Mit einem Milliarden-Sparpaket will die Rürup-Kommission die Kassenbeiträge ab 2004 drastisch senken. Dafür müssten Patienten allerdings hohe Zuzahlungen für Arztbesuche, Arzneien und Zahnersatz übernehmen, wie Kommissionschef Bert Rürup am Mittwoch mitteilte. Auf einen Vorschlag zur langfristigen Finanzierung des Gesundheitswesens konnten sich die Fachleute nicht einigen. Dafür bezogen sie vor allem von der Union heftige Schelte. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt reagierte zurückhaltend.
Zwei-Stufen-Reform
Rürup sagte, die Arbeitsgruppe Krankenversicherung habe sich auf eine Zwei-Stufen-Reform verständigt. Die erste Stufe sei das Sparprogramm im Volumen von 24 Milliarden Euro, das den Kassenbeitragssatz von derzeit 14,3 Prozent um 2,4 Prozentpunkte drücken soll. Für die zweite Stufe - die Umstellung der Finanzierung der Krankenversicherung im Lauf des Jahrzehnts - würden zwei Alternativen vorgeschlagen.
Variante 1: Pro-Kopf-Pauschale
Eine davon ist das von Rürup entworfene Kopfpauschalensystem, nach dem jeder Erwachsene unabhängig vom Einkommen 170 bis 220 Euro im Monat an die Krankenkasse zahlen würde. Die zweite Möglichkeit wäre eine Erwerbstätigenversicherung, an der sich auch Beamte und Selbstständige beteiligen müssten und die zusätzlich auch Miet- und Zinseinkommen für Beiträge heranzieht. Dies hatte Rürups Gegenspieler Karl Lauterbach vorgeschlagen.
Entscheidung trifft Parlament
Eine Einigung sei nicht möglich gewesen, sagte Rürup. Welches Modell bevorzugt werde, sei eine "Werteentscheidung", die nicht die Kommission, sondern das Parlament treffen müsse, sagte Lauterbach. Schmidt wollte sich zunächst nicht auf einen Vorschlag festlegen und sagte nur, eine alleinige Koppelung der Beiträge an Erwerbseinkommen sei nicht auf Dauer möglich.
Praxisgebühr und Arzneizuzahlung
Bei den Sparvorschlägen sagte sie Prüfung zu, wobei sie die soziale Balance im Auge haben werde. Das Rürup-Paket deckt sich zum Teil mit Vorschlägen der Bundesregierung, geht aber darüber hinaus. So will auch die Kommission, dass das Krankengeld gesondert nur noch vom Arbeitnehmer abgesichert wird. Damit würde die Krankenversicherung um 7,5 Milliarden Euro, sagte Rürup. Wie Schmidt fordert die Kommission zudem, 4,5 Milliarden Euro „versicherungsfremde Leistungen“ aus Steuern zu finanzieren.
Kommt 'Praxisgebühr'?
Zudem wollen die Gesundheitsexperten 15 Euro "Praxisgebühr" für Patienten einführen. Weil es einige Ausnahmen und eine Höchstgrenze geben soll, würde die Gebühr etwa bei 30 Prozent der Arztbesuche fällig und brächte etwa zwei Milliarden Euro.
Rezeptfreie Medikamente selber zahlen
Rezeptfreie Arzneimittel soll grundsätzlich der Patient allein zahlen. Bei den Kassenarzneien soll es teils höhere Zuzahlungen geben. Alles zusammen soll laut Rürup sechs Milliarden Euro bringen. Zudem sollen die Ausgaben für Generika um zwei Milliarden Euro sinken. Schließlich sollen Patienten beim Zahnersatz noch einmal 2,5 Milliarden Euro zuzahlen.
Verhaltenens Lob der Interessenverbände
Lob ohne Abstriche erhielt die Kommission von SPD-Generalsekretär Olaf Scholz. Die Grünen meldeten bei den Zuzahlungen Gesprächsbedarf an. Verhalten positiv äußerten sich noch die Bundesärztekammer, der AOK-Bundesverband, die Ersatzkassen und die mittelständische Wirtschaft.
Harsche Kritik der Opposition
Heftige Kritik kam hingegen nicht nur von den Betriebs- und den Innungskrankenkassen, der Pharmaindustrie, dem Marburger Bund und den Gewerkschaften, sondern auch von PDS, FDP und Union. Auf Grundlage der Vorschläge gebe es keine Einigung, sagte CDU-Gesundheitsexperte Andreas Storm.