Streit um TTIP Nürnberger Würstchen aus Kentucky? Geschieht uns recht!

Deutsche Spezialitäten made in USA? Ein Vorstoß von Agrarminister Schmidt sorgt für Empörung. Das eigentliche Problem aber sind die Tricksereien unserer heimischen Lebensmittelindustrie.

Das geplante deutsch-amerikanische Freihandelsabkommen TTIP ist ohnehin schon schwer umstritten. Nun hat Agrarminister Christian Schmidt den Kritikern neue Nahrung gegeben. Im "Spiegel" sagte der Minister: "Wenn wir die Chancen eines freien Handels mit dem riesigen amerikanischen Markt nutzen wollen, können wir nicht mehr jede Wurst und jeden Käse als Spezialität schützen."

Zwar ruderte Schmidt verbal schnell wieder etwas zurück, doch der Aufschrei war groß: "Wir wollen keine Original Nürnberger Rostbratwürstchen aus Kentucky", empörte sich der Hauptgeschäftsführer der Spitzenverbände der deutschen Lebensmittelwirtschaft, Christoph Minhoff, via "Bild"-Zeitung. Auch Politiker von SPD und Grünen kritisierten die Äußerungen Schmidts. Doch so berechtigt die Kritik an TTIP insgesamt auch sein mag, in Bezug auf die Herkunft von scheinbar regionalen Produkten ist sie ziemlich heuchlerisch.

Denn klar ist: Verbraucher wollen nicht über die Herkunft von Lebensmitteln getäuscht werden. Genau das tut aber unsere heimische Lebensmittelindustrie viel zu oft. Viele als regionale Spezialitäten beworbene Produkte haben in Wahrheit nur wenig mit dem aufgedruckten geographischen Label zu tun.

Paradebeispiel ist der Schwarzwälder Schinken: Die Schweine haben den Schwarzwald niemals lebend gesehen. Das Fleisch kommt von überall, es wird lediglich im Schwarzwald verarbeitet und verpackt (und selbst das künftig möglicherweise nicht mehr exklusiv. Die Klage eines norddeutschen Herstellers läuft).

Die Verbraucherzentralen bemängeln seit Jahren, dass bei vielen Produkten über die Herkunft getäuscht wird. Auf ihrer Seite lebensmittelklarheit.de haben sie Dutzende ähnlicher Fälle gesammelt: So stammen die Zutaten einer Thüringer Rotwurst nur zu einem sehr geringen Anteil aus Thüringen. "Sachsenmilch" kommt von Kühen aus Bayern. "Heimische Früchte" im Müller-Drink können auch aus Übersee eingeflogen werden. Und Louisiana Flusskrebse entstammen nicht amerikanischen Gewässern, sondern chinesischer Binnenfischerei.

Im Zuge der Verhandlungen über das TTIP, das US-Firmen Zugang zum deutschen Markt gewähren würde, entsteht somit ein Dilemma: Wenn schon unsere eigene Lebensmittelindustrie es bei der Herkunft vieler Produkte nicht so genau nimmt, dann haben wir gegenüber den Amerikanern schlechte Argumente, wenn sie uns Dresdner Stollen liefern wollen.