Die von Arbeitslosigkeit bedrohten Beschäftigten des Bochumer Nokia-Werks können auf EU-Hilfen hoffen. "Ich verstehe die Betroffenheit der Menschen in Bochum", sagte EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso der "Wirtschaftswoche". "Gerade weil wir auch um die Härten von Veränderungsprozessen wissen, stehen unser Sozial- und unser Globalisierungsfonds in Fällen zur Verfügung, in denen die Mitgliedstaaten solche Veränderungen nicht allein auffangen können."
Dagegen berichtete die "Bild"-Zeitung unter Berufung auf Regierungs- und Kommissionskreise, die Bochumer Nokia-Beschäftigten könnten vorerst keine finanzielle Hilfe aus Brüssel erwarten. Die Bundesregierung könne kein Geld aus dem Globalisierungsfonds beantragen, weil die Werksverlagerung nach Rumänien innerhalb der EU passiere. EU-Hilfen seien, wenn überhaupt, nur über den Umweg der EU-Sozialfonds möglich.
Für Barroso trägt die europäische Förderpolitik keine Schuld an der Verlagerung der Bochumer Nokia-Produktion in den Osten. Dafür gebe es keine Förderung, sagte Barroso laut "Wirtschaftswoche". "Richtig ist, dass wir die Infrastruktur in wirtschaftlich weniger entwickelten oder benachteiligten Regionen fördern. Auch in Deutschland", sagte Barroso.
Zeitung: Erste Entlassungen ausgesprochen
Im von der Schließung bedrohten Werk in Bochum gab es offenbar schon die ersten Entlassungen. Zahlreiche Leiharbeiter erhielten von ihren Firmen die Kündigung oder sollen in den kommenden Tagen entlassen werden, berichtet die "Westfälische Rundschau" in ihrer Samstagsausgabe. Mehrere Angestellte der Zeitarbeitsfirma Randstad erhielten nach Informationen der Zeitung am Freitag ihre Kündigungen. Insgesamt arbeiten 500 Randstad-Mitarbeiter im Bochumer Werk. Eine Randstad-Sprecherin bestätigte die Entlassungen offiziell nicht. Allerdings könne sie "nicht ausschließen, dass es erste Kündigungen gegeben habe". Auch bei der Zeitarbeitsfirma Adecco, die den Angaben zufolge mit rund 500 Angestellten bei Nokia vertreten war, drohen erste Kündigungen. Eine Sprecherin von Adecco sagte der Zeitung, in den nächsten Tagen würden die ersten von ihnen gekündigt. Die beiden Zeitarbeitsfirmen hätten nicht angeben wollen, wie viele ihrer Mitarbeiter insgesamt gekündigt werden sollen.
Nokia verteidigt Schließung
Die Nokia-Konzerleitung hat ihr Vorgehen verteidigt. Nokia-Vorstand Juha Äkräs sagte der "Wirtschaftswoche", das Werk in Bochum sei schon recht alt, "wir hätten jetzt noch einmal investieren müssen". Da in Rumänien ohnehin neue Kapazitäten aufgebaut würden, habe man sich gegen weitere Investitionen in Deutschland entschieden. "Wir müssen sehen, wo es für uns am günstigsten ist", erklärte Äkräs. Dem Magazin "Focus" sagte er, in Rumänien arbeiteten die Menschen für ein Zehntel der deutschen Entgelte. "Selbst wenn sich die Löhne in den kommenden Jahren verdoppeln oder verdreifachen, lohnt sich das."
NRW setzt auf weitere Gespräche mit Nokia
Die nordrhein-westfälische Landesregierung setzt darauf, in weiteren Gesprächen mit dem Nokia-Management Perspektiven für die Beschäftigten des vor der Schließung stehenden Bochumer Werks ausloten zu können. "Das Treffen am Freitag war ein erstes Gespräch", sagte Wirtschaftsministerin Christa Thoben am Samstag der Nachrichtenagentur Reuters in Düsseldorf. Zum Inhalt des Treffens in Berlin, an dem neben Thoben auch Vertreter der Bundesregierung teilgenommen hatten, wollte die Ministerin unter Hinweis auf vereinbartes Stillschweigen nichts sagen. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers sagte, er sei froh, dass es ein erstes Treffen gegeben habe. Weitere würden folgen.
Beck ruft zum Boykott auf
Angesichts der geplanten Schließung des Nokia-Werks in Bochum fordern immer mehr Politiker die Verbraucher zum Boykott des finnischen Handy-Herstellers auf. SPD-Chef Kurt Beck sagte der "Bild am Sonntag", ihm komme kein Nokia-Handy mehr ins Haus. Deutschland habe 82 Millionen Verbraucher, "wir alle können gemeinsam deutlich machen, dass wir uns nicht vorführen lassen". Man müsse den Verantwortlichen bei Nokia klarmachen, was sie täten, betonte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident. Der Lohnkostenanteil bei der Handyproduktion liege unter fünf Prozent. "Wer da die Lohnhöhe als entscheidenden Grund für eine Standortverlagerung nennt, nachdem er 90 Millionen Euro Subventionen kassiert hat, verschweigt, dass es ihm nur um höhere Rendite geht."
Die überraschend angekündigten Pläne des finnischen Konzerns für ein Ende des Standorts in Nordrhein-Westfalen haben einen Proteststurm ausgelöst. Das Land prüft zurzeit, ob es 41 Millionen Euro Subventionen von den Finnen zurückzuverlangen kann.