Die Stimmung an Europas Staatsanleihemärkten könnte zum Jahreswechsel kaum fragiler sein. Beobachter sind hin- und hergerissen zwischen Horrorszenarien eines Euro-Zusammenbruchs und der vagen Hoffnung darauf, dass die Schuldenkrise irgendwie gelöst wird. Dass sich eine der beiden Extremprognosen tatsächlich erfüllt, glauben viele Kenner allerdings nicht. Überhaupt mag sich kaum jemand vorstellen, welche Folgen ein Ende des Euro nach sich ziehen würde. Bankpleiten, Staatsbankrotte, Konjunktureinbrüche - die Schockwellen wären auf der ganzen Welt zu spüren. Schon allein deshalb dürften die Notenbanken aus den USA, Europa und selbst China im Notfall zu Hilfe eilen.
Dagegen, dass die optimistische Variante eintritt, spricht freilich, dass die Krise längst den Kern von Euroland erreicht hat: Spanien, Italien, Belgien und selbst Frankreich müssen fürchten, dass Investoren an ihrer Kreditwürdigkeit noch mehr zweifeln als ohnehin schon. Wie aus dem Nichts stoßen sie immer wieder massenweise Staatsanleihen ab, was die Renditen in die Höhe schickt und die künftige Schuldenaufnahme verteuert.
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ist erschienen in der Financial Times Deutschland.
Fiskalunion ist unausweichlich
Einzig die Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) können den Zinsanstieg spanischer und italienischer Staatspapiere bremsen. Das reicht immerhin aus, dass sich die Kosten für die Aufnahme neuer Schulden für die neuen Regierungen in Rom und Madrid noch in Grenzen halten. Entscheidend für den Krisenverlauf sind die ersten vier Monate 2012. Italien, Spanien, Belgien und Frankreich müssen zusammen bis April mehr als 400 Milliarden Euro an Altanleihen tilgen und Zinsen zahlen, wofür sie großteils neue Papiere begeben müssen. Da wird jede Emission in Europa zum Vabanquespiel.
Dabei steht der Euro-Raum als Ganzes sogar besser da als etwa die USA, Großbritannien oder Japan. Konsequent scheint es daher, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel mit aller Macht die Weichen in Richtung Fiskalunion von mindestens 17 unabhängigen EU-Staaten stellt. Auch weil sich der Weg dorthin als lang und hindernisreich gestalten wird, richten sich die Hoffnungen auf die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt. Viele Ökonomen, Analysten und Investoren glauben, dass sich die Märkte nur dann dauerhaft beruhigen, wenn sich die EZB dazu bekennt, im Notfall unbegrenzt Staatsanleihen der Krisenländer aufzukaufen.
Flutet EZB den den Markt?
Dafür aber müssten sich die Euro-Staaten noch stärker bewegen, zum Beispiel hin zu einem Vetorecht für den Rat der Staats- und Regierungschefs bei nationalen Budgetentscheidungen. Dies wäre ein Quantensprung, der es der EZB erleichtern könnte, einzugreifen, sagen die Ökonomen Gilles Moec und Mark Wall von der Deutschen Bank. Zum Jahreswechsel machen sogar Spekulationen die Runde, dass die EZB schon bald wie die Währungshüter in den USA und Großbritannien die Märkte mit Geld fluten werden muss, um die Wirtschaft der Euro-Zone über noch niedrigere Marktzinsen zu stützen.
Für niedrige Renditen in den USA und Deutschland spricht auch, dass sich die Weltwirtschaft im neuen Jahr zunächst deutlich abschwächen wird. Weite Teile Eurolands stecken vermutlich bereits zur Jahreswende in der Rezession. Doch anders als nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers 2008 gibt es die Hoffnung, dass die Krise glimpflicher verläuft - einfach allein deshalb, weil dieses Mal alle darauf vorbereitet sind. Behalten jene Volkswirte recht, die für die zweite Jahreshälfte bereits eine Erholung voraussagen, sind auch wieder steigende Anleiherenditen absehbar: So könnten zehnjährige Bundesanleihen laut Konsensprognose Ende 2012 satte 2,5 Prozent abwerfen.