Volkswagen Multivan Der heimliche Herrscher

Spiel, Nutzen, Sport und Familie – für jeden Zweck ist der Multivan von Volkswagen der Richtige. Er punktet mit unerreichter Flexibilität und dem Image eines dezenten Understatements. Nur in der Preisliste kennt er keine falsche Bescheidenheit.

PR-Abteilungen haben für neue Fahrzeugformen tolle Namen erfunden Sports Utility Vehicle gehört dazu oder Crossover. Eines haben diese modischen Autos gemeinsam, große Reifen, wuchtige Ausmaße und vergleichweise geringen Rauminhalt. Kein Wunder, dass Menschen, die wirklich an Utility sprich Nutzen und Sport Interesse haben, sich nie für Wagen mit Geländeoptik interessiert haben. In Deutschland schlägt ihr Herz für einen Wagentyp mit dem Aussehen einer großen Schuhschachtel. Hierzulande gilt der Transporter als das einzig wahre Sports Utility Vehicle. Krönung der Gattung ist der T5 von Volkswagen, besonders der Multivan.

Das Prinzip Multivan

Von einem Multivan träumen Familien und Surfer, auch wenn sich die Familie nur einen Zafira und der Sportler nur einen uralten Transporter leisten kann. Kern der Faszination des Bullynachfolgers sind Solidität, unerreichte Flexibilität und ein enormer Laderaum. Dabei funktioniert das Sitz- und Ladesystem des Multivans ganz anders als bei etwa einem Minivan. Normalerweise wird der Multivan mit zwei Sitzen in der ersten Reihe und zwei in der zweiten und einer Dreierbank in der dritten Reihe bestückt. Alle Sitze sind drehbar, können also in Fahrtrichtung, aber auch mit Blick nach hinten fixiert werden. Die Stühle der zweiten Reihe und die Bank sind in Metallschienen auf dem Boden fixiert und lassen sich frei verschieben. Allein durch Hin- und Herschieben lässt sich entweder der Fußraum oder der Stauraum hinter der Bank enorm vergrößern. Auch bei für Erwachsenen noch bequemen Abständen reicht der restliche Laderaum für großes Reisegepäck bei sieben Passagieren. Erst bei sieben Sportausrüstungen würde es eng werden. Spätestens hier müsste ein Full-Size-SUV oder ein großer Familienvan passen.

Schweißtreibende Umbauten

Dabei ist das Verschieben die einfachste Übung des Multivans. Wahlweise lassen sich einzelne Stühle oder die Bank aus dem Fahrzeug ausbauen. Das geht leider nicht mit einem Griff wie beim Sharan oder gar per Knopfdruck wie beim Grand Voyager, sondern nur mit Muskeleinsatz. Schon für den Ausbau eines Stuhls sollte man zu zweit sein, für die Bank müssen beide Beteiligte wirklich zupacken können. Nach dem Ausbau muss der überflüssige Sitz nämlich in eine Garage getragen werden. Dafür kann man das Fahrzeug dann vollkommen vom Gestühl befreien. In einem Familienwagen werden Bänke und Stühle dagegen geschickt zusammengeklappt und bilden auf ihrem Rücken einen erhöhten Ladeboden. Für ein Billyregal mag das zwar ausreichen, aber für viel mehr nicht. Einen entkernten Multivan könnte man dagegen ganz nach Wunsch mit Werkzeugschränken für die Arbeit oder einen Spülkochtisch für die Freizeit ausstatten. Oder eben als professionellen Transporter nutzen. Für "normale" Transportaufgaben inklusive Ikeabesuch ist der Aus- und Umbau des Gestühls übrigens nicht notwendig. Alles, was man in einem Sharan unterbekommt, schluckt der Multivan locker mit umgelegter Bank und Sesseln. Wer mit fünf Personen auf große Fahrt geht, wird erstaunt bemerken, dass er den Laderaum ohne Campingausrüstung eigentlich nicht füllen kann.

Mythos Fahrverhalten

Immer wieder werden dem Multivan von begeisterten Redakteuren Fahrleistungen wie bei einem Pkw attestiert. Das stimmt so nicht. Sicher, der Wagen lenkt sich präzise und läuft angenehm ruhig. Ausgestattet mit dem Allradantrieb 4motion, erhöht sich seine Zugfähigkeit auf schwierigen Untergründen enorm. Er folgt brav den Kurven, insbesondere mit der geschwindigkeitsabhängigen Servolenkung. Sicherer Geradeauslauf ohne Korrekturen ist eine Selbstverständlichkeit. In den Kurven zerren die Fliehkräfte durch die hohe Sitzposition beunruhigend am Körper des Fahrers, das Ende der Möglichkeiten ist für den Wagen dann noch lange nicht erreicht. Doch preislich stammt ein Multivan aus dem Bereich der Mittelklasse bis oberen Mittelklasse. Ein gut ausgebautes Modell mit Allrad, Leder und großer Navigation wie das gefahrene kommt in die Nähe von 60.000 Euro, dafür gibt es auch einen runden 5er BMW oder einen A6. In Punkto Leistung fahren diese Wagen natürlich in einer anderen Liga.

Wie viel Leistung muss sein

Bei einem SUV von vergleichbaren Gewicht und Größe wäre ein Diesel mit einem Hubraum von drei Litern der Motor der Wahl. Das sollte man sich auch bei einem Multivan vor Augen halten. Der Einstiegsmotor setzt Geduld und Leidensfähigkeit voraus, aber auch der gefahrene 2,0-Liter-TDI mit 140 Diesel-PS macht aus dem Raumwunder keine Rakete. Halbwegs beladen wird der Multivan ab 130 km/h auf der Autobahn spürbar träge. Dafür läuft das Common-Rail-Aggregat ruhiger und leiser als der Pumpe-Düse-Vorgänger. Mehr als eine Reisegeschwindigkeit von über 150 km/h sollte man lieber nicht anstreben. Wer seinen Multivan als Zugmaschine nutzen will, sollte in den 2,0 Liter BiTDI mit 180 PS investieren. Auf Landstraßen und bei Steigungen verleiht fleißiges Schalten den 140 PS den richtigen Pepp. Im Alltag und auf kurzen Strecken reicht der Motor dagegen vollkommen aus. Beim durchschnittlichen Verbrauch muss man sich auf einen Wert zwischen zehn und elf Litern einstellen. Im Fahrzeitraum lag der Verbrauch knapp über elf Litern. Allerdings mit großem Fahrradträger hinten, deutlicher Beladung und kräftig arbeitender Klimaanlage. Ein Alleinfahrer sollte weniger als zehn Liter verbrauchen, vielleicht schafft er die glatte 9, aber die angegebenen 8,3 wird er nur mit sehr zurückhaltender Fahrweise erreichen.

Entspanntes Reisen

Bei einem Multivan ist die Reise schon das Ziel. Wer sich nicht hetzen lässt und ein gemütliches Tempo vorlegt, kann im Multivan sehr entspannt cruisen. Die Geräuschdämmung ist vorbildlich und nicht mit dem Lärmpegel zu vergleichen, der in einem nackter Transporter mit Blechhimmel herrscht. Im VW sitzt man noch höher als in einem Full-Size-SUV, so hat man den Verkehr gut im Blick. Überdimensionale Rückspiegel sorgen für den Fall vor, dass die Sicht nach hinten im Innenraum verstellt wird. Rund um Kopf und Schultern bietet der Multivan sehr viel freien Raum. Nirgendwo fühlt man sich beengt oder eingesperrt. Die beiden Armlehnen ermöglichen lockeres Fahren im Captain-Chair. Im Alltag lässt sich der Multivan gut bewegen, dank der Form hat man immer eine gute Übersicht. Wegen der Länge des Fahrzeugs ist die Rückfahrkamera beim Rangieren allerdings zu empfehlen.

Schicke Schachtel

Beim Multivan gilt "form follows function" uneingeschränkt, trotz der offenkundigen Kastenform wirkt der Wagen ansprechend und sympathisch. Im letzten Jahr wurde dem T5 ein Facelift spendiert. Nun ziert ihn das neue VW-Gesicht, der Blick ist etwas aggressiver der Grill wirkt markanter. Dazu gab es im Innenraum zahlreiche Verbesserungen im Detail, die dem Kunden aber nur im direkten Vergleich zum Vorgänger auffallen dürften.

Tausend nützliche Kleinigkeiten treiben den Preis

Der Reiz des Multivan liegt in einer Unzahl von Details. Zuerst könnte man denken, dass ein Multivan der teuerste Transporter der Welt sei. Doch schon das Einstiegsmodell des Multivan hat mit dem rustikalen Transporter Nutzfahrzeug kaum etwas gemeint. Die unangenehme Wahrheit: Jeder Sprung auf der Preisskala entspricht einem Schritt mehr Komfort und Funktionalität. Wer sich einmal beim VW-Händler in die Handwerkerausführung gesetzt hat, wird in jedem Winkel die Unterschiede finden.

Ein Multivan ist das richtige Fahrzeug für die, die sich auch einen Audi-A6-Kombi leisten könnten. Der Preissprung von einem Berlingo ist enorm. Der Wiederverkaufswert eines T5 Multivan liegt allerdings auf hohem Niveau. Außerdem ist man mit einem echten Understatement-Fahrzeug unterwegs. SUVs werden täglich gebrandmarkt, aber wann wird schon einmal über einen Multivan hergezogen?

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