Deutschlands Drogerieketten haben namhaften Herstellern den Kampf angesagt. Wie die "Lebensmittelzeitung" berichtet, hat die Drogeriekette Müller beim Landgericht Stuttgart eine Schadenersatzklage gegen Beiersdorf, Erdal-Rex, Gillette, GlaxoSmithKline, L’Oréal und Procter & Gamble eingereicht. Der Vorwurf wiegt schwer: Die Hersteller von Drogerieartikeln sollen illegal Preise und Rabatte abgesprochen haben. Der Streitwert belaufe sich auf rund 30 Millionen Euro, so die "Lebensmittelzeitung". Müller will sich zu dem Vorgehen nicht äußern. Doch allein ist die Drogeriekette mit diesem Schritt nicht - schon zum Jahreswechsel hatte auch Rossmann Klage eingereicht. 14 Unternehmen aus dem Süßwaren- und Drogeriebereich sollen betroffen sein, unter anderem Haribo, Katjes, Mars, Mondelez, Storck und Zentis sowie Reckitt Benckiser (Konzern hinter Durex, Calgon, Vanish, Air Wick, Sagrotan und weiteren Marken).
Die Klagen der Drogerieketten sind keine Einzelfälle. Seit Jahren beschäftigen sich die Wettbewerbshüter regelmäßig mit dem "Drogeriekartell". Ursprung der aktuellen Klagen ist das Vorgehen des Bundeskartellamts gegen einige Hersteller im Jahr 2013. Gegen sechs deutsche Hersteller von Drogerieartikeln sowie gegen den Verein Markenverband e.V. wurden damals Bußgelder in Höhe von 39 Millionen Euro verhängt. Mit den Bescheiden sei das Verfahren gegen insgesamt 15 "führende Markenartikelhersteller" abgeschlossen, hieß es damals bei den Wettbewerbshütern. Über drei Jahre lang hatten die Unternehmen widerrechtlich Informationen ausgetauscht, um den Wettbewerb im Drogeriemarkt zu beeinflussen.
Rossmann, Müller und Schlecker gegen das Drogeriekartell
Die Schritte von Rossmann und Müller fußen auf dieses Bußgeldverfahren. Das Gericht solle feststellen, ob Rossmann durch die damaligen Preisabsprachen ein finanzieller Schaden entstanden sei, so die "Lebensmittelzeitung". Rossmann fordert Entschädigung in Millionenhöhe - und steht damit nicht allein. Auch der Insolvenzverwalter von Schlecker, Arndt Geiwitz, fordert Geld von den Herstellern. Um 187 Millionen Euro soll es gehen. "In Insolvenzverfahren war es bisher unüblich, Kartellanten auf Schadensersatz zu verklagen", sagte Geiwitz dem "Handelsblatt". "Wir versprechen uns davon aber sehr viel. Die Kartelle sind eindeutig belegt und das Bundeskartellamt hat entsprechende Bußgelder verhängt." Er will beweisen können, dass auch Schlecker überhöhte Preise gezahlt habe. Sollte Geiwitz sich mit seinen Forderungen durchsetzen können, können sich die ehemaligen Schlecker-Mitarbeiter wieder Hoffnungen auf Entschädigung machen.
Verbraucher sollen künftig gegen Kartelle vorgehen können
Der Grund, warum die Drogerieketten Müller und Rossmann nun so zeitnah gegen die Preisabsprachen vorgehen, könnte eine drohende Verjährung sein, so die "Lebensmittelzeitung". Doch es gibt noch einen weiteren Grund: Auch Verbraucher sollen die Möglichkeit bekommen, kartellrechtliche Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Das setzt die Hersteller unter Druck, denn theoretisch kann jeder Gummibären-Tüten-Käufer Haribo wegen illegaler Preisabsprachen zur Verantwortung ziehen. Doch das Verfahren könnte sich dadurch für Händler deutlich erschweren, berichtet die "Lebensmittelzeitung". Also preschen die Firmen nun vor.
Weitere Klagewelle vermutet
Allein beim Landgericht Stuttgart seien im vergangenen Quartal insgesamt 23 Kartellschadensklagen eingegangen, so die Zeitung. Auch Kaufland habe Ansprüche gegen das Zuckerkartell erhöht. Die Wettbewerbshüter hatte Südzucker, Nordzucker und Pfeifer & Langen, Hersteller von Diamant-Zucker, wegen Gebiets-, Mengen- und Preisabsprachen zu Bußgeldzahlungen in Höhe von insgesamt 280 Millionen Euro verdonnert.
Das boomende Geschäft mit den Kartellschäden
Klar ist: In fast allen Industriezweigen gibt es Geschäfte mit illegalen Preisabsprachen. Doch das Bundeskartellamt geht streng gegen diese Praktiken vor - und die Geschädigten können durch die Kartellschäden Geld verdienen. So sei eine regelrechte Industrie zur Durchsetzung von Ansprüchen entstanden, sagte Justus Haucap, ehemaliger Vorsitzender der Monopolkommission, der "Lebensmittelzeitung". Wer sich beispielsweise mit dem Zuckerkartell in Deutschland befasst, stolpert im Netz schnell über die Seite "Zuckerkartell.de". Dort gibt es nicht nur Infos, sondern auch spezielle Angebote für Geschädigte. "Weitere potentielle Geschädigte" können "in den Kreis der Auftraggeber des Gutachtens" aufgenommen werden, um eine "individualisierte Schadensberechnungen vorzunehmen", heißt es. Kurz: Ein professionelles Gutachten soll darlegen, in wie weit man von dem Zuckerkartell geschädigt wurde. Und das Kartellseit Monaten mit einer Klagewelle überzogen wird, braucht man nur beim Gutachten einsteigen. Durchgeführt wird die Untersuchung vom renommierten Wirtschaftswissenschaftler Roman Inderst. Die Seite selbst wird von Rechtsanwälten betrieben.