Tarifkonflikt Einigung in Sicht?

Im Tarifkonflikt der ostdeutschen Metallindustrie kommen heute der IG-Metall-Vorsitzende Zwickel und der Gesamtmetallchef Kannegiesser zu Sondierungsgesprächen zusammen.

Nach mehr als drei Wochen Streiks wollen IG Metall und Arbeitgeber heute auf höchster Ebene nach einer Lösung des Tarifkonflikts um die 35-Stunden-Woche für die ostdeutschen Metaller suchen. Dazu treffen sich der IG-Metall-Vorsitzende Klaus Zwickel und Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser an einem bislang geheimen Ort. Das Sondierungsgespräch soll die eigentlichen Tarifverhandlungen vorbereiten, die am Freitagnachmittag auf regionaler Ebene in Berlin fortgesetzt werden sollen.

Unmittelbar vor dem Spitzengespräch hatte die IG Metall mit der Ausweitung der Streiks gedroht, falls am Freitag keine Ergebnisse erzielt würden. Gleichzeitig machte sie jedoch deutlich, dass aus ihrer Sicht Kompromisse möglich seien. Die Gewerkschaft bestehe weiterhin auf einem "anfassbaren Zeitrahmen" für die Einführung der 35-Stunden Woche, sagte der ostdeutsche IG-Metall-Bezirksleiter Hasso Düvel am Mittwoch in Berlin. Die Umsetzung der einzelnen Stufen könne jedoch je nach wirtschaftlicher Entwicklung von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich sein.

Ein Streik-Ende wäre sachgerecht und Voraussetzung für ein tragfähiges Ergebnis

"Die 35-Stunden-Woche passt nicht in die Region", sagte hingegen Kannegiesser in Berlin. Auch ein Stufenplan, der wie in der Stahlindustrie die Einführung der 35-Stunden-Woche bis 2009 vorsieht, soll nach den Worten des Verhandlungsführers der regionalen Arbeitgeberverbände, Roland Fischer, nicht verhandelt und nicht akzeptiert werden. Ein Ende der Streiks wäre "sachgerecht" und Voraussetzung für ein tragfähiges Ergebnis, sagte Fischer. Die IG Metall habe noch bis Freitagnachmittag Zeit, alle Arbeitskämpfe zu beenden. Düvel lehnte diese Forderung ab.

Derzeit arbeiten die Beschäftigten in der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie 38 Wochenstunden, drei Stunden mehr als ihre Kollegen im Westen. In der Branche arbeiten im Osten 310.000 Menschen.

Siemens: Engagement in Ostdeutschland überdenken

"Wenn es zu keiner Lösung kommt, werden die Zahlen der Streikteilnehmer wieder höher", sagte Hasso Düvel. Dann werde es auch in den großen westdeutschen Automobilwerken "Solidaritätsaktionen" geben. Nach Gewerkschaftsangaben hatten sich am Mittwoch rund 8.500 Metaller in zehn Betrieben an den Streiks beteiligt. Auch der BMW-Zulieferbetrieb ZF in Brandenburg/Havel wurde weiter bestreikt. Bei ZF soll die Arbeit heute mit Beginn der Frühschicht um 6.00 Uhr wieder anlaufen.

Siemens-Chef Heinrich von Pierer kündigte unterdessen an, der Konzern wolle das Engagement in Ostdeutschland nun überdenken. "Ich finde den Vorgang unglaublich", wurde von Pierer in der heutigen Ausgabe der "Nürnberger Zeitung" zitiert. "Und die Entfernung von Berlin zur polnischen Grenze beträgt nur 100 Kilometer, von Dresden nach Tschechien ist es sogar noch weniger", warnte der Siemens-Chef.

Der Tarifkonflikt in der Druckindustrie ist beigelegt

Bei der Tarifverhandlung für die Druckindustrie hat es am späten Mittwochabend in Frankfurt eine Einigung gegeben. Die rund 220.000 Beschäftigen sollen in diesem Jahr 1,5 Prozent und im nächsten Jahr 1,7 Prozent mehr Lohn erhalten. Der Tarifvertrag hat eine Laufzeit von zwei Jahren und soll bis Ende März 2005 gelten, teilten die Gewerkschaft ver.di und der Bundesverband Druck und Medien (bvdm) nach knapp elfstündigen Verhandlungen mit.

"Natürlich ist die erreichte Tariferhöhung für uns unbefriedigend, aber wir verkennen auch nicht die schwierige Lage, in der die Druckindustrie zum Teil steckt", betonte ver.di-Verhandlungsführer Frank Werneke. Auch gebe es in den Belegschaften massive Ängste um die Arbeitsplätze. Für die niedrige Einkommensverbesserung werde aber im Gegenzug keine Änderung am Manteltarifvertrag bis Ende März 2005 wirksam werden. Diese Klausel sei sehr wichtig, da die Arbeitgeber damit gedroht hätten. Zudem sichere die ebenfalls erreichte dreijährige Verlängerung des Tarifvertrages zur Altersteilzeit bis zum 31. Juli 2007 die Arbeitsplätze. Daher wollten die Verhandlungsführer von ver.di der Tarifkommission die Zustimmung zu dem Abschluss empfehlen.

Manteltarifvertrag: Aufschiebung der Reform schmerzt

"Aus unserer Sicht war der Abschluss zu hoch", betonte bvdm-Verhandlungsführer Wolfgang Pütz. Aber angesichts der schlechten Lage in der Druckindustrie sei für die Arbeitgeber besonders wichtig gewesen, Sicherheit für zwei Jahre zu haben. "Was aber schmerzt, ist die Aufschiebung der Reform des Manteltarifvertrages." Dort sind die allgemeinen Arbeitsbedingungen wie die Wochenarbeitszeit von 35 Stunden im Westen und 38 Stunden im Osten oder Urlaub und Weihnachtsgeld sowie die Höhe von Nachtzuschlägen geregelt.

Vor Beginn der Gespräche hatten sowohl ver.di als auch die Arbeitgeber die Bereitschaft zu einer endgültigen Einigung hervorgehoben. In den wiederholten Gesprächspausen hatte es aber zwischenzeitlich auch Signale von beiden Seiten gegeben, dass die Verhandlungen endgültig scheitern könnten. Die letzte Gesprächsrunde war nach Angaben der Gewerkschaft von Warnstreiks in insgesamt 80 Betrieben bundesweit begleitet gewesen.