Vorstandsgebaren Harte Zeiten für deutsche Top-Manager

Die Kritik an der Geheimniskrämerei um einzelne Vorstandsgehälter reißt nicht ab und jetzt wird auch noch gegen die Praxis gewettert, als Vorstandschef direkt an die Spitze des Aufsichtsrates zu wechseln.

Nicht nur, dass die Bundesregierung eine verschärfte Haftung der Führungskräfte plant, jetzt geht es einem weiteren liebgewonnenen Verhaltensmuster an den Kragen: der hierzulande übliche Wechsel des Vorstandschefs an die Spitze des Aufsichtsrats seines Unternehmens wird in Frage gestellt. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Fritz Kuhn, fordert sogar ein gesetzliches Verbot dieser Praxis.

Trennung zwischen Exekutive und Kontrollen

"Wir brauchen eine klare Trennung zwischen der Exekutive des Unternehmens und denen, die sie im Aufsichtsrat kontrollieren und personell aufstellen", begründet er seinen Vorstoß im "Handelsblatt". Eine mehrjährige Wartepause vor der Übernahme des Aufsichtsratsmandats, wie es die EU-Kommission anstrebt, reicht Kuhn nicht aus. "Eine Wartepause einzubauen, mindert die Probleme, aber wäre nicht konsequent." Auch in der SPD regt sich Sorge: "Immer mehr Unternehmenschefs, die sich aus Altersgründen aus der Leitungsebene zurückziehen, meinen auf der Kontrollebene weitermachen zu können", sagte der wirtschaftspolitische Fraktionssprecher, Klaus Brandner dem Blatt. "Da wäre mehr Zurückhaltung gefragt."

Der Wechsel in den Aufsichtsrat ist unter deutschen Konzernlenkern in der Tat gängige Praxis: 16 der 30 DAX-Aufsichtsgremien sitzt dem Blatt zufolge ein früheres Vorstandsmitglied vor. An die Spitze des Kontrollgremiums ihres Unternehmens wechselten unter anderem Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer, Allianz-Chef Henning Schulte-Noelle, Commerzbank-Vorstandschef Martin Kohlhaussen und Lufthansa-Chef Jürgen Weber.

"Quasi automatische Krönung der Karriere"

Auch Aktionärsschützern ist die gängige Praxis ein Dorn im Auge. "Der Automatismus muss weg. Es kann nicht sei, dass der Wechsel an die Spitze des Aufsichtsrates quasi automatisch die Krönung einer Karriere als Vorstandschef ist", meint Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Die Forderung Kuhns nach einem grundsätzlichen Verbot geht der DSW allerdings zu weit. Denn im Einzelfall könne der Wechsel durchaus sinnvoll sein und so Know-how dem Konzern erhalten bleiben, begründet Kurz seine Einschätzung.

Allerdings sollte das Unternehmen begründen müssen, was einen Vorstandschef für den Wechsel an die Spitze des Kontrollorgans qualifiziert. "Es ist nicht einzusehen, warum ein Vorstandschef, der sich als Kapitalvernichter erweisen hat, dann auch noch Aufsichtsratschef wird."

Noch keine Skandale á la Enron

Regeln ließe sich die Pflicht zur Begründung im so genannten Corporate Governance Codex, einer Selbstverpflichtung der deutschen Wirtschaft auf Grundsätze der Unternehmensführung. Man müsse den Unternehmen die Chance geben, gegen den Automatismus selbst vorzugehen, meint Kurz. Das deutsche System habe zwar seine Macken, es funktioniere aber im Großen und Ganzen. Von Unternehmensskandalen wie beispielsweise bei Enron oder Worldcom in den USA sei Deutschland vorschont geblieben.

"Die aktuelle Entwicklung ist ungut" meint auch Reinhild Keitel von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. Wenn es nicht anders gehe, müsse man auch über eine gesetzliche Regel nachdenken. Allerdings: Ausnahmen sollten zugelassen werden, fordert auch Keitel.

AP · DPA
Friederike Marx, AP

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