Provokateur mit Nickelbrille "Kommune 1"-Gründer Fritz Teufel gestorben

Fritz Teufel hat viele Rollen gespielt in den 67 Jahren seines Lebens: Er war Spaß-Revoluzzer, Angeklagter in Terrorprozessen, später Bäcker in London, schließlich Zeitungskolumnist und Fahrradkurier in Berlin.

Fritz Teufel hat viele Rollen gespielt in den 67 Jahren seines Lebens: Er war Spaß-Revoluzzer, Angeklagter in Terrorprozessen, später Bäcker in London, schließlich Zeitungskolumnist und Fahrradkurier in Berlin. Zur Zeit der Studentenbewegung 1968 und in den Jahren danach war Teufel sogar so etwas wie ein Popstar - als Provokateur mit Nickelbrille und Vollbart, dessen Nachname manch verschrecktem Bürger Programm schien. Auch später noch spielte der Alt-68er gerne den teuflischen Spötter: In den 1980er Jahren spritzte er im TV den damaligen Minister Hans Matthöfer mit einer Wasserpistole nass und wurde dafür von dem SPD-Politiker mit Wein übergossen.

"Der Humorist der 68er ist tot", überschrieb die Berliner "tageszeitung" den Nachruf auf ihren früheren Kolumnisten, der vor seinem Tod am Dienstag zwölf Jahre lang an der unheilbaren Nervenkrankheit Parkinson gelitten hatte. Über sein Leben hatte Teufel der "taz" einmal gesagt: "Ich wollte, dass es abenteuerlich wird, und das ist es geworden." Eine durchaus zutreffende Bilanz des einstigen Bürgerschrecks, der einen Freispruch vor Gericht auch schon mal mit einem Adventskranz als Kopfschmuck feierte.

1963 ging der im schwäbischen Ludwigsburg geborene Teufel nach Berlin und lernte dort den Studentenführer Rudi Dutschke kennen. Anfang 1967 zählte er mit Dieter Kunzelmann zu den Gründern der "Kommune 1" - jener Wohngemeinschaft, die sich als Gegenentwurf zu Privateigentum und bürgerlicher Kleinfamilie verstand und mit Partnertausch das etablierte Bürgertum aufs Äußerste reizte.

Wie für viele 68er wurde der 2. Juni 1967 zu einem weichenstellenden Tag im Leben von Teufel. Bei der damaligen Demonstration gegen den Schah-Besuch in Berlin wurde der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen, und Teufel wanderte wegen eines angeblichen Steinwurfs während der Demo erstmals in Untersuchungshaft. Die Rededuelle, die er sich im anschließenden Prozess mit dem Richter lieferte, sind heute legendär: Als das Gericht Teufel zum Aufstehen aufforderte, seufzte der Angeklagte: "Wenn's der Wahrheitsfindung dient" - der Satz wird noch heute zitiert, um die Sinnlosigkeit von Ritualen bloßzustellen.

Insgesamt rund acht Jahre verbrachte Teufel im Gefängnis, nachdem sich der "Spaß-Guerillero" in der Folgezeit dem linksmilitanten Spektrum angenähert hatte. Bei einer Verhaftung 1975 hatte er eine abgesägte Schrotflinte bei sich und sah sich später mit dem Vorwurf konfrontiert, an der Entführung des Berliner CDU-Vorsitzenden Peter Lorenz durch die terroristische "Bewegung 2. Juni" beteiligt gewesen zu sein. Erst nach fünf Jahren in U-Haft präsentierte Teufel ein lückenloses Alibi: Er hatte während der Lorenz-Entführung in einer Essener Fabrik unter falschem Namen Klodeckel hergestellt.

"Ja, das war mein Alibi", sagte Teufel noch im Januar dem Berliner "Tagesspiegel". Für die anderen Delikte wie beispielsweise den Waffenbesitz hätte er damals ohnehin fünf Jahre Haft bekommen: "Das war gängiges Strafmaß für Unterstützer des '2. Juni"." Außerdem habe er durch sein jahrelanges Schweigen zeigen können, "wie ein Angeklagter für definitiv nicht begangene Taten vorverurteilt wurde und wie das ganze System funktionierte". Auf die Frage, ob er nach all den Jahren seinen Frieden mit dem System und der Gesellschaft gemacht habe, antwortete Teufel: "Wir waren keine Krieger, wir waren eher Blues Brothers oder Stadtindianer, kurz vor der Einweisung in ihre Reservate."

Über seine Krankheit klagen wollte Teufel in dem Interview nicht. Wenige Monate vor seinem Tod nannte er es "nicht so dramatisch", dass sich seine Parkinson-Erkrankung wohl weiter verschlimmern werde. "Das menschliche Leben ist nur auf eine bestimmte Zahl von Jahren angelegt." Leute seiner Art hätten in seinem Alter früher längst das Zeitliche gesegnet oder seien umgebracht worden, sinnierte der Ex-Bürgerscheck. "Ich hätte ja auch Aids haben können oder irgendeine andere tödliche Malaise."

AFP
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