Faurecia Premium Attitude Versace-Party in der Russen-Disco

Beim Anblick des Premium Atitude werden historische Ost-Träume Realität. Faurecia, einer der größten Automobilzulieferer Europas, hat einen ungewöhnlichen Weg gewählt, sich in Szene zu setzen. Der legendäre Tatra 603 wurde zu einem Leben erweckt und präsentiert sich mit coolen Lounge-Interieur.

In der ehemaligen Tschechoslowakei war der Tatra 603 jahrzehntelang das Feindbild der breiten Masse. Nur Mitglieder des Staatsapparates und hohe Parteifunktionäre kamen in den Genuss der rund 20.000 Mal gebauten Ost-S-Klasse. Von 1955 bis Mitte der 70er Jahre wurde die knapp fünf Meter lange Luxuskarosse in der Tschechoslowakei gebaut; angetrieben von einem müden und zumeist röchelnden Achtzylinder mit gerade einmal 105 PS. Die gelungene Aerodynamik ermöglichte immerhin eine Höchstgeschwindigkeit von über 160 km/h.

Über 30 Jahre später bringt Innenausstattungs-Spezialist Faurecia den Tatra 603 für einen Augenblick ins Leben zurück. In knapp einjähriger Entwicklung wurde ein 72er Tatra 603-2 neu aufgebaut und mit einem futuristisch anmutenden Luxusinterieur versehen. Der Einstieg in Volant und Fond geschieht anders als beim ehemaligen Oligarchenmodell über gegenläufig öffnende Türen. Herzlich Willkommen! Hat man die weit aufschwingenden Pforten erst einmal geöffnet, blickt man auf einen wahren Ost-West-Konflikt. Außen die ungemein faszinierenden und geschwungenen Formen, die eher an ein Flugzeug oder ein Rennboot, denn an einen fahrbaren Untersatz erinnern. Besonders das Bootsheck mit dem charakteristischen Entenbürzel hatte Designer in Ost und West zu Begeisterungsstürmen hingerissen. Abgesehen vom Retro-Charme ist der Interieur das eigentlich sehenswerte, das Faurecia stilvoll in Szene setzen wollte.

Zeigen, was man kann

"Wir haben uns deshalb für den Tatra entschieden, weil er nach heutigem Maßstab von Innen- und Außenabmessungen ungefähr einem 5er BMW oder einer Mercedes E-Klasse entspricht", so Chefdesigner Thorsten Süss, der das Projekt federführend von Karlsruhe aus betreute, "wir wollten einfach zeigen, was wir als Zulieferer können." Faurecia ist in Sachen Innenausstattung die Nummer zwei in Europa, die Nummer neun weltweit. Besonders Edelmarken wie Mercedes und BMW werden von den global operierenden Franzosen mit Sitzen, Mittelkonsolen und Verkleidungen beliefert. Was derzeit technisch machbar ist, zeigt der wiederbelebte Tatra eindrucksvoll. Als wäre das für ihn das normalste der Welt begrüßt er seine Insassen mit Multimediabildschirmen, elektrischer Sitzverstellung und weichen Soft-Touch-Oberflächen.

Entwickler Rob Fitzpatrick: "Wir wollten ein Premium-Auto erschaffen, das eben nicht im High-End-Bereich antritt. Unser Tatra ist ein Beweis dafür, wie flexibel und edel ein Oldtimer sein kann." Wer das Innere des Premium Attitude sieht, sieht sich in einer Zeitkapsel. Ein bisschen Fiat 500, etwas Mini Cooper und mehr als ein Hauch Citroen C6 versprühen einen ungewöhnlichen Charme. Die warmen Rottöne und indirekten Illuminationen wirken nicht nur trendig, sondern auch wohnlich. "Man kann es mit einem alten Gebäude vergleichen, in dem coole, neue Designmöbel stehen", so Fitzpatrick. Innovationsfreudig zeigt sich der 603er nicht nur im Innenraum. Im Heck, wo sonst der träge Achtzylinder knatterte, zeigt Rob Fitzpatrick einen Hightech-Laderaum, edel ausgekleidet und mit ausfahrbarem Ladeboden. Mehr als nur ein Traum, denn für eine Limousine mit Frontmotor wäre unter dem Boden noch genügend Platz für einen Flachauspuff – ebenfalls aus dem Hause Faurecia.

Modell bleibt ein Solitär

Leider wird nicht daran gedacht, den Tatra wieder auf die Straße zu bringen. Der Premium Attitude ist ein Einzelstück, einzig dazu gedacht, das Potenzial von Faurecia zu zeigen. Nach der Weltpremiere auf der Los Angeles Autoshow findet die Europapremiere am 13. Dezember in Berlin statt. Zahlreiche Zulieferfirmen geben sich mit der Statistenrolle im Hintergrund der Autohersteller nicht mehr zufrieden und drängen in den Vordergrund. Ähnlich engagiert wie Faurecia sind Zulieferer und Karosseriebauer wie Webasto, Karmann und Paragon unterwegs. Der westfälische Autozulieferer will im nächsten Jahr den Artega GT, einen Sportwagen nach Machart des Porsche Cayman, auf die Straße bringen.

Stefan Grundhoff