Genial, eigensinnig aber technisch anfällig, diesen Ruf hatten französische Autos lange. Vor zwanzig unternahm die Grande Nation ihren letzten Versuch spektakuläre Wagen zu produzieren, in denen man die französische Lebensart wiedererkennen konnte. Der Renault Vel Satis und der nahezu zeitgleich vorgestellte Avantime waren vor allem eines: mutig. Die meisten fanden das polarisierende Design unverständlich, Liebhaber sagen das natürlich anders. Sicherlich haben Vel Satis und Avantime nicht wie die DS den Look des nächsten Jahrzehnts vorweggenommen.
Stilbruch in der Oberklasse
Wilde Kanten und mutige Schnitte - die Karosserie des Vel Satis ist bis heute einzigartig. Nichts erinnerte an ihr an due internationale Konkurrenz in der Oberklasse. Die große und insbesondere hohe Fahrgastzelle sorgt im Innenraum auch Dank des 2,84 Meter langen Radstandes für eine angenehme Atmosphäre auf langen Fahrten, das Raumangebot überzeugt heute noch. Die Motoren waren dagegen Massenware. Für einen Geschäftswagen sicher gut genug, doch für die Oberklasse reichte es nicht. Auch das kurze Stummelheck mochte kaum jemand.
Einziger Grund heute wie damals den 4,86 Meter langen Renault Vel Satis zu lieben ist der luxuriöse wie wohnliche Innenraum. Kurvenhalt darf der Fahrer auf seinem Lümmel-Sessel vorn nicht erwarten aber viel Komfort. Der Vel Satis ist kein Renner – eher eine Sänfte, ohne sportliche Ambitionen. Neben den knautschweichen Sesseln gibt es ein üppiges Platzangebot, Dreizonen-Klimaautomatik, Navigationssystem, beheizte Ledersitze und einen schlüssellosen Zugang nebst Chipkarte, was bei der Premiere des Fahrzeugs auf dem Genfer Salon im März 2001 keinesfalls selbstverständlich war. Die ebenso direkte wie leichtgängige Lenkung ist typisch Französisch und der Entwicklungsaufwand für die patentierte Trigon-Hinterachse für maximalen Reisekomfort groß. Hinten geht es leider nicht so großartig zu wie auf den Sesseln in der ersten Reihe. Abgesehen von einigen speziell individualisierten Luxusmodellen gab es im Fond keine Einzelsitzanlage und auch keine Sitzverstellung oder -heizung. Vorne blickten die Insassen nicht nur auf ein ausladendes Cockpit mit lieblosen Runduhren, Digitalanzeige und Navigationsbildschirm, sondern auch auf schicke Holzverkleidungen und eine breite Mittelkonsole, auf der sich ergonomisch weit hinten wenig sinnvoll der Bediensatellit für Navigation, Bordcomputer oder Soundsystem befand.
Wenig Anklang beim Kunden
Bereits 1998 hatte das Vel Satis Konzept als Coupé mit denselben spektakulären Proportionen auf die spätere Luxuslimousine aufmerksam gemacht. Der Kunde des späteren Serienmodells hatte die Wahl zwischen verschiedenen Benzinern und Dieselmotoren zwischen 139 und 241 PS. Besonders beliebt waren die Selbstzünder, die mit 2,0, 2,2 und 3,0 Litern verfügbar waren. Die beiden Vierzylinder mit 139, 150 und 173 PS waren dabei kaum träger, als die nur 177 / 181 PS starken Dreiliter-V6-Diesel. Der Fronttriebler hatte 400 Nm maximales Drehmoment und schaffte 212 km/h. Dabei lag der Normverbrauch bei 8,7 Litern Diesel auf 100 Kilometern. Bei den Benzinern konnten die frankophilen Kunden zwischen einem 170-PS-Vierzylinder oder einen deutlich standesgemäßeren V6-Benziner mit 241 PS wählen, der obligatorisch an eine Fünfgangautomatik gekoppelt war, während der 3.0 dCi bereits sechs Schaltstufen besaß. Zwischen Anfang 2011 und Ende 2009 wurde von der französischen Luxuslimousine gerade einmal 61.822 Fahrzeuge verkauft. Danach schwor Renault der Oberklasse ab.
Wer einen Renault Vel Satis fahren will, muss lange suchen. Nur im Heimatmarkt Frankreich findet man eine gewisse Auswahl. Und wenn es schon ein Vel Satis sein soll, kommt man um die Topversion mit dem 3,5 Liter großen V6-Motor nicht herum. Rund wird der Wagen in der Luxusausstattung Initiale. Findet man einen ist der skurrile Franzose zumindest günstig zu haben. Gut gepflegte Fahrzeuge mit Komplettpaket und weniger als 125.000 Kilometern kosten kaum 5000 Euro. Das teuerste Modell in Deutschland kostet derzeit keine 10.000 Euro. Der Renault Vel Satis hat jedoch immer mit Elektrik- und Elektronikproblemen zu kämpfen. Das sollte man wissen, bevor man sich einen zulegt.