Es gibt Sportwagen und es gibt Sportwägelchen. Audis TT gehörte bisher zu den harmloseren Vertretern seiner Zunft. Mit der Ingoldstädter Edel-Badewanne konnte man auch die schnieke Zahnarzt-Gattin bedenkenlos auf die Piste lassen. Im Zuge des Image-Wechsels hin zur sportlichsten aller Premium-Marken spendiert Audi nun auch dem TT eine eindrucksvolle Frischzellen-Kur. Bösartig ist der 250 PS starke Super-TT natürlich nicht geraten - dafür aber umso interessanter für verspielte Edel-Rennfahrer. Wir haben dem edlen Ringträger in Nizza an der Cote d'Azur auf den Zahn gefühlt.
Spieltrieb der Auto-Entwickler
Sechszylinder V-Motor mit 250 PS, Direkt-Schalt-Getriebe mit Doppelkupplung und quattro-Antrieb - kein Zweifel, bei der Konzeption des TT 3.2 durften Audis Autobauer ihren gesamten Spieltrieb ausleben. Der Sechszylinder-Sportler ist die Ingoldstädter Antwort auf die immer größer werdende Riege kompakter Sportwagen.
TT-Sorgen
Dabei musste man sich anfangs echte Sorgen um den kleinen Flitzer mit der Optik eines Kinder-Planschbeckens machen. Zunächst bekamen die Ingoldstädter fürs TT-Design kräftig auf die Mütze und dann musste man auch noch in Sachen Fahrverhalten Kritik ertragen. Und das nur, weil der TT auf heißblütige Lenkrad-Artisten wie ein Sportwagen reagierte - mit einem nervösen Heck nämlich. Seit diesen Tagen fahren alle TTs mit einem mehr oder weniger gelungenen Mini-Spoiler auf der Heckklappe durch die Gegend.
Die Konkurrenz schläft nicht
Aus und vorbei. Mit einer mächtigen Portion bayerischer Gelassenheit ertrug man bei Audi die Startschwierigkeiten und glaubte fest an den Erfolg des Eigengewächses. Hartnäckigkeit, die belohnt wurde. Inzwischen zählt der TT zu den Klassenbesten und hat durchaus das Zeug zum Klassiker. Doch die Konkurrenz schläft nicht, und versucht sich mit frischen Modellen und kräftigen Sechszylinder-Motoren größere Stücke vom Roadster- und Sportwagen-Kuchen zu sichern.
Bewährtes Triebwerk
Einem Konkurrenten vom Schlage des neuen BMW Z4 mit seinem kräftigen Sechzylinder und dem sportlich direkten Fahrwerk hatte Audi wenig entgegenzusetzen. Die Vierzylinder des TT zeichneten sich zwar durch eine enorme Drehfreude, weniger aber durch bullige Kraftentfaltung aus. Was lag da näher, als dem Zweisitzer mit den vier Ringen ein leistungsstarkes Sixpack zu implantieren. Die Suche nach dem geeigneten Treibsatz war eine kurze Expedition - man entschied sich für jenes 3.2-Liter Aggregat, das seine Qualitäten bereits im Phaeton und Golf R32 in wesentlich schwereren Fahrzeugen unter Beweis gestellt hatte.
DSG - die fahrdynamische Revolution
Nun sind Sechszylinder-Kraftwerke längst kein Alleinstellungsanspruch mehr. Erst recht nicht für einen Hersteller mit Premium-Prämisse. Und so entschied man sich, dem TT 3.2 einen Leckerbissen der konzernweiten Getriebe-Entwicklung zu spendieren: das Doppel-Schalt-Getriebe DSG. Hinter dem unscheinbaren Kürzel verbirgt sich eine fahrdynamische Revolution: Schalten ohne Zugkraftunterbrechung.
Keine Design-Experimente
Optisch hat man den TT weitgehend unbehelligt gelassen. Der mutige Design-Mix aus markanter Kantigkeit und weichen Linien wäre, ganz nach Meinung des Betrachters, sowieso kaum zu verbessern oder zu zerstören gewesen. Lediglich die Aerodynamik musste sich der gesteigerten Leistung angepassen. Der untere Lufteinlass der Frontschürze wurde vergrößert und vor den vorderen Kotflügel signalisieren nun zwei kleine Plastik-Kiemen optische Sportlichkeit. Deutlich zugelegt hat auch der Heckspoiler. Er hat sich von der schnuckeligen Spoiler-Lippe zur vollwertigen Abtriebshilfe weiterentwickelt. Ausschließlich kosmetischen Zwecken dienen Accessoires wie die Diffusor-Blende in Wabenoptik zwischen den beiden Auspuffendrohren und titanfarbene Scheinwerferabdeckungen.
Die Verbeugung vor dem Einstieg
Wie bei den "zivilen" TT-Versionen muss sich auch der Sechszylinder-Kunde beim Einstieg dem Design unterordnen. Wer edles Leder unterm Hintern spüren möchte, muss sich verbiegen. Auch der Super-TT ist gerade einmal 1,34 Meter hoch. Knie leicht anwinkeln, Kopf einziehen und mit dem Allerwertesten voraus nach innen fallen lassen - so gelangt man am ehesten unfallfrei an den Arbeitsplatz hinterm Volant.
Premium - keine Frage
Dort wird man vom gewohnt avantgardistischen Cockpit für die Mühen entlohnt. Edles Leder und blankes Aluminium wohin das Auge blickt. Hochwertige Materialien sorgen außerdem dafür, dass jeder Kontakt mit den bildhübschen Knöpfen und Schaltern zum Erlebnis wird. Da greift man gerne zu, auch wenn sich einzelne Bedienelemente designbedingt nicht unbedingt dort befinden, wo man sie auf Anhieb vermutet.
Trotz seiner kompakten Maße lassen sich auch größer gewachsene Passagiere bequem auf Fahrer- oder Beifahrersitz verstauen. Vom Einsatz der hinteren Notsitze raten wir jedoch dringend ab - es ist wirklich nicht angenehm, wenn man ständig damit beschäftigt ist den Kopf einzuziehen und gleichzeitig die Durchblutung der Beine aufrecht zu erhalten. Von der Körpergröße völlig unabhängig ist die nicht vorhandene Übersicht. Egal wie hoch man den Fahrersitz auch pumpt - Schnauze und Heck des TT sind absolut nicht einzusehen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die schießschartenkleinen Fenster nur spärliche Blicke auf die Umwelt erlauben.
Audi TT 3.2 quattro
Motor | V6-Triebwerk |
Hubraum | 3,2 Liter |
Leistung | 250 PS / 184 kW |
Max. Drehmoment | 320 Newtonmeter |
Getriebe | Sechsgang Direkt-Schalt-Getriebe (DSG) |
Antrieb | quattro-Allradantrieb |
0-100 km/h | 6,4 Sekunden |
Höchstgeschw. | 250 elektronisch Abgeregelt |
Verbauch | 9,8 Liter (Werksangabe) |
Preis | ab 41.200 Euro |
Blasorchester
Ein zu verschmerzender Verlust. Die Segnungen der Umgebung verlieren spätestens nach dem Anlassen des Sechszylinders sowieso ihren Reiz. Mit einem lauten Trompeten erwacht das sechstöpfige Blasorchester aus dem Dämmerschlaf und kündet lautstark von der neuen Macht unter der Motorhaube. Schade nur, dass das angenehme Schnattern seinen Ursprung nicht im Motorraum hat. Die Sinfonie aus sechs Zylinder entstammt eindeutig den beiden Auspufftöpfen - eine Tatsache die für Audis Sounddesigner spricht und Puristen schmollen lässt. Bei geschlossenen Seitenscheiben wird es nämlich sehr ruhig um den TT - der Motor selbst schnurrt friedlich wie ein Kätzchen.
Brachialer Vorwärtsdrang
Die entspannte Ruhe ist jedoch ein Zustand mit begrenzter Haltbarkeit. Schon kurz nach dem Griff zum imposanten Alu-Griff des Direkt-Schalt-Getriebes gibt´s wieder Arbeit für die Ohren. Übermütig wie ein junger Hund springt die Nadel des Drehzahlmessers über ihre Skala und wartet auf ihren Einsatz. Der sollte mit Bedacht gewählt werden. Selbst im Automatik-Modus wird großzügiges verteilen von Gasstößen mit brachialem Vorwärtsdrang bestraft. Wohl dem, der sich für die ersten Meter eine freie Strecke ausgesucht hat.
/bilder/sport-motor/2003/kw06/tt/tt7.jpg
Pausenlose Beschleunigung
Wer ein solches Direkt-Schalt-Getriebe an Bord hat, sollte sich schleunigst von allem verabschieden, was in Sachen Schaltung oder Automatik bisher gültig war. Wie von einem Gummiband gezogen, schießt der TT bei Bedarf nach vorn. Schaltpausen, also die Phase ohne spürbare Kraftübertragung beim Wechsel vom einen in den anderen Gang, sind dabei völlig unbekannt. Ein Verhalten, das auf den ersten Metern beinahe beängstigend ist. Dabei ist es übrigens völlig unerheblich, ob man die Schaltbefehle nun per Wählhebel beziehungsweise Schaltwippen am Lenkrad erteilt, oder der Elektronik die Arbeit überlässt.
Eine einfache Idee
Möglich wird diese beeindruckende Art zu schalten durch eine eigentlich simple, in der Praxis jedoch komplexe Konstruktion. Im DSG-Getriebe sind - vereinfacht ausgedrückt - zwei Getriebe miteinander verheiratet. Neben zwei Kupplungen findet sich auch eine zweigeteilte Eingangswelle. Der eigentliche Schaltvorgang erscheint simpel. Anders als bei herkömmlichen Schaltautomaten oder Getrieben sind immer zwei Gänge eingelegt (zum Beispiel die Schaltstufen zwei und drei). Ist nun während des Beschleunigens der Zeitpunkt erreicht, um vom zweiten in den dritten Gang zu wechseln, erfolgt der Übergang fließend indem sich die eine Kupplung langsam schließt, während sich die andere synchron öffnet. Dabei steht zu jedem Zeitpunkt die volle Motorleistung zur Verfügung. Die Folge: aberwitzige Beschleunigung und echtes Rennwagen-Feeling. In Echtzeit dauert ein DSG-Gangwechsel 0,2 Sekunden.
Die Idee stammt wie so oft aus dem Rennsport. Sowohl Porsche als auch Audi setzten zeitweise Doppelkupplungen in Wettbewerben ein. Die Weiterentwicklung zu einem serientauglichen Getriebe scheiterte bisher jedoch an der aufwändigen Getriebesteuerung.
Beifahrers Leid
Im Straßeneinsatz ergibt die Ehe aus Sechszylinder und DSG eine schlagkräftige Verbindung. Zu beinahe jedem Zeitpunkt stehen die 320 Newtonmeter aus dem 3.2-Liter Triebwerk an allen vier Rädern zur Verfügung. Ist zusätzlich noch das Sport-Programm aktiviert, wird die Wedelei um enge Serpentinen zur Sucht. In Verbindung mit der extrem direkten, fast schon schwergängigen Servolenkung sollte der TT auf der Landstraße kaum zu schlagen sein. Dabei kommt ihm neben dem quattro-Antrieb sein ohnehin schon straffes Fahrwerk entgegen. Selbst rüde vernachlässigte Kurven quittiert der flinke Ingoldstädter mit bravem Untersteuern. Spektakuläre Drifts sind selbst bei deaktiviertem Schleuderverhinderer ESP kaum zu provozieren und in Anbetracht eines meist wehrlosen Beifahrers auch unfair. Ganz schlimm für empfindliche Mägen ist die Kombination aus Gummiband-Beschleunigung (0-100 km/h in 6,4 Sekunden) und brachialer Verzögerung. Die jeweils Bratpfannen großen Bremsscheiben an Vorder- und Hinterräder haben 1520 Kilo TT zu jeder Zeit bestens im Griff.
"Gummivernichter"
Wie es sich für Spielzeug der großen Jungs gehört, haben die Audi-Entwickler ihrem jüngsten Spross noch etwas mit auf den Weg gegeben, das sich "Launch Control" nennt. Im praktischen Einsatz ist die Bezeichnung "Gummivernichter" jedoch angebrachter. Wählhebel auf "S", ESP aus, Fuß auf die Bremse und Vollgas. Wer anschließend das Bremspedal frei gibt, zaubert garantiert vier tiefschwarze Streifen auf den Asphalt und wird zukünftig das Attribut "brachial" wesentlich sparsamer vergeben.
Fazit
Vom Softie zum Männerspielzeug - die Frischzellenkur katapultiert den TT ohne Umwege in die Riege ernsthafter Sportwagen. Für 41.200 Euro bekommt man einen Porsche-Konkurrenten zum Schnäppchen-Preis. Mitte des Jahres folgt dann der 3.2 Roadster, für den man mindestens 44.000 Euro auf der hohen Kante haben sollte. Offen oder geschlossen, das Paket stimmt - auch wenn das tadellose Fahrwerk locker noch einen PS-Aufschlag vertragen könnte. Dann müsste man jedoch auf den Spaßbringer DSG verzichten. Das Wunder-Getriebe verkraftet bisher lediglich Motorleistungen bis 350 Newtonmeter. Wird da nachgebessert? "Zunächst nicht!", beteuert man bei Audi. Na gut. Aber zunächst gab es den TT ja auch nicht als Sechszylinder...