Volkswagen Konzern spekuliert über Vorstandschef

VW-Vorstandschef Bernd Pischetsrieder sieht seine Zukunft beim Autohersteller gefährdet. Ähnlich hatte sich zuvor VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch geäußert. Andere stärken dem Vorstandschef den Rücken.

Der angeschlagene VW-Vorstandschef Bernd Pischetsrieder hat erstmals selbst Sorgen um seine Zukunft beim größten europäischen Autobauer eingeräumt. "Ich kenne ebenfalls kein Unternehmen, bei dem der Vorstandsvorsitzende gegen den Willen von zehn Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat bestehen kann", wird Pischetsrieder in der "Financial Times" zitiert. Der Kurs der VW-Aktie brach am Donnerstag kräftig um 3,5 Prozent ein.

Pischetsrieder reagierte auf ein Interview von VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch, der Zweifel an der Zukunft von Pischetsrieder bei VW geäußert hatte. "Es ist wirklich eine offene Frage", ob Pischetsrieders Vertrag verlängert werde, sagte Piëch einen Tag vorher dem "Wall Street Journal Europe". Piëch stand vor Pischetsrieder an der Spitze des Konzerns. Pischetsrieders Vertrag läuft bis 2007. Berichten zufolge will der Aufsichtsrat im Frühjahr über eine Vertragsverlängerung entscheiden. Der Vorstandschef der VW-Nutzfahrzeugsparte, Bernd Wiedemann lehnte es am Donnerstag ab, sich zu der Diskussion über die Zukunft von Pischetsrieder zu äußern. "Dazu haben wir keine Position, wenden Sie sich bitte an Wolfsburg", sagte Wiedemann. Auch auf Nachfrage der Nachrichtenagentur AP vermied es Wiedemann, klipp und klar für seinen Vorgesetzten Partei zu ergreifen: "Wir möchten nicht in die Spekulationen hineingezogen werden", sagte er.

Schweigen als Unterstützung

Sowohl der neue Großaktionär Porsche als auch das Land Niedersachsen ließen auch am Donnerstag die Äußerungen unkommentiert, die seit Mittwoch für Unruhe sorgen. "Das ist mit allen so abgesprochen", sagten mehrere mit dem Vorgang vertraute Personen Reuters. Damit hätten die Aktionäre Spekulationen um Pischetsrieder vermeiden wollen. An der Unterstützung von Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und Niedersachsens Regierungschef Christian Wulff (CDU) für den VW- Chef bestehe aber kein Zweifel. "Pischetsrieder kann sich auf Wulff verlassen, Pischetsrieder kann sich auf Wiedeking verlassen, und Wulff kann sich auf Wiedeking verlassen", sagte eine mit der Situation im VW-Aufsichtsrat vertraute Person.

Porsche kritisiert VW-Modellpolitik

Unterdessen kam vom neuen VW-Hauptaktionär Porsche Kritik an der Modellpolitik von VW: "Volkswagen muss billigere Autos bauen, beziehungsweise den technischen Inhalt reduzieren", sagte Porsche-Finanzchef Holger Härter laut "Spiegel online". Härter soll im Mai in den VW-Aufsichtsrat gewählt werden. Mit seiner Kritik an den VW-Modellen spielt er darauf an, dass Wagen wie Golf oder Passat technisch anspruchsvoller und daher auch teurer sind als die meisten Konkurrenzautos. Dieser Kurs geht zurück auf Anweisungen von Piëch, der VW oberhalb der anderen Mittelklasseanbieter positionieren wollte. Piëch und seine Familie sind Großaktionär von Porsche und somit indirekt VW-Mitbesitzer.

Porsche-Finanzchef Härter unterstützte in dem Interview den Sparkurs bei VW, den Pischetsrieder nach seiner Amtsübernahme von Piëch eingeschlagen hatte. Porsche war im vergangenen Jahr mit drei Milliarden Euro bei den Wolfsburgern eingestiegen und hält nun mit 18,5 Prozent das größte Aktienpaket vor Niedersachsen mit 18,2 Prozent. Piëch hatte am Mittwoch dem "Wall Street Journal" gesagt, er werde im Aufsichtsrat für eine Vertragsverlängerung von Pischetsrieder stimmen. Doch werde der Konzernchef möglicherweise auf heftigen Widerstand der Arbeitnehmervertreter stoßen, die 10 der 20 Sitze im Aufsichtsrat besetzen. "Ich kenne keinen in einem deutschen Unternehmen, der mit zehn Stimmen der Arbeitnehmerseite gegen sich überleben konnte", sagte Piëch in dem Interview.

Kurseinbruch der VW-Aktie

Unterdessen ist der Kurs der VW-Aktie nach einem rasanten Anstieg in den letzten Monaten am Donnerstag kräftig eingebrochen. Mit einem Minus von 3,5 Prozent auf 55,54 Euro war der Autobauer am Nachmittag schlechtester Wert im DAX. Pischetsrieder hatte vor drei Wochen ein tief greifendes Umstrukturierungsprogramm für die Kernmarke VW angekündigt, von dem bis zu 20.000 Mitarbeiter betroffen sein könnten. Piëch hatte seinem Nachfolger eine Reihe von Problemen hinterlassen: Zu hohe Produktionskosten, unpassende Modellzyklen, teure Träume von Luxusmarken, falsche Modellpolitik in China.

AP
Claus-Peter Tiemann/AP