Anzeige
Anzeige

Gespräch mit Aiman Mazyek Toblerone ist jetzt "halal" – so reagiert der Zentralrat der Muslime auf die Aktion

Aiman Mazyek, Vorsitzender vom Zentralrat der Muslime in Deutschland, 
Aiman Mazyek, Vorsitzender vom Zentralrat der Muslime in Deutschland, spricht im Interview über die Halal-Diskussionen um Toblerone
© Charlotte Ball / Boris Roessler / Picture Alliance
Schon seit April 2018 ist die bekannte Toblerone-Schokolade offiziell als halal zertifiziert. Jetzt wurde der Vorgang bekannt und schlägt – insbesondere im Netz – hohe Wellen. Wir haben mit Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland, über die Toblerone-Diskussion gesprochen.

Die weltweit bekannte Dreieck-Schokolade Toblerone ist jetzt halal. Das heißt, sie ist auch nach muslimisch-religiösen Kriterien für den Verzehr "zulässig". Diese Meldung sorgt seit gestern für Diskussionen im Netz. Einerseits wird darüber diskutiert, ob die Schokoladenhersteller an ihrer Rezeptur und dem Herstellungsprozess überhaupt etwas geändert haben. Andererseits geht es vielen um die Frage, ob das nicht einen Schritt zu weit geht.

Fest steht, die Diskussion ist heftig und sehr kontrovers. Der stern hat mit Aiman Mazyek, selbst Muslim und Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland, über den die Toblerone-Diskussionen, Halal-Siegel und Hetze im Netz gesprochen.

stern: Toblerone-Schokolade ist jetzt halal zertifiziert. Wie bewerten Sie den Schritt?

Aiman Mazyek: Mich würde vor allem interessieren, wer genau die Zertifizierung vorgenommen hat und ob die Schokolade wirklich als halal zertifiziert wurde. Es gibt da nämlich unterschiedliche Ansätze. Die Auslegung variiert ja auch je nach Produkt. Nehmen wir das Beispiel Schweinegelatine. Für einen Teil ist das essbar, weil es vollständig seinen Aggregatzustand ändert bei der Herstellung, nach anderen Ansichten gilt dies jedoch nicht. Man sollte bei Halal-Siegeln immer sehr genau hinschauen, wer welches Siegel unter welchen Auslegungen vergibt. Ähnlich verläuft die Diskussion, wenn es um die Reinigung mit der Bestandteile oder der Verpackung mit Alkohol geht. Für manche gläubige Muslime ist auch das in Ordnung, da der Alkohol nach einer bestimmten Zeit ja verfliegt. Andere lehnen das komplett ab. 

Wie steht es um tierische Produkte aus Käfighaltung oder Betrieben, in denen Tiere unter unwürdigen Bedingungen gehalten werden?

Grundsätzlich kann man sagen, dass Produkte, die aus Tierquälerei gewonnen wurden, nach dem muslimischen Reinheitsgebot nicht statthaft sind. "Richtige Tierhaltung" ist für eine Halal-Zertifizierung deshalb wichtig. Ganz generell bin ich dafür, dass wir weniger Fleisch essen sollten – unabhängig von der Religion. Übrigens ist überliefert, dass unser Prophet höchstens einmal im Monat Fleisch gegessen hat. Nicht etwa, weil er nicht mehr essen konnte. Es war eine ganz bewusste Entscheidung.

Sollten mehr – auch deutsche – Unternehmen ihre Produktion auf halal umstellen?

Grundsätzlich ist es natürlich zu begrüßen, ein Produkt so herzustellen, dass bestimmte Gruppen von Menschen es dann auch konsumieren können. Aber man sollte das natürlich nur bei solchen Produkten machen, bei denen dies überhaupt Sinn ergibt. Wichtig ist mir immer, dass eine Ernsthaftigkeit zu erkennen ist und Halal-Siegel nicht nur aus Marketinggründen benutzt werden, welche dann Tür und Tor auch für Missbrauch öffnen könnten. In der Tat ist es aber so, dass ein muslimischer Kunde, wenn er vor einem Regal steht und ein Halal-Produkt wählen kann, eher zu diesem greift. Man kann sich auf diese Weise durchaus einen größeren Kundenkreis erschließen.

Schmeckt das Produkt danach anders? Nein.

Im Internet wird heftig und kontrovers über den Schritt von Toblerone diskutiert. Es gab sogar Boykott-Aufrufe. Was sind die Gründe?

Warum eigentlich Boykott? Wird jemandem zu Unrecht etwas weggenommen? Schmeckt das Produkt danach anders? Nein. Es ist eine Diskussion, die in bestimmten Kreisen verfängt, weil das beispielsweise – angeblich – zu zeigen vermag, wie Muslime der Mehrheit eine Lebensweise aufdrücken wollen. Das erzeugt Angst und wenn das nicht "hilft", wird mit Propaganda der Angstzustand herbeigeredet. Zum Beispiel beim Thema der Ausnahmereglung beim "Schächten für Juden und Muslime" wird diese Taktik auch gerne angewandt. Und unter dem Vorwand des Kampfes um den Erhalt der eigenen Kultur werden Ressentiments gegen Minderheiten geschürt, um sie so salonfähig zu machen. Plötzlich wird da eine Sorte Schokolade zum Kulturgut erhoben, oder der Tierschutz bemüht, obgleich man sich vorher keinen Deut darum scherte. 

Die Diskussion ruft auch Radikale auf beiden Seiten auf den Plan. Wie gefährlich ist das?

Das ist richtig. Es gibt da einen Zusammenhang. Melden sich verstärkt rechte Gruppen mit radikalen Äußerungen zu Wort, verschärft sich auch der Ton auf Seiten radikaler Muslime. Das ist wie ein Pendel. Die einen fürchten dann die angebliche "Islamisierung des Abendlandes" und zeigen mit dem Finger auf "alle Muslime". Die anderen fühlen sich bestätigt und zeigen auf den angeblich so "bösen, islamfeindlichen Westen". Das ist verrückt und gefährlich zugleich.

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel