Friedrich Wilhelm Goebel Justiz-Krimi um flüchtigen Karstadt-Retter und Ex-Aachener-Chef

Friedrich-Wilhelm Goebel im März 2023 vor einer neu eröffneten Aachener-Filiale in Koblenz
Friedrich-Wilhelm Goebel im März 2023 vor einer neu eröffneten Aachener-Filiale in Koblenz
© Imago Images
In Frankfurt wollte das Modehaus Aachener die ehemalige Karstadt-Filiale wiederbeleben. Nun ist Aachener insolvent – und der ehemalige Geschäftsführer auf der Flucht.

 

Er galt als Retter der Frankfurter Karstadt-Filiale: Friedrich Wilhelm Goebel. Mit seinem Modehaus Aachener übernahm der Geschäftsführer im Sommer sieben Standorte der damals insolventen Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof. Bis dahin gehörte die Frankfurter Filiale René Benko und seiner Firmenholding Signa, die inzwischen Insolvenz angemeldet hat. Viele der Beschäftigten setzten damals ihre Hoffnungen auf Goebel, denn er wollte allen ein Übernahmeangebot machen, "ohne Ausnahme" – und das Kaufhaus bis Oktober wiedereröffnen. Doch Anfang Dezember steht ein Großteil des Gebäudes auf der Zeil, Frankfurts größter Einkaufsstraße, immer noch leer. Mittlerweile ist Aachener selbst insolvent – und Goebel auf der Flucht vor den Behörden.

Auf den Fensterscheiben der ehemaligen Karstadt-Filiale prangen nach wie vor zwei große Werbeplakate mit den Aufschriften "Herbst 2023 Neueröffnung" und "Frankfurt wir freuen uns auf dich!". Doch die einzige Konstante in dem schwarz-weiß gestreiften Gebäude ist ein selbstständiger Supermarkt für asiatische Lebensmittel im Untergeschoss. Statt dem "Aachener Department Store", wie die Neueröffnung heißen sollte, verkauft die TEH Textilhandel GmbH im Erdgeschoss Sportartikel. Aachener ist die Marke der TEH. Sie steht als GmbH hinter dem Modehaus, das erst seit 2022 besteht.

Wie es nach dem Insolvenzantrag mit der Aachener Filiale in Frankfurt weitergeht, ist völlig offen. Auf eine entsprechende Anfrage von Capital reagierte die Pressestelle des Unternehmens nicht. Der Mietvertrag läuft bis Ende 2025. Was die Insolvenz der TEH für die Beschäftigten an den übernommenen Standorten wie Frankfurt bedeutet, darauf gab TEH keine Antwort; genauso wenig wie auf die Frage, ob das Unternehmen Kenntnis über den Aufenthalt seines flüchtigen Ex-Geschäftsführers Goebel hat oder mit ihm in Kontakt steht. Anfang November hatte dieser sich zuletzt mit einer E-Mail an die Mitarbeitenden gewendet. Der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" hatte er mitgeteilt, er halte an den Plänen für die Zeil fest und wolle zum 23. November eröffnen.

Untergetaucht und per Haftbefehl gesucht

Klar ist: Goebel hinterlässt einen Scherbenhaufen, den sein Nachfolger Oliver Nobel nun zusammenkehren muss. Aachener hievte ihn Ende November ins Amt. Nach nur wenigen Tagen erklärte Nobel am 24. November das Modehaus für insolvent. Den mehr als 360 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schreibt er in einem Brief, aus dem das "Handelsblatt" zitiert: "Nach aktuellem Stand der Dinge ist nicht mehr sichergestellt, dass wir fällige Verbindlichkeiten noch termingerecht und vollständig begleichen können." 

Nobel ist Rechtsanwalt in Frankfurt und auf die Restrukturierung von Unternehmen spezialisiert. Zusammen mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter Christoph Schulte-Kaubrügger muss er Aachener nun durch das Desaster manövrieren. Nobel kennt sich mit schwierigen Fällen aus: Mit seiner Kanzlei Görg berät er unter anderem den insolventen Projektentwickler Gerch und half beim Verkauf der Real Supermärkte.

Sein Vorgänger Goebel bleibt derweil untergetaucht und wird per Haftbefehl gesucht, nachdem er Anfang November nicht zu einem Gerichtstermin im nordrhein-westfälischen Hagen erschienen war. Dem 60-jährigen Manager wird vorgeworfen, im Jahr 2020 falsche Angaben zu seinem Vermögen gemacht und bei einer eidesstattlichen Versicherung gelogen zu haben. Wie die "Bild"-Zeitung berichtet, soll er gegenüber einem Gerichtsvollzieher sein Einkommen von 8300 Euro um 1000 Euro niedriger angegeben haben, als dieses tatsächlich war. Darüber hinaus soll er verneint haben, seiner damaligen Ehefrau 2018 eine Villa in Kitzbühel für 4,7 Mio. Euro überschrieben zu haben. 

Nächste Gerichtsverhandlung am 14. Dezember

Es ist nicht das erste Mal, das Goebel mit dem Gesetz aneinander gerät. Weil er wiederholt vorsätzlich ohne Führerschein unterwegs war, verurteilte ihn ein Gericht erst auf Bewährung und laut "Bild" im November 2022 dann sogar zu einer Gefängnisstrafe – die Goebel aber nie antrat. Unklar ist überdies, wie Goebel sich eigentlich genau schreibt: Im Handelsregister wird er als Friedrich Wilhelm Goebel geführt, es existiert aber auch die Schreibweise Friedrich-Wilhelm Göbel. 

Am 14. Dezember ist er nun um 11 Uhr in einem weiteren Verfahren vor dem Amtsgericht Dortmund geladen. Die Staatsanwaltschaft klagt ihn wegen des Verstoßes gegen das GmbH-Gesetz an. Goebel hatte die TEH Textilhandel GmbH Mitte November 2021 mit einem Stammkapital von 25.000 Euro gegründet. Bei der Firmenanmeldung am 20. Oktober hatte er dem Amtsgericht versichert, in den letzten fünf Jahren keine wirtschaftlichen Verfehlungen begangen zu haben. Im Juli 2017 wurde er jedoch vom Amtsgericht München wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung zu einer Geldstrafe verurteilt. Dass Goebel Mitte Dezember im Dortmunder Gerichtssaal 1.103 auftaucht, ist eher unwahrscheinlich.

Der ehemalige Karstadt auf der Frankfurter Zeil sollte zum Aachener Department Store werden
Der ehemalige Karstadt auf der Frankfurter Zeil sollte zum Aachener Department Store werden. Doch ob das jemals passiert, ist unklar – denn nun ist Aachener insolvent
© Christoph Gollnow / DPA

Für Goebels Geschäftspartner wird der Justiz-Krimi um den Ex-Aachener-Chef zur Hängepartie: Torsten Altenscheidt zum Beispiel ist Geschäftsführer von TEHs einziger Gesellschafterin, der ALA Beteiligungs GmbH. Sie hält alle Anteile an TEH und damit am Modehaus Aachener. Der Manager zählt laut seinem LinkedIn-Profil selbst zum führenden Management-Team bei TEH, verantwortet dort als Chief Financial Officer (CFO) die Finanzen der Modekette. Auf eine Anfrage von Capital zum möglichen Ausgang und den Auswirkungen der TEH/Aachener-Insolvenz antwortet Altenscheidt, das vorläufige Insolvenzverfahren sei "noch nicht einmal zwei Wochen alt". Deshalb verbietet sich "jede Spekulation über die zukünftige Entwicklung".

"Ich kann Ihnen aber versichern, dass die Geschäftsführung, der vorläufige Insolvenzverwalter und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der TEH alles daransetzen, den Interessen der Gläubiger der TEH und allen anderen interessierten Parteien" – unter anderem Lieferanten, Vermieter und Mitarbeiter – "bestmöglich gerecht zu werden", so Altenscheidt. Ob er in Kontakt mit seinem flüchtigen Geschäftspartner Goebel steht, wollte er nicht sagen. "Die Geschehnisse, die die Situation von Herrn Göbel aktuell bestimmen, haben Ihren Ursprung ausschließlich im privaten Bereich und liegen einige Jahre zurück", schreibt Altenscheidt.

Ehe-Fehde der Goebels

Altenscheidt und Goebel kennen sich noch aus ihrer Zeit bei der Modekette Sinn. Altenscheidt war dort nach eigenen Angaben von Oktober 2017 bis August 2021 kaufmännischer Geschäftsführer. Beim insolventen Vorgängerunternehmen SinnLeffers arbeitete er zwischen 2011 und 2013 als Prokurist. Goebel wiederum war seit 2013 bei SinnLeffers, übernahm den insolventen Laden später sogar mit seiner Frau Isabella Goebel. Doch nur wenige Jahre später trennte sich das Paar. Was folgte, ist eine Ehe-Fede in großem Stil, wie das "Manager Magazin" schreibt. 

Demnach schasste Isabella Goebel im August 2021 ihren Ex-Mann und bis dato Firmenchef Friedrich Wilhelm. Finanzchef Altenscheidt musste ebenfalls gehen. Er erfuhr im Urlaub von seinem Rauswurf. Nach der privaten wie beruflichen Trennung der Goebels reklamierten beide das Unternehmen für sich. Per Vertrag gehört es jedoch Isabella Goebel. Es war in dieser Zeit, als Friedrich Wilhelm Goebel mit Aachener den Plan fasste, eine eigene Handelskette aufzubauen. Laut "Manager Magazin" warb er dafür Mitarbeiter und Vermieter von Sinn ab und verunsicherte Geschäftspartner. Insgesamt rund 2000 Beschäftigte der beiden Firmen Sinn und Aachener drohten "Opfer einer brutalen Fehde zu werden". Darunter könnte wohl bald auch die Frankfurter Filiale samt ihren Mitarbeitenden fallen.

Hinweis: Der Artikel erschien zuerst auf Capital.de.

tis