständige geben, die jeweils zwei bis drei Arbeitsplätze schaffen würden.
Am Ende ihrer Demo
stehen die Handwerker auf dem Opernplatz. Ganz normale Meister klettern auf die Bühne und rufen ihre Forderung nach entschlossenen Reformen ins Mikro. Konkret bedeutet das: "Finger weg von der Mehrbesteuerung von Firmenwagen!" "Finger weg von der Verschlechterung der Abschreibungsregelungen!" Finger weg, so lautet der Schlachtruf der deutschen Reformbewegung 2003. Und zur Verteidigung der Privilegien brauchen sie nicht mal mehr die Funktionäre aus Berlin. Die Lobbykratie ist bei den Menschen angekommen. Jeder wird zum Jammerprofi.