Arbeitsmarkt Top-Ökonom fordert: "Deutsche sollten 100 Stunden mehr im Jahr arbeiten"

Arbeiten wir zu wenig?
Arbeiten wir zu wenig?
© Westend61 / Imago Images
Die SPD will die 25-Stunden-Woche für alle. Top-Ökonom Michael Hüther fordert dagegen, dass wir mehr und länger arbeiten. Andernfalls drohten "dramatische Folgen" für die Sozialkassen.

Müssen die Deutschen grundsätzlich mehr arbeiten? Das fordert Michael Hüther, Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), in einem Interview mit der "Wirtschaftswoche". "Wir müssen mehr und länger arbeiten", sagte Hüther. Andernfalls sieht er schwerwiegende Probleme auf die sozialen Sicherungssysteme zukommen.

Die demografische Entwicklung unterhöhle Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung gleichermaßen, sagt der promintente Ökonom. "Doch leider werden die dramatischen Folgen der Demografie auf die sozialen Sicherungssysteme von der Bundesregierung weitgehend ignoriert." Hüther fordert von der Politik eine "grundlegende Strukturreform der gesamten Sozialversicherung". 

Die im kommenden Jahr steigenden Sozialabgaben, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer leisten müssen, hält Hüther für problematisch. Die Löcher in den Sozialkassen mit immer höheren Steuerzuschüssen zu stopfen ebenso. Die Erwerbsquote, also der Anteil der arbeitenden Menschen, sei in Deutschland zwar bereits sehr hoch. "Beim Arbeitsvolumen aber gibt es noch Potenzial", so Hüther Ein Teil der Lösung sei es daher, mehr und länger zu arbeiten.

Im Vergleich zu den Schweizern arbeiteten die Deutschen pro Woche zwei Stunden weniger, erklärt Hüther auf die Frage, wieviel mehr wir seiner Ansicht nach arbeiten sollten. "Würden wir im Jahr 100 Stunden mehr arbeiten, ließen sich bis 2030 rund 4,2 Milliarden Arbeitsstunden ersetzen, die durch die Überalterung verloren gehen." 

Bürgergeld und 25-Stunden-Woche

Hüthers Empfehlung steht im krassen Gegensatz zu einigen aktuellen politischen Initiativen. So hatte die SPD bei ihrem Parteikonvent vergangene Woche beschlossen, sich "mittelfristig" für eine 25-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich einzusetzen. Die Forderung wurde von den Jusos erhoben und gegen den Willen der SPD-Parteiführung beschlossen. Eine Umsetzung steht aber erstmal nicht an, in der Bundesregierung gäbe es dafür sowieso keine Mehrheit.

Konkret sind hingegen die Regierungspläne, zum 1. Januar das Hartz-IV-System durch ein Bürgergeld zu ersetzen. Am Montag wird im Bundesrat darüber abgestimmt, wo die Opposition den Beschluss des Bundestags noch blockieren könnte. Auch zum Bürgergeld gibt es aus dem von Hüther geführten IW kritische Stimmen zu möglichen negativen Effekten. IW-Arbeitsmarktökonom Holger Schäfer sagte bei zeit.de, er fürchte, "dass sich mehr Menschen mit dem Bürgergeld einrichten werden, als wir heute Hartz-IV-Empfänger haben". In der Frankfurter Rundschau bekräftigte Schäfer seine Forderung, die jetzigen Sanktionsmöglichkeiten beizubehalten, wenn jemand ein Jobangebot ablehne. Befürworter des Bürgergelds sehen hingegen gerade den Wegfall einiger besonders scharfer Sanktionsmittel als großen Fortschritt des Konzepts.

bak