Es ist schon verrückt: Vor nicht einmal zwei Jahren verhandelten Europa und die USA noch darüber, Zölle und andere Handelsbarrieren weitgehend abzubauen. TTIP nannte sich der Vertrag, der nach massiven Protesten der europäischen Bevölkerung nicht zustande kam. Nun geht die Reise plötzlich komplett in die andere Richtung: US-Präsident Donald Trump nämlich hält Handelskriege und zusätzliche Zölle für eine gute Sache, sofern sie die heimische Wirtschaft schützen.
Erst verkündete er Strafzölle auf Waschmaschinen und Solarzellen, nun folgten mit Aluminium und Stahl zwei elementare Industrie-Rohstoffe. Auch bei Strafzöllen auf europäische Autos ist Trump nicht abgeneigt. Entsetzen und Wut in Europa sind groß. Selbst Menschen, die eben noch Angst vor zu viel Freihandel hatten, schimpfen nun über die protektionistischen Maßnahmen der US-Regierung.
Strafzölle gegen Dumping-Konkurrenz
Dazu muss man allerdings sagen: Auch wenn Donald Trump das Spiel mit den Strafzöllen in neue Sphären hebt - die EU selbst spielt es seit Jahren. Erst Ende Januar verhängte die EU Strafzölle zwischen 15 und 38 Prozent auf chinesische Gusseisenprodukte, die beispielsweise für Gullydeckel benötigt werden. Die Volksrepublik China war bereits zuvor das Hauptzielland europäischer Strafzölle. So sind derzeit allein gegen chinesische Produkte mehr als 50 Anti-Dumping-Zölle in Kraft. Die Liste reicht von Bügelbrettern über Fahrräder, Keramikfliesen und Stahlrohre bis hin zu Zitrusfrüchten. Demnächst sollen auch noch E-Bikes hinzukommen.
Damit ist die Strafzoll-Liste der EU aber noch längst nicht am Ende. Insgesamt stehen mehr als zwei Dutzend Länder mit mindestens einem Produkt auf der Anti-Dumping-Liste. Auch die USA sind darunter, für US-Firmen gelten Zölle auf Biodiesel, Bioethanol und Erzeugnisse aus Silicium-Elektrostahl. Auf den Import von Autos erhebt die EU übrigens ganz allgemein einen regulären Zollsatz (im Gegensatz zu Strafzöllen nicht temporär) von zehn Prozent.
Donald Trump schert sich nicht um die WTO
Warum regen sich europäische Politiker also nun so über Trumps Strafzoll-Offensive auf? Wie die USA verfolgt schließlich auch die EU mit ihren Maßnahmen das Ziel, die heimische Wirtschaft vor ausländischer Konkurrenz zu schützen.
Es gibt allerdings einen entscheidenden Unterschied: Bei den Strafzöllen der EU handelt es sich um Anti-Dumpingzölle oder Anti-Subventionszölle gegen einzelne Länder, die laut den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) unter bestimmten Bedingungen ausdrücklich erlaubt sind. Es handelt sich also eher um regulierte Handelsscharmützel als um Handelskriege. Trump dagegen richtet seine Strafzölle gegen die ganze Welt und begründet dies nicht mit unfairem Preiswettbewerb (Dumping), sondern mit allgemeinen Belangen der nationalen Sicherheit, etwa weil die Stahlproduktion wichtig für die Rüstungsindustrie sei.
Ob der US-Präsident mit dieser Argumentation bei der WTO durchkäme, ist mehr als fraglich. Ebenso fraglich ist allerdings auch, ob Trump sich überhaupt darum schert, was die WTO zu seinen Strafzöllen sagt. Der US-Präsident hat bereits deutlich gemacht, dass er die WTO-Verträge als "Katastrophe" empfindet und wiederholt mit dem Austritt gedroht. Eine Beschwerde vor der Welthandelsorganisation könnte somit ins Leere laufen.
Während die EU das Spiel mit den Strafzöllen innerhalb der geltenden Regeln der Welthandelsorganisation spielen will, scheut Trump offenbar nicht davor zurück, sich einfach darüber hinwegzusetzen. Verbal fahren auch die Europäer nun größere Geschütze auf: Die von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ins Spiel gebrachten Strafzölle auf Harley-Davidson-Motorräder, Bourbon-Whiskey oder Levi's-Jeans wären wohl ebenfalls nicht mit den WTO-Regeln vereinbar. Es droht ein Handelskrieg außerhalb der WTO-Grenzen.