»Praktisch jeder Geheimdienst auf der Welt kommt für Wirtschaftsspionage in Deutschland in Frage.« Dieses warnende Fazit zog der Ex-Verfassungsschützer Heinz Hülser in Bonn bei der Vorlage des letzten Jahresberichts der Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der Wirtschaft (ASW). Ausdrücklich eingeschlossen in diese kritische Sicht sind auch Dienste aus befreundeten Staaten. Es war schon vor dem Fall des Warschauer Paktes ein Fehler, nur auf die Bedrohung aus dem Osten zu sehen, sagte der Fachmann.
Ungebremster Appetit
Der Appetit fremder Nachrichtendienste auf geheime Informationen aus Wirtschaft, Forschung und Entwicklung ist ungebrochen, sagte der ASW-Vorsitzende Berthold Schweigler. Zu den Methoden gehören die Einschleusung eigener Agenten in Wirtschaftsunternehmen ebenso wie gezielte Angriffe durch Hacker auf Firmencomputer.
Internen Datenverkehr verschlüsseln
Unter Verdacht, der eigenen Wirtschaft durch Abhören weltweiter Nachrichtenströme Vorteile zu verschaffen, stehen nach Darstellung der ASW auch die USA. Deren Geheimdienst NSA betreibt zusammen mit Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland das weltumspannende Abhörsystem Echelon. Nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 wurde das System entgegen früherer Zusagen nicht abgestellt. Die Arbeitsgemeinschaft hat einen Präventionskatalog aufgestellt und empfiehlt den Unternehmen unter anderem die Verschlüsselung ihres internen Datenverkehrs.
Auch Terroristen lernen dazu
Der jährliche Schaden durch die vielfältigen Formen der Wirtschaftskriminalität liegt nach Einschätzung des Dachverbandes im mehrstelligen Milliardenbereich. Zu den Gefährdungen zählen der internationale Terrorismus ebenso wie Diebstahl im Betrieb, Ladendiebstähle, Erpressung von Firmen, Unterschlagungen, durch komplizierte europäische Vorschriften begünstigte Zollkriminalität, Schwarzarbeit und zunehmende Korruption.
Korruptionsregister gefordert
Die Arbeitsgemeinschaft, der die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft angehören, befürwortet nach den Worten Schweiglers ausdrücklich die Aufstellung von Korruptionsregistern, um Druck auf anfällige Firmen auszuüben. Korruption schadet der Wirtschaft insgesamt, sagte Schweigler. Sie verzerrt den Wettbewerb und erhöht die Kosten. Deutschland darf zudem nicht in den Ruf geraten, zu den korruptionsanfälligen Ländern zu gehören. Nötig sind gemeinsame Anstrengungen von Politik, Verwaltung und Unternehmen.
Scheck- und Kreditkartenkriminalität steigt dramatisch
Sorge bereitet den Sicherheitsexperten die dramatische Zunahme der Scheck- und Kreditkartenkriminalität um allein 54 Prozent im Jahr 2000 gegenüber 1999. Die herkömmlichen Magnetstreifen sind zu leicht zu fälschen, erklärte Schweigler. Der Verband erwartet, dass die Einführung der sichereren Chipkarten bis 2005 abgeschlossen sein könnte.
Produktpiraterie auf dem Vormarsch
Ein besonderes Problem ist die Produktpiraterie. Allein der Schaden für die deutsche Wirtschaft werde auf 200 Millionen bis 300 Millionen Euro pro Jahr geschätzt, berichtete die ASW. Kriminell für die Allgemeinheit werde es, wenn es um gefälschte Ersatzteile für Autos oder gar Flugzeuge oder um Medikamente gehe. Schweigler kritisierte in diesem Kontext vor allem die Volksrepublik China. Dort blühe die Produktpiraterie, es geschehe aber im Land bisher relativ wenig zur Bekämpfung.