Mercedes E-Klasse Coupé Die Sänfte der Sorglosen

Wenn man "Die Krise" einfach wegfahren könnte, wäre eine Spritztour mit dem neuen Coupe der E-Klasse die richtige Kur mit Sorgloseffekt. Am Steuer des eleganten Sportlers verschwinden böse Banker und zusammenbrechende Märkte - zumindest für ein paar Stunden.

Angeblich sollen moderne Autos nicht mehr genug Verführung im Design aufbieten, um wirklich attraktiv zu sein. Diesen Vorwurf muss das neue E-Klassen Coupé nicht beantworten, es muss nur heranrollen und sich betrachten lassen. Coupés dürfen nur existieren, wenn sie schöner sind als die zugehörige Limousine, dieses betört auf den ersten Blick. Die kräftig ausgestellten hinteren Autobacken sind Reminiszenzen an das erste Ponton-Coupé - und machen dem Modell der Gegenwart einen strammen Po. Starke Hüften sind beim Auto kein Nachteil. Dazu kommen die scharf geschnittenen Kanten auf der Haube und der berauschende Schwung des großen Dachbogens, der natürlich von keiner B-Säule gestört wird. Die kompakteren und flacheren Maße und die starke Pfeilung an Heck und Bug bemerkt man beim zweiten Blick. Mit diesen Zutaten gehört das E-Coupé in die Gruppe der "Will Haben"-Spielzeuge für große Jungs.

Dabei müssen diese Jungs nicht schon kurz vor der Rente stehen wie beim großen CLS. Tatsächlich ist dieses Coupé deutlich kompakter als die eigentliche E-Klasse - handelt es sich doch - böse gesagt - um ein "C-Fahrzeug" das mit zig Teilen auf E-Level aufgebohrt wurde.

Ein cW-Wert von 0,24 macht den Zweitürer laut Hersteller zum strömungsgünstigsten Serienauto der Welt. Im Vergleich zur E-Klasse-Limousine ist das Coupé geradezu geschrumpft: Mit 4,70 Meter Länge ist es fast 17 Zentimeter kürzer und fährt auf elf Zentimeter weniger Radstand als der Viertürer. Über die Marketing Überlegungen im Alphabet.Gestammel zwischen C und E kann man spotten, dem Wagen bekommt die bescheidenere Größe. Das große Coupé auf E-Basis, der CLS ist dagegen ein Sternenkreuzer, geboren um zu cruisen. Übersichtlichkeit und Handlichkeit fallen dagegen beim kleineren Modell deutlich sportlicher aus. Das gilt allerdings auch für die Plätze im Fond - sie kann man nur als Not- und Kindersitz betrachten. Hier sieht man deutlich wo der fehlende Radstand geblieben ist. Vernünftigerweise gibt es keine Türen hinten wie beim CLS. Ab 180 cm Körperlänge droht ohnehin eine Nackenstarre. Wer Kinder und Karre mitnehmen möchte, sollte sich nach einer anderen Bauform umsehen. Das kleine E-Coupé kommt dafür einer sportlich- jugendlichen Kundschaft entgegen. Die Tuner werden aus diesem Modell hochedle Krawallkisten herstellen können.

Von Krise kann unter der Haube nicht die Rede sein, unter 250 km/h Höchstgeschwindigkeit läuft bei diesem Benz erstmal nichts. Zum Start kann man unter fünf Motoren wählen. Absolut überzeugend treten bereits die "Einstiegsvarianten" an. Die Vier-Zylinder im 250 CGI und CDI. Der aufgeladene Vierzylinder-Diesel mit 204 PS ist bereits bekannt, der Benziner mit 1,8 Litern, Direkteinspritzung und Turboaufladung ist neu und ebenso stark wie der kleine Diesel. Das Durchzugsmoment spricht für den Diesel. Ein Mixverbrauch von 5.1-Liter ist zudem ein enorm niedriger Wert für ein Fahrzeug mit derartigen Fahreigenschaften. Ein hoch motorisiertes Spaßmodell wird nicht gebaut, um den Regenwald zu retten, aber es erstaunt, mit wie wenig Sprit so viel Auto auskommt. Das Drehmoment bläst den Wagen geradezu aus den Kurven.

Für den "kleinen" Diesel oder den "kleinen" Benziner sollen exakt 44.684 Euro bezahlt werden. Auch mit bescheidenen Sonderwünschen wird man kaum ein Coupé unter 50.000 konfigurieren können. Krude sind lediglich Details. Dass den Passagieren in der ersten Reihe die Gurte per Stellmotor gereicht werden, gehört zum Service der gehobenen Stände. Das aber anstelle einer elektronischen Handbremse die alte Mercedes Bremskralle verbaut wird, die bei jedem Drauftreten das vertraute "Räääätsch"-Geräusch macht, passt nicht ins Bild. Auch dass man bei der Veranstaltung eine Start-Stop-Automatik als Vorgeschmack für Kommendes zeigt, ist genau genommen kein Ruhmesblatt.

Das sind aber Kleinigkeiten. Ein sportlicheres und agileres Modell gibt es nicht in der neuen E-Klasse. Souverän führt Mercedes eine Vision von Effizienz und Sportlichkeit vor, ohne die traditionellen Tugenden wie entspanntes Reisen zu vernachlässigen. Enttäuscht dürften nur die sein, die hofften, die Klimadiskussion würde grundsätzlich zu zweckrationalen, fahrbaren Schachteln führen. Das E-Klassen Coupé beweist das Gegenteil - allerdings auch nur für diejenigen, die es sich leisten können.

Gernot Kramper