Für Guido Westerwelle wird der 8. Februar 2004 ein besonders einträglicher Tag. Dann sitzt er seit acht Jahren im Bundestag, und damit klingelt für ihn die Rentenkasse. Und zwar ordentlich: 1682 Euro Pension pro Monat stehen dem FDP-Chef nach seinem 65. Geburtstag zu - das sind rund 500 Euro mehr, als ein Durchschnittsverdiener in 45 Arbeitsjahren an Rentenansprüchen erwerben kann. Und es kommt noch besser: Mit jedem weiteren Jahr im Parlament gibt's mehr Ruhegeld, und das jeweils ein Jahr früher.
Das Kuriose ist: Westerwelle, 41, findet die Kasse, die er im Alter auf Steuerzahlerkosten machen darf, überhaupt nicht klasse. Er will die Staatsknete auch gar nicht haben. Abgeordnete, sagt er, könnten "wie Freiberufler selbst Vorsorge für ihr Alter treffen". Erstens verdienten sie reichlich. Und zweitens sei die Zeit reif, mit gutem Beispiel voranzusparen: Wer Renten kürze und nicht bei sich anfange, "verhält sich unanständig und unmoralisch".
Im nächsten Jahr gibt es eine "Nulldiät"
Das scheint inzwischen auch die rot-grüne Koalition begriffen zu haben. Sie will die Einschnitte, die sie Rentnern zumutet, auf Politiker übertragen. Im kommenden Jahr sollen die Abgeordneten auf eine Erhöhung ihrer Entschädigung verzichten; diese "Nulldiät" (so SPD-Fraktionsmanager Wilhelm Schmidt) wirkt sich als Nullrunde bei den Pensionen aus. Zudem werden auch die Politrentner künftig wohl einen größeren Teil der Beiträge zur Pflegeversicherung selbst zahlen müssen. "Wir sollten uns genauso behandeln, wie wir andere Bürger auch behandeln", hat Bundestagspräsident Wolfgang Thierse als Devise ausgegeben.
Koalition der Verzichtler
Das klingt gut, ist jedoch nur das Mindeste, was man erwarten kann - und sehr weit von jener grundlegenden Neuordnung der Alterssicherung von Politikern entfernt, die dringend nötig ist und von einer großen Koalition der Verzichtler unter jüngeren Abgeordneten gefordert wird. So schlägt der SPD-Netzwerker Hans-Peter Bartels vor, der Bund könne einfach für die Parlamentarier die Beiträge an die zuständigen Renten- und Pensionskassen und Versorgungswerke weiter zahlen; schließlich sei ein Politiker "kein Lebenszeitbeamter, dessen amtsangemessener Lebensstandard im Alter zu sichern wäre".
Genau das aber ist die gängige Praxis und das Grundübel im System: "Grotesk" findet der Parteienkritiker Hans-Herbert von Arnim, wie viel Politiker sich für ihre Nachdienstzeit herausnehmen. "Zu schnell, zu früh, zu viel" würden sie sich genehmigen. "Obszön" nennt der einstige grüne Abgeordnete Oswald Metzger die eigene Überversorgung und die seiner Ex-Kollegen.
Zwar verdienen Kanzler, Minister und Abgeordnete oft weniger als Sparkassendirektoren, dafür halten sie sich an den Ruhegeldern schadlos. Rund 13.000 Euro kann Altkanzler Helmut Kohl Monat für Monat nach Berechnungen des Bundes der Steuerzahler für sein Wirken am Gemeinwesen beziehen; Nachfolger Schröder genießt bereits Anspruch auf 8.303 Euro Altersentschädigung, sein unscheinbarer Staatsminister Rolf Schwanitz hat bereits eine künftige Pension von 5.837 Euro erhuscht. Finanzminister Hans Eichel bringt es gar auf 11.635 Euro.
Forderung: Höhere Diäten, keine Altersversorgung
Oswald Metzger rät deshalb zu einem radikalen Systemwechsel beim Abgeordnetensalär: "Zahlt den Leuten 10.000 oder 11.000 Euro im Monat und schafft sämtliche Altersversorgungsansprüche aus öffentlichen Kassen ab." Mit einer doppelt so hohen Diät wie bisher biete man guten Leuten aus der Wirtschaft einen Anreiz, zeitweise in die Politik zu wechseln. Und: "Diese Überversorgung im Alter ist weg."
Im Prinzip gibt es auch in den Fraktionsspitzen von SPD und CDU/CSU Sympathien für die vernünftige Gleichung: maßvoll höhere Diäten und Ministergehälter gegen geringere Pensionen. Die Idee scheitert freilich an der Angst vor der eigenen Courage und dem Unwillen der Bürger. "Es ist derzeit nicht möglich, höhere Diäten durchzusetzen", wiegeln führende Politiker beider Fraktionen ab. Möglicherweise müsse man "in Schritten" vorgehen, sagt SPD-Mann Wilhelm Schmidt.
Noch eine Kommission? Nein, danke
Immerhin in einem Punkt zeigt wenigstens Wolfgang Thierse richtig Mut. Noch eine Kommission, wie von der FDP zur Neuregelung der Diäten und Pensionen gefordert - nein danke. Das sei "nicht zielführend". Die notwendigen Gesetze, argumentiert der Chef-Parlamentarier, "müssen wir ohnehin selbst fassen. Auch politisch müssen wir sie verantworten. Das nimmt uns niemand ab."
Egal wie es kommt: Fein raus ist auf jeden Fall Johannes Rau. Wenn der nächstes Jahr aus dem Amt scheidet, erhält er keine Pension, sondern einfach sein Salär, derzeit 21.9000 Euro jährlich, als "Ehrensold" weiter bis ans Lebensende. Einmal Präsident, immer Präsident - dieser Grundsatz gilt für ihn wie für seine Vorgänger Roman Herzog, Richard von Weizsäcker und Walter "Goldkehlchen" Scheel: Aaaaber der Ruuubel, der rollt.