Am Wochenende waren deutlich Absetzbewegungen von Mehdorn aus dem Kanzleramt und von der Bundesregierung bekannt geworden. Aus Regierungskreisen wurden jedoch Spekulationen zurückgewiesen, wonach das Schicksal des Bahnchefs bereits endgültig besiegelt sei.
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und sein Wirtschaftskollege Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) haben vor vorschnellen Entscheidungen über die Zukunft von Bahnchef Hartmut Mehdorn gewarnt. "Ich würde gerne die Vorwürfe geprüft sehen, bevor ich ein Urteil, geschweige denn eine Verurteilung betreibe", sagte Steinbrück am Sonntag im ARD-"Bericht aus Berlin".
Mehdorn lehnt Rücktritt ab
Guttenberg sagte in der ZDF-Sendung "Berlin direkt": "Es ist schon ein Gebot der Vernunft, die Untersuchungen abzuwarten und dann jene entscheiden zu lassen, die die Entscheidung zu treffen haben. Das ist der Aufsichtsrat." Wegen der Datenaffäre, bei der es jetzt auch um die Kontrolle von Mitarbeiter-E-Mails geht, hatten zahlreiche Politiker und Gewerkschafter den Rücktritt des Bahn-Managers gefordert. Mehdorn lehnt dies bislang ab.
Steinbrück sagte: "Es sind massive Vorwürfe, sie müssen schnell aufgeklärt werden." Sollten diese Vorwürfe "substantiell begründet" sein, werde sich "der Anteilseigner Bund beraten müssen, was das auch für personale Konsequenzen haben könnte".
Am Montag wird die Konzernbilanz 2008 präsentiert
Es wurde erwartet, dass sich Mehdorn den Fragen der Öffentlichkeit an diesem Montag stellt, wenn der er die Konzernbilanz 2008 in Berlin präsentiert. Führende Politiker von SPD, FDP und Grünen forderten am Wochenende eine Abberufung des Bahnchefs, und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel will nach Informationen der "Bild am Sonntag" nicht mehr mit den Worten zitiert werden, dass sie bedingungslos hinter Mehdorn stehe.
Mehdorn hält die Rücktrittsforderungen jedoch für politisch motiviert: "Offensichtlich haben einige das Ziel, den eingeschlagenen Kurs der DB zu torpedieren und damit einen politischen Linkskurs durchzusetzen." Trotz der Wirtschafts- und Finanzkrise sei der Konzern unter seiner Führung gut aufgestellt.
Nach einem Bericht der "Welt am Sonntag" werden schon Gespräche mit potenziellen Nachfolgern geführt. Offiziell wollte sich die Bundesregierung am Wochenende allerdings nicht äußern. Ein Regierungssprecher verwies auf die Zuständigkeit des Bahn- Aufsichtsrates. Dort müssten die Schlussfolgerungen aus dem Bericht der Sonderermittler gezogen werden. Das Präsidium des Gremiums kommt voraussichtlich schon in den kommenden Tagen zusammen. Am Mittwoch gibt es zudem eine Sondersitzung des Bundestags-Verkehrsausschusses.
"Der Mann muss weg"
In der SPD schwindet bereits der Rückhalt für Mehdorn. "Der Mann muss weg", forderte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit auf einer Tagung der Parteilinken. SPD-Chef Franz Müntefering will dagegen - wie die Kanzlerin - erst den Untersuchungsbericht abwarten. Es sei inakzeptabel, was man über das Vorgehen der Bahn erfahre, sagte Müntefering am Sonntag in Hamburg. FDP-Chef Guido Westerwelle betonte in Köln, die Vorgänge im Unternehmen könnten "nicht einfach mit Schulterzucken durchgewunken werden". Dietmar Bartsch von den Linken meinte: "Die Kanzlerin muss die unhaltbaren Zustände bei der Bahn endlich beenden und Bahnchef Mehdorn sofort entlassen." Der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Fritz Kuhn, forderte, Merkel müsse "dafür sorgen, dass Mehdorn geht".
Am Freitag war bekanntgeworden, dass der Konzern über Jahre hinweg die E-Mails seiner Mitarbeiter kontrolliert hat. Mehdorn betonte jedoch: "Es gibt unverändert keine Hinweise, dass DB-Mitarbeiter in diesem Zusammenhang Straftaten begangen haben." Schon gar nicht habe man illegal den Streik der Lokführer behindert.
DPA