Das "Internationale Congress Centrum" (ICC) in Berlin ist - genau wie sein Name - schon ein wenig in die Jahre gekommen: Ein hässlicher Zweckbau, geplant in den 70er Jahren, eingekeilt zwischen Straßen, düster und muffig. Längst streitet die Politik über eine millionenschwere Sanierung oder Abriss und Neubau.
Wenn am Mittwoch dort Aktionäre, Vorstand und Aufsichtsrat der Daimler-Chrysler AG zur jährlichen Hauptversammlung zusammentreffen, müsste es eigentlich um ein ganz ähnliches Problem gehen: Die unternehmerische Ehe der beiden Autokonzerne Daimler und Chrysler ist ebenfalls in die Jahre gekommen. Aus der "Hochzeit im Himmel" zwischen schwäbischen Tüftlern und amerikanischen Marketing-Cowboys Ende der 90er Jahre, wie sie der frühere Daimler-Boss Jürgen Schrempp einst feierte, ist rasch eine unromantische Zweckheirat geworden.
Die Erfolge blieben aus
Schon bald ging es nicht mehr um die Liebe zweier Firmen zum Automobil, es ging um Synergien, um Milliardengewinne, um den Weltmarkt und die Abwehr der japanischen Autokonzerne Toyota, Nissan, Honda & Co. Die Erfolge blieben aus: Kosteneinsparungen wurden nie in großem Umfang realisiert, aus Milliardengewinnen wurden Milliardenverluste. Und der japanische Toyota-Konzern zog unbeeindruckt vom deutsch-amerikanischen Duo aus eigener Kraft vorbei und schickt sich an, zum größten Autohersteller der Welt zu werden. Der profitabelste ist er schon jetzt.
Doch im Gegensatz zum ICC ist bei Daimler-Chrysler die Zukunft längst entschieden, wenn auch nicht offiziell. Die millionenschweren Sanierungsversuche hat es längst gegeben. Genützt haben sie alle nichts. Chrysler schreibt rote Zahlen und dem Konzern gehen langsam die Spitzenkräfte aus, um die vielen Probleme zu lösen - im Management wie bei den Ingenieuren. Was bleibt ist der Abriss oder besser: die Scheidung.
Am liebsten nicht über das Thema reden
Auf der Hauptversammlung wollen Konzernchef Dieter Zetsche und der Aufsichtsratsvorsitzende Hilmar Kopper, der einst mit Zetsches Vorgänger Jürgen Schrempp die Chryslerfusion einfädelte, am liebsten nicht über das Thema Reden. Doch hinter den Kulissen laufen bereits die ernsthaften Verhandlungen, Chrysler zu verkaufen. Schon in einigen Wochen, so Insider, könnten wichtige Vorentscheidungen fallen. Die Börse hat den Vorgang längst abgesegnet - durch ein über 20-prozentiges Kursplus bei der Aktie.
Führende Anleger wollen sich heute erneut für einen möglichst schnellen Verkauf aussprechen. Sogar ein kleiner Gewinn scheint dabei möglich, denn die Interessenten bewerten den rote Zahlen schreibenden Chrysler-Teil des Unternehmens unerwartet hoch.
Einzig die physische Trennung vom ungeliebten Fusionspartner bereitet nach fast zehn Jahren der Gütergemeinschaft mehr Probleme als gedacht. Zwar hat das Paar nie die erwarteten Vorteile aus der Verbindung gezogen. Verflochten ist es doch auf vielerlei Weise: Technologien werden gemeinsam entwickelt und genutzt, Märkte zusammen erschlossen, Teile vereint eingekauft.
Wie am Ende der meisten Ehen bereitet die Aufteilung des Hausstandes Sorgen. Bis zur Rückbenennung in "Daimler-Benz AG", wie es der Würzburger Professor und Konzernkritiker Ekkehard Wenger jetzt fordern will, wird deswegen wohl noch einige Zeit vergehen.