Die Sonne strahlt über dem Gerichtsgebäude am Hamburger Sievekingplatz, als um kurz nach 12 Uhr im kleinen Saal 126 das Urteil im Prozess Springer gegen Springer verkündet wird. Doch schon nach acht Minuten ist alles vorbei, die zahlreichen Journalisten ziehen ab, die Sonne scheint weiter. Die beiden Duellanten, der Springer-Enkel Axel Sven und Verlegerwitwe Friede, waren nicht einmal zu dem Showdown erschienen. Ein nüchterner Ausgang, der so gar nicht zu der dramatischen Vorgeschichte passt.
Familien- und Mediendrama mit Krimi-Potenzial
Es ist ein Familien- und Mediendrama mit Krimi-Potenzial, das seit 2002 in einem aufsehenerregenden Zivilprozess verhandelt wird: Axel Sven Springer, 41, gern als "Lieblingsenkel" des 1985 verstorbenen Verlagsgründers Axel Cäsar apostrophiert, streitet vor Gericht gegen seine Stiefgroßmutter Friede, 65, die als stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats mehr als 50 Prozent des Unternehmens kontrolliert. Es geht um Aktien-Anteile und Macht in Europas größtem Zeitungshaus ("Bild", "Welt") - und um Vorgänge, die über 22 Jahre zurückliegen: Aggi, wie Axel Sven genannt wird, sieht sich im Nachhinein bei der Testamentseröffnung am 31. Oktober 1985 überrumpelt und übervorteilt.
Der damals 19-jährige Internatsschüler, der wenige Monate zuvor Opfer einer Entführung geworden war, kam erst am Vorabend der Testamentseröffnung aus der Schweiz angereist. In der Berliner Familienvilla wurde er dann von Springers Testamentsvollstrecker, dem Verlagsmanager Bernhard Servatius, und Witwe Friede damit konfrontiert, dass das vorliegende schriftliche Testament Axel Cäsars aus dem Jahr 1983 nicht dessen wirklichen letzten Willen abbilde. In einem Sechs-Augen-Gespräch, so erklärten Servatius und Friede, habe Springer zuletzt eine Regelung angestrebt, nach der Aggi nicht - wie in der schriftlichen Fassung fixiert - 25 Prozent, sondern nur fünf Prozent der Verlagsanteile erhalten solle, Friede dagegen 70 statt vorher 50 Prozent. Der sieche Patriarch habe es lediglich nicht mehr vermocht, diesen Willen in eine rechtsgültige Form zu bringen.
Axel Sven unterschreibt noch am selben Tag
Ohne Rechtsbeistand und ohne Argwohn gegenüber dem langjährigen Familien-Vertrauten Servatius unterschrieb Axel Sven noch am selben Tag eine entsprechende Vereinbarung - und verzichtete damit auf einen Großteil seines Erbes.
Mit einer weiteren notariellen Urkunde trat er von seinem 25-Prozent-Anteil unter anderem zehn Prozent an Friede ab. Erst Jahre später fielen dem bis zum Prozessbeginn als Verlagsreferent bei Springer tätigen Axel Sven Merkwürdigkeiten auf. Etwa der Umstand, dass der kranke Großvater im fraglichen Zeitraum vor seinem Tod noch in der Lage war, einen Geburtstagsgruß an seinen Freund Max Schmeling zu verfassen, nicht aber, die bereitliegende Neufassung des Testaments zu unterzeichnen. Er entschloss sich, die Erbenvereinbarung anzufechten. Friede Springer wiederum klagte auf Feststellung, dass ihr Axel Svens Anteile rechtmäßig übertragen worden waren.
Nachdem das Landgericht Hamburg in seinem Urteil vom Ende September 2004 im Sinne Friedes entschieden hatte, legte Axel Sven Berufung ein - und in der neuerlichen Verhandlung kam es zu einer dreitägigen Beweisaufnahme, bei der der 94-jährige Springer-Wegbegleiter und Co-Testamentsvollstrecker Ernst Cramer zu Protokoll gab, er habe das Erbentreffen vom 31. Oktober 1985 mit einem schlechten Gewissen verlassen, weil die Interessen Axel Svens nicht optimal vertreten worden seien.
"High Noon in Hamburg"
Deshalb raunte die "Süddeutsche Zeitung" bereits, "viele Beobachter und Kundige glauben, dass die Beweisaufnahme die Wende gebracht habe", und bezeichnete die für Dienstagmittags angesetzte Urteilsverkündung als "High Noon in Hamburg". Auch andere Blätter malten sich nicht ohne Lust mögliche Auswirkungen eines Urteils gegen Friede aus - etwa die auf das Machtgefüge im Verlagshaus, dessen zuletzt nicht eben glücklich agierender Vorstandsvorsitzender Mathias Döpfner (das gescheiterte Post-Dienstleistungsgeschäft!) schließlich als der Witwe Schützling gilt.
Die Urteilsverkündung im Gerichtsgebäude konnte freilich mit solcher Dramatik nicht mithalten: "Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Verleger Axel Springer so testieren wollte, wie es seine Ehefrau, seine Kinder und Enkelkinder nach seinem Tode auch vereinbart haben", lautete die knappe Zusammenfassung der 68-seitigen Urteilsschrift. "Der Senat hat weiter keine Zweifel an der Wirksamkeit der Übertragung der Erbteile und der Firmenanteile", so Richter Möller weiter.
"Keine grundsätzliche rechtliche Bedeutung"
Ob der Spruch tatsächlich Schlusspunkt des Verfahrens ist, lässt sich noch nicht mit Sicherheit sagen. Zwar ist gegen das Urteil keine Revision zugelassen, weil die Sache laut Gerichtspressestelle "keine grundsätzliche rechtliche Bedeutung" habe, Axel Sven Springer kann jedoch gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde beim Bundesgerichtshof einlegen und bei einer Stattgabe das Verfahren doch noch erneut aufrollen.
Vorerst jedoch scheint Friede Springer, die von der Kindergärtnerin zur Konzernmatriarchin gereifte Verlegerwitwe, durchatmen zu können - ihre dominierende Rolle in der Familienholding bleibt zunächst unangetastet. Und die moralische Bewertung der Vorgänge vom 31. Oktober 1985 obliegt ohnehin nicht dem Gericht.