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Schuldenkrise Europa in der Schockstarre

Die Drohung von S&P, die Kreditwürdigkeit von 15 Euroländern, darunter Deutschland, herabzustufen, sorgt für Wirbel. Doch die Märkte bleiben ruhig. Sie wissen längst, wie es um die Eurozone steht.
Von Friederike Ott

Die Drohung der US-Ratingagentur Standard & Poors, die Kreditwürdigkeit nahezu aller Euro-Länder herunterzustufen, darunter auch die Deutschlands, hat für viel Wirbel und Kritik gesorgt. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker wetterte, die Einschätzung der Agentur sei maßlos und überzogen. Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy gaben sich zwar betont gelassen, doch auch sie dürften wenig erfreut darüber sein, dass die Einschätzung der Agentur unkontrolliert in die Öffentlichkeit sickerte.

Dennoch: Die Finanzmärkte reagierten relativ gelassen auf die Drohung. An den Börsen sorgte sie zwar zunächst für Verluste, doch im Laufe des Vormittags beruhigten sie sich wieder, der Euro notierte im Plus.

Das zeigt: Die Ankündigung kam nicht überraschend. Wie dramatisch die Situation in der Eurozone ist, ist den Investoren nicht entgangen. Die Märkte haben die Risiken bereits eingepreist. "Die Ratingagenturen spiegeln in erster Linie das wider, was an den Märkten los ist", sagt Kai Carstensen, Konjunkturexperte am Münchner ifo-Institut zu stern.de.

Griechen heben Erspartes ab, Banken parken Geld bei EZB

S&P hatte den Schritt am Montagabend damit begründet, dass die Probleme in der Eurozone ein Maß erreicht hätten, das die Zone als Ganzes unter Druck setzt. Die Ratingagentur nannte auch das ihrer Meinung nach unkoordinierte und unentschlossene Handeln der Politiker als Grund für die Abwertung.

Um das zu erkennen, hätte man nicht die Einschätzung von S&P gebraucht. Die Lage am europäischen Geldmarkt hat sich zuletzt dramatisch zugespitzt.

Immer mehr europäische Banken parken ihr Geld über Nacht bei der Europäischen Zentralbank – aus Angst, dass es am nächsten Morgen nicht mehr sicher sein könnte.

Die Griechen heben ihr Erspartes von ihren Konten ab – aus Angst, das Bankensystem könnte zusammenbrechen.

"Drohende Herabstufung ist ein Warnschuss"

Die Zinsen belgischer, französischer und finnischer Staatsanleihen klettern auf Rekordstände, obwohl sie eine hohe Bonität haben. Das Vertrauen in die Stabilität Europas schwindet.

Und auch an die Kreditwürdigkeit Deutschlands glauben die Investoren offenbar nicht mehr uneingeschränkt.

"Die drohende Herabstufung ist ein Warnschuss", sagt Carstensen vom ifo-Institut zu der Ankündigung der Ratingagentur, die inzwischen auch damit droht, den Euro-Rettungsfonds EFSF herabzustufen. "Deutschland kann nicht beliebig hohe Garantien übernehmen, ohne dass die Bonität leidet. Deutschland ist zudem kein Land mit einer niedrigen Verschuldungsquote."

Und was, wenn die Ratingagenturen ernst machen und die Länder der Eurozone herabstufen?

"Sie müssen die bitteren Pillen schlucken"

"Es hätte für den Rettungsfonds die Konsequenz, dass er nicht mehr die Top-Bonität 'AAA' hätte", sagt Carstensen. Das sei ein Signal an die Länder, die von der Stabilität Deutschlands und Frankreichs profitieren wollen. "Sie müssen sich zu Reformen durchringen und die bitteren Pillen schlucken", so der Konjunkturexperte.

Dennoch: Der Vorfall um die Ratingagentur S&P zeigt einmal mehr, wer das Sagen hat: Die Finanzmärkte und damit auch die Ratingagenturen und sie setzen die Politik unter Druck. So munkelt man auch in Regierungskreisen, der Zeitpunkt der Veröffentlichung erscheine politisch motiviert. Ende der Woche finden entscheidende Gipfeltreffen der 27 Mitgliedstaaten der EU statt.

Immerhin steigt so aber auch der Druck, dass auf dem Gipfel endlich Beschlüsse zur Stabilisierung der Währung fallen. Bleibt noch zu hoffen, dass irgendwann auch die Finanzmärkte gezügelt werden, damit eine solche Krise nicht noch einmal entsteht.

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