Die Bundesregierung steuert im Zuge der Ökostrom-Reform auf ein Zerwürfnis mit der EU-Kommission zu. Die Brüsseler Wettbewerbsbehörde stelle die Förderung erneuerbarer Energien über eine Umlage grundsätzlich infrage, heißt es in einem Vermerk des Bundeswirtschaftsministeriums, der der Nachrichtenagentur Reuters vorlag. Ein Kompromissvorschlag der EU hier müsse abgelehnt werden, heißt es in dem Papier. In drei weiteren Punkten verlangt die EU unter anderem milliardenschwere zusätzliche Abgaben der Industrie für den Ökostrom. Die Regierung zeigt sich dabei zu Änderungen an ihrem Gesetzentwurf zum Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) bereit.
Regierung und Parlament kommen so allerdings unter massiven Zeitdruck: Noch am Dienstag müssten die Fraktionen in Sondersitzungen die Wünsche der Kommission einarbeiten, da sonst die Frist der EU auslaufe. Billige sie aber das Vorhaben nicht, könne die deutsche Industrie ihre ebenfalls im EEG verankerten milliardenschweren Rabatte auf die Kosten der Ökostrom-Förderung nicht beantragen. Diese würden für 2015 so auch nicht gewährt werden können, warnt das Wirtschaftsministerium.
Überraschend neue Forderungen aus Brüssel
Das Papier ist eine Zusammenfassung des Besuchs von Staatssekretär Rainer Baake in Brüssel bei Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia. Er hat sowohl die deutsche Ökostrom-Umlage als auch die Ausnahmen der Industrie von der Zahlung seit längerem im Visier und hat auch ein Beihilfeverfahren gegen Deutschland eröffnet. Eigentlich galt der Streit mit der EU jedoch bereits als beigelegt. Überraschend für die Bundesregierung kamen nun kurz vor Beschluss der EEG-Novelle neue Forderungen aus Brüssel.
So verlange die EU, importierten Strom aus dem Ausland von der Umlage auszunehmen, was bisher nicht der Fall gewesen und rechtlich nicht umsetzbar sei. Aus Sicht der Kommission sei die Umlage auf dem Strompreis "praktisch eine zollgleiche Abgabe" und verstoße daher gegen das Prinzip des freien Binnenmarkts. "Diese Argumentation sei erst jetzt vorgetragen worden und stelle eine umlagefinanzierte Förderung der erneuerbaren Energien grundsätzlich in Frage", heißt es in dem Papier. Der Vorschlag der Kommission, zumindest einen Anteil des Stroms zu befreien, sei auch rechtlich nicht umsetzbar. Dies werde daher abgelehnt.
Gewerbe und Handel sollten Hälfte zahlen
Kompromissbereitschaft wird dagegen in drei weiteren Punkten signalisiert: So verlange die Kommission deutlich höhere Abgaben auf selbst produzierten Strom in eigenen Kraftwerken. Gut ein Viertel des Industriestroms wird so erzeugt. Im EEG-Gesetzentwurf ist vorgesehen, dass bestehende Kraftwerke (Altanlagen) weiter von der Umlage befreit bleiben sollen. Dies akzeptiert die Kommission nur bis Ende 2016. Danach müsse eine neue Regelung gefunden werden.
Neue Kraftwerke sollten dem Bund zufolge mit 15 Prozent der Umlage belegt werden, sofern sie für die Industrie produzieren. Alle anderen - also etwa Gewerbe und Handel - sollten die Hälfte zahlen. Die Regelung für die Industrie will die EU nun aber nur für solche Betriebe billigen, die als stromintensiv gelten. Alle übrigen müssten die volle Umlage zahlen.
Eine Milliarde Mehrkosten für Kohleindustrie
Abgelehnt wird von der EU zudem eine geplante Gesetzespassage, wonach in der Vergangenheit von der Umlage befreite Unternehmen, die nach neuen Kriterien dies nicht mehr sind, nur ein Fünftel der Umlage zahlen sollen. Die Kommission will jetzt, dass bis 2018 der volle Betrag fällig sein müsse. Dies würde wohl allein für den deutschen Kohlebergbau bis zu einer Milliarde Euro Mehrkosten bedeuten, da etwa Braunkohlebagger über Strom aus eigenen Anlagen versorgt werden. Die Kohleindustrie ist nicht mehr als stromintensiv klassifiziert.
Auf Widerstand bei der Kommission stößt zudem, dass Ökostrom-Anlagen selbst in jenen Zeiten gefördert werden, wo es an der Strombörse negative Preise gibt - also für die Abnahme gezahlt wird. Dies ist allerdings noch relativ selten der Fall und gilt daher als lösbarer Punkt. Sollten Wirtschaftsausschuss und Fraktionen am Dienstag auf die Forderungen der EU eingehen, könnte das Gesetz wie geplant noch am Freitag beschlossen werden. Zahlreiche Änderungswünsche aus Bundestag und Ländern würden so aber nicht mehr berücksichtigt.