Opel Astra Der Andere für alle

Augenrollen und reflexartiges Um-den-heißen-Brei-Herumreden sind die häufigsten Reaktionen der Opel-Mitarbeiter, wenn man sie dieser Tage mit Fragen konfrontiert, in denen Worte vorkommen wie "VW Golf" und "wie wichtig ist der Erfolg des Astra für den Konzern?".

Augenrollen und reflexartiges Um-den-heißen-Brei-Herumreden sind die häufigsten Reaktionen der Opel-Mitarbeiter, wenn man sie dieser Tage mit Fragen konfrontiert, in denen Worte vorkommen wie "VW Golf" und "wie wichtig ist der Erfolg des Astra für den Konzern?". Und da die Opelixe hier in Saint-Tropez noch weitere vier Wochen täglich mit diesen Fragen konfrontiert werden, belassen wir es mal dabei. Wir sind hier an die Côte d'Azur geholt worden, um ihn nach endloser Vorabberichterstattung endlich zu fahren: den neuen Astra. Den Hoffnungsträger der Rüsselsheimer. Den Golfkiller. Ach so, wir wollten ja nicht...

Her mit den kleinen Einsteigermodellen

Ganz unten anfangen, sich dann von Modell zu Modell steigern - das ist der Plan. Der leider nicht funktioniert, weil ein schmächtiges Basismodell, das mit einem 1,4 Liter Twinport-Ecotec-Motor und Minimalausstattung mit 15.200 Euro den Einstieg in die Astra-Welt markiert, nicht zur Verfügung steht. Entern wir also den nächst Größeren unter den Benzinern, einen 1,6 Liter Twinport Ecotec mit 77 kW (105 PS) und einer Easytronic-Schaltung.

Im Stadtverkehr von Saint-Tropez sorgt diese Getriebelösung mit dem jederzeit möglichen Wechsel zwischen Vollautomatik und dem Hoch- und Runterschalten auf Tastendruck für ein sehr entspanntes Vorwärtskommen. Überhaupt ist der Aufenthalt im Astra-Körper sehr angenehm. Fahr- und Motorengeräusche drängen sich nicht unangenehm auf. Die drei großen Rundinstrumente sind gut ablesbar und sehen sogar gut aus. Die Verarbeitung macht einen sehr soliden Eindruck, nichts klappert oder wackelt. Die Sitze sind bequem und geben ausreichend Halt, auf der Rückbank ist der Komfort der Passagiere - wie in der Kompaktklasse üblich - vor allem von der Länge der Menschen auf den Vordersitzen abhängig. Da helfen auch einige Zusatzzentimeter, die Opel dem Innenraum spendiert hat, nicht viel.

Auf Knopfdruck sportlich

Es folgt der Sprung ans obere Ende der Astra-Hierarchie: der 2.0 Turbo mit 125 kW (170 PS) wartet nur darauf, uns die neuen Errungenschaften der Opel-Fahrwerksbauer zu zeigen. "Und fahren Sie unbedingt auf den Handlingkurs" hatte man uns stündlich hinterhergerufen - zu Recht. Auf einem kleinen Privatflughafen können wir auf einer Mini-Rennstrecke den Fronttriebler mal so richtig treten und vor allem die Unterschied zwischen der Normal- und der Sport-Einstellung des Fahrwerks kennen lernen.

Auf den kleinen "Sport"-Knopf sind die Opelianer mächtig stolz, und es ist in der Tat frappierend, wie sich das Fahrverhalten nach einem Druck auf eben diesen Button - in voller Fahrt, versteht sich - verändert. Nicht nur die Federung wird spürbar härter, der Wagen hängt auch aggressiver am Gaspedal und die Lenkung erscheint direkter. Ein Knopf mit Spaßfaktor, keine Frage. Und ein Knopf mit Kosten: Dieses IDS-Plus genannte Fahrwerk für den 2.0er, der bei rund 21.000 Euro anfängt, kostet 1.160 Euro extra. In diesem Preis ist allerdings auch ein mitlenkendes Scheinwerfersystem mit dynamischem Kurvenlicht enthalten.

Die zweite Übung auf dem Flughafen ist dem Verreißen des Lenkrads bei voller Fahrt gewidmet und soll die Leistungsfähigkeit des Schleuderverhinderers ESP unter Beweis stellen. Nach der Beweisaufnahme lässt sich sagen: Das System bringt den Wagen nicht nur souverän wieder auf Spur, es greift dabei auch nicht unangenehm ein, bremst nicht allzu stark ab. Ein gutes Gefühl.

Serpentinen fressen mit dem Selbstzünder

Unser letztes Testobjekt - insgesamt umfasst die Fünftürer-Familie beim Verkaufsstart vier Benzin- und drei Diesel-Modelle - ist der große Astra-Diesel, der mit 1,9 Litern und einem Turbo 110 kW (150 PS) entwickelt. Er verfügt ebenfalls über den magischen "Sport"-Knopf und sorgt - ist er erst mal auf Touren - auf den Serpentinen der Berge um Saint-Tropez für richtig Spaß.

Äußerlichkeiten

Über das Design des neuen Astra ist schon viel geschrieben worden. In wie weit sich junge Käufer von der dynamischen Linienführung angezogen fühlen und konservative Astra-Veteranen abgeschreckt werden, wird sich ab März auf dem Markt zeigen. Besonders mit den großen Motoren und dem Sportfahrwerk bieten die schnittige Karosserie und die großen Felgen und breiten Reifen aber eine ansprechende Einheit, die Spaß macht.

Genug gelacht

Im Alltag wird der Astra nicht nur Sport treiben können, sondern sich auch als Packesel verdingen müssen. Opel prahlt damit, die 380 Liter Kofferraumvolumen seien das Klassenbeste. Ein weiterer Liter hätte sich gewinnen lassen, indem das leuchtend gelbe Erste-Hilfe-Kit nicht nur mit einem Band an die rechte Kofferraum-Innenwand geschnürt, sondern irgendwo geschickt versteckt worden wäre.

Für den Transport sperrigen Gepäcks gehört das Umklappen der Rückbank inzwischen zum Standard. So auch beim Astra, der in dieser Disziplin aber nicht überzeugt. Zwar lässt sich je nach Ausstattung die Rücklehne der hinteren Bank in zwei (60:40) oder drei Abschnitte (40:20:40) teilen, doch in jedem Fall bleibt nach dem Umklappen zwischen Koffer- und Fahrgastraum eine nicht nur hässliche, sondern auch störende Stufe von fünf Zentimetern Höhe. "Das wird die Waschmaschine aber nicht besonders freuen", bemerkte ein Kollege sehr treffend. Gute Ideen zum Verstauen von Kleinkram sucht man im Astra auch vergebens, hier ist der Wagen sehr konventionell.

(Un-)Zierleisten

Und dann ist da noch ein Geschmacksproblem: In den Vordertüren und über dem Handschuhfach haben die Opel-Raumausstatter Dekorleisten angebracht - die leider je nach Ausstattungsreihe (es gibt derer fünf: Astra, Enjoy, Elegance, Sport, Cosmo) zwischen peinlich und sehr peinlich schwanken. Sehen die Holzimitation oder die "Chromquader" vor allem billig aus, schockt die Version "Karbonlinien" (in der Linie Cosmo) mit hellgrauem Gekrakel auf dunkelgrauem Untergrund, das aussieht, als habe ein Erstklässler mit einem Lackstift versucht, gerade Linien zu ziehen. Der Fairness halber sei gesagt, dass die allergische Reaktion bei den Kollegen weniger heftig ausfiel.

Technische Daten

TypOpel Astra 1.6 Opel Astra 1.8 Opel Astra 2.0Opel Astra 1.9
MotorVierzylinderVierzylinderVierzylinderVierzylinder
Hubraum (cm3)1598179619981910
Leistung in PS (KW) bei U/min-1105 (77)125 (92) 170 (125)150 (110)
Max. Drehmoment (Nm)150170250315
Höchstgeschwindigkeit (km/h)185198217210
Beschleunigung 0-100 km/h12,3 Sekunden10,8 Sekunden8,9 Sekunden9,1 Sekunden
GetriebeManuelle Fünfgang-SchaltungManuelle Fünfgang-SchaltungManuelle Sechsgang-SchaltungManuelle Sechsgang-Schaltung
TreibstoffsorteSuperSuperSuperDiesel
Durchschnittsverbrauch6,67,89,15,6
Grundpreis 16.460 Euro 17.010 Euro 20.900 Euro

Fazit

Der neue Astra ist Opel gelungen. Die vielen interessanten, hier gar nicht erwähnten technischen Features, die Opel für seinen Kompaktklassenvertreter anbietet, führen den interessierten Käufer schnell weg vom Basis-Astra für rund 15.000 Euro. Wer diese Investitionen zu tätigen bereit ist, bekommt ein Auto, das sich nicht zu verstecken braucht hinter dem Go..., dem Mitbewerber.

Ralf Sander